Cosmetic Dentistry 05.04.2023

Ein Rundgang durch die dentofaziale Ästhetik



Ein Rundgang durch die dentofaziale Ästhetik

Foto: © Dr. Rebecca Komischke

Einfache und praktische Tipps für die ästhetische Alignerbehandlung

Sie kennen es: Immer mehr Menschen kommen zu uns in die Praxen und wünschen sich eine Verbesserung ihres Lächelns. Oft geprägt durch die sozialen Medien, aber auch durch die Zeit der Pandemie, in der orale Gesundheit auch mit körperlicher Gesundheit gleichzusetzen war, nimmt die Zahl dieser Patienten zu.25 Der folgende Fachbeitrag stellt die wichtigen Parameter und ihre Optimierungsmethoden für ein schönes Lächeln dar.

Warum sollte ein Lächeln überhaupt evaluiert werden? Zum einen ist es oft ein tiefer Wunsch des Patienten, „schöner“ aussehen zu wollen. Es gibt aber auch wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass die Augen und der Mund immer die meiste Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen.1,2 Ob das nun daran liegt, dass es die kontrastreichsten Strukturen oder die beweglichsten Strukturen unseres Gesichts sind, sei dahingestellt.

Dieses hat natürlich zur Folge, dass das Lächeln eines Patienten eine große Rolle für die gesamte faziale Ästhetik spielt. Geht man noch einen Schritt weiter, so kann man davon ausgehen, dass vom Lächeln eines Menschen Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit, wie etwa Intelligenz, emotionale Stabilität, Dominanz, Sexualität und soziales Verhalten, gezogen werden können.3

Mit welchen Mitteln kann man ein Lächeln in der Praxis evaluieren?

Die Dentalfotografie ist nach wie vor der Goldstandard, um ein Lächeln zu evaluieren. Es ist aber natürlich möglich, Videos vom Mund eines Patienten zu machen, was über die Bewegungsmuster mehr Rückschlüsse ziehen lässt.4 Anhand eines Fotostatus können folgende Befunde, die für die dentofaziale Ästhetik wichtig sind, erhoben werden:

  • Gesichtssymmetrie
  • Lippenprofil
  • Mittellinie im Oberkiefer
  • Mittellinie im Unterkiefer
  • Bisslage nach Angle
  • Okklusionsebene
  • Zahnfehlstellungen im Ober- und Unterkiefer

Bei der ästhetischen Alignerbehandlung werden davon zumeist nur die anterioren Fehlstellungen, wie Mittellinienverschiebung, Engstände, Rotationen und Lücken, behoben. Änderungen der Bisslage, der Okklusionsebene oder der Gesichtssymetrie sind beim ausgewachsenen Patienten entweder nur durch Kaschieren oder durch aufwendige kieferorthopädische Behandlungen in Zusammenarbeit mit der Dysgnathiechirurgie möglich. Nach Rubin5 gibt es drei verschiedene Lachmuster:

  • Das Lächeln mit geschlossenen Lippen, was das höfliche Lächeln darstellt.
  • Das Social-Media- oder Selfie-Lächeln, was nur die obere Front zeigt.
  • Das spontane Lächeln, was wir nach Camara6 als Basis für unsere ästhetische Planung wählen sollten. Davon ist natürlich das schwerste Foto zu machen, da man den Patienten aus der Reserve locken muss, um dieses „echte“ Lächeln zu bekommen.

Autorentipp: Machen Sie immer mindestens die acht Fotos für den Fotostatus und üben Sie daran, die wichtigen Befunde schnell darauf abzulesen. Inzwischen benutze ich hauptsächlich die Fotos für meine Alignerplanungen und die daran anschließenden Korrekturen. Machen Sie ruhig am Anfang ein paar Fotos mehr. Je mehr Bildmaterial Sie haben, umso leichter wird Ihnen die Planung fallen.

Welche anatomischen Strukturen gilt es, zu Beginn und am Ende einer Behandlung zu erfassen und auszuwerten? Für die dentofaziale Ästhetik ist immer der Oberkiefer ausschlaggebend. Im Folgenden wird gezeigt, auf welche ästhetischen Marker besonders geachtet werden muss, damit Zahnarzt und Patient am Ende zufrieden sind.

Autorentipp: Das heißt, ich plane bei meinen Alignerbehandlungen immer erst den Oberkiefer und passe daran den Unterkiefer an. 

Die oberen Incisivi und die Lachlinie

Die oberen Incisivi sind sicherlich die wichtigsten Marker eines Lächelns.7–9 Beim idealen oberen frontalen Zahnbogen sollten die Scheidekanten der Kontur der Unterlippe folgen. Es beschreibt also einen konvexen Bogen.6–11 Je konvexer die Schneidekantenlinie und sichtbarer die oberen Incisivi, umso jünger wirkt das Lächeln.12 Es werden damit Schönheit, Lebensfreude und Sinnlichkeit verknüpft.

Autorentipp: Wenn ich also meine Alignerbehandlung plane und meine Fallplanung evaluiere, achte ich genauestens darauf, dass meine Schneidekanten der Unterlippe folgen und dass sie auf jeden Fall länger sind als die Eckzahnspitzen. Bei Männern kann auch eine gerade Linie toleriert werden.

Mittellinie:

In der Literatur wird beschrieben, dass Abweichungen der Mittellinie um bis zu 4 mm vom normalen Betrachter nicht wahrgenommen werden.13,14 Das ist aber nicht das, was der erfahrene Behandler in der alltäglichen Praxis wahrnimmt. Da ist es sicherlich eher 1 mm, der vom Patienten toleriert wird. Abweichungen in der Inklination der Frontzähne werden jedenfalls sehr deutlich wahrgenommen.14 Auch Diastema sind inzwischen völlig außer Mode gekommen. Es werden höchstens kleine Restlücken distal von 12 und 22 toleriert, wenn eine Boltondiskrepanz vorliegt.15

Autorentipp: Wenn ich meine Alignerbehandlungen plane, dann achte ich auf die Parallelität der beiden oberen mittleren Incisivi von der frontalen Ansicht sowie eine ansprechende Neigung der Front in der lateralen Ansicht. Ich persönlich toleriere nur eine Mittellinienabweichung von maximal 1 mm und versuche immer, diese komplett zu korrigieren. Diastema werden komplett geschlossen, und wenn ich die Boltondiskrepanz nicht ausgleichen kann, belasse ich distal von 12 und 22 Restlücken, die ich mit Komposit verschließe.

Bukkalkorridor

Der Bukkalkorridor ist der beidseitige Platz zwischen Zahnbogen und Wange beim Lächeln.8,9 Schön ist, wenn der Korridor noch als solcher zu erkennen ist, also nicht übermäßig breit ist, aber er darf dabei nicht zu schmal sein.16

Autorentipp: Bei der Planung meiner Alignerbehandlungen und auch bei der Analyse der frontalen oralen Fotoansicht stelle ich sehr häufig fest, dass die oberen Prämolaren einen negativen Torque haben. Richtet man diese auf, ist der Bukkalkorridor schon wesentlich ästhetischer.

Ginigivaverlauf

Als ästhetischer Gingivaverlauf wird beschrieben, dass dieser bei den Eckzähnen und mittleren Frontzähnen auf einer Höhe verläuft. Die Gingiva liegt bei den seitlichen Frontzähnen um etwa 0,5 mm tiefer. Am wichtigsten ist aber ein gleichmäßiger Verlauf. Dabei gibt es zwei Methoden, diesen zu korrigieren:

  • durch Gingivektomie an der Stelle, wo die Gingiva zu tief verläuft
  • durch eine Gingivaplastik, um fehlende Gingiva zu ersetzen.17

Ebenso spielt die Exposition der Gingiva beim Lächeln eine ästhetische Rolle. Ist zu viel Gingiva sichtbar, spricht man von einem „Gummy Smile“. In der Literatur werden 3 mm sichtbares Zahnfleisch als tolerierbar angesehen.11,14,18 Aber auch hier zeigt die Erfahrung, dass dieser Wert mit steigendem ästhetischem Anspruch der Patienten immer kleiner wird.Autorentipp: Bei meinen Patienten korrigiere ich die Gingivalinie immer erst am Ende der Behandlung, da sich oft unter der Alignertherapie etwas ändert. Viel häufiger als die Gingivaplastik ist die Gingivektomie, die auch benutzt wird, um ein „Gummy Smile“ zu beheben.

Zahnfarbe

Zu einem schönen Lächeln gehört auch eine natürlich helle Zahnfarbe. Es gibt auch inzwischen genügend Studien, die widerlegen, dass das Bleaching Auswirkung auf die Schmelzhärte oder Kariesprävalenz hat.19,20

Autorentipp: Bei meinen Alignerbehandlungen plane ich grundsätzlich eine Revision ein, bei der ich alle Attachments entferne und Feinkorrekturen vornehme. In dieser Phase lasse ich meine Patienten zu Hause mit ihren Revisions-Alignern mit 16 Prozent Carbamidperoxid für jeweils zwei Stunden täglich über zwei Wochen bleachen.

Zahnform

Ist die Zahnstellung korrigiert, sollte man noch das Verhältnis von Zahnbreite und -länge, das im besten Fall zwischen 75 und 85 Prozent liegen sollte, evaluieren.13 Zu schmale seitliche Incisivi wirken unästhetisch. In diesem Fall sollten die lateralen Incisivi mit Komposit aufgebaut und so verbreitert werden. Genauso sollte der Schmelzverlust durch übermäßige Attrition und Abrasion durch Schmelzätztechnik und Komposit korrigiert werden.

Die Technik des Align-Bleach-Bond kommt aus dem amerikanischen Raum und findet in Europa immer mehr Anwendung. Es wird auch unter dem Begriff Progressive Smile Design geführt, weil Schritt für Schritt, die einzelnen Komponenten zu einem schönen Lächeln aufeinanderfolgend durchgeführt werden.22

Autorentipp: Hat man die Zähne vorher gebleacht, ist das Edge-Bonding mit Komposit wesentlich einfacher, da der Schmelz der gebleichten Zähne weniger transparent ist. Die Patienten bekommen auch die Anweisung, einmal im Jahr für zwei oder drei Tage zu rebleachen, um die helle Farbe zu erhalten und Verfärbungen an den Kompositrestaurationen zu vermeiden. 

Overjet und Envelope of Function

Um wirklich schöne und langfristige Composite Edge-Bondings durchzuführen, ist es außer dem vorherigen Bleachen unermesslich wichtig, eine freie Front mit einer „Envelope of Function“ zu gewährleisten.22 Das bedeutet, dass der Overjet mindestens 2 mm betragen sollte, und es sollten keine statischen Kontakte von 2-2 vorliegen. Durch Mesialdrift und Attrition findet ein Leben lang Druck auf die Eckzähne statt, die wiederum nach oral ausweichen, was zu einer Verschachtelung und Rotationen der Ober- und Unterkieferincisivi führt. Man spricht vom tertiären Engstand. Dieses kann nur durch das Aufrichten der Eckzähne und der Proklination und Derotation der Front behoben werden. Zumeist ist eine lebenslange Retention, um diesem Prozess entgegenzuwirken, notwendig, was aber die meisten Patienten durchaus akzeptieren, wenn es ihnen erklärt wird.22

Autorentipp: Bei der Evaluation meiner Alignerfallplanungen nutze ich immer diese Ansicht, um zu entscheiden, ob die Envelope of Function am Ende gewährleistet sein wird.

Lippenästhetik

In der Literatur wird beschrieben, dass ein möglichst volles Lippenrot die dentale Ästhetik besonders gut unterstreicht. Dieses kann man durch optimale Positionierung der oberen Incisivi zum Teil erreichen.6,23 Das ist aber biologisch begrenzt, da mit zunehmendem Alter das Lippenrot dünner und weniger füllig wird,23,24 was schwer allein durch eine Zahnkorrektur zu verändern ist. Vielmehr ist das Arbeiten mit Fillern, wie etwa Hyaluronsäure, in Zusammenarbeit mit Dermatologen, eine effiziente Methode, um die Lippenfülle wiederherzustellen.23

Fazit

Bei der ästhetischen Planung einer Alignerbehandlung gibt es wirklich nur wenige Punkte zu beachten. Macht man gute Fotos und nimmt man sich die Zeit bei der Fallplanung, kann man wirklich schöne und vorhersehbare Ergebnisse erreichen. Wenn man dann auch noch ein Bleaching miteinschließt und am Ende minimalinvasiv mit Composite die Zahnform ausgleicht oder den Gingivaverlauf korrigiert, hat man glückliche Patienten langfristig an die Praxis gebunden, ohne hohe Investitionen tätigen zu müssen.

Das Literaturverzeichnis zum Beitrag ist hier aufrufbar.

Dieser Beitrag ist in der CD cosmetic dentistry erschienen.

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