Cosmetic Dentistry 20.08.2021
Unterstützung der Osseointegration von Keramikimplantaten
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In der traditionellen oralen Chirurgie und Implantologie liegt der Fokus auf der Einheilung eines Implantates und den lokal notwendigen Faktoren, um Knochen und Gewebe zu erhalten oder aufzubauen. Die Sichtweise geht noch selten über die Mundhöhle hinaus. Klassischerweise kommen potenziell vier Methoden für den Knochenaufbau infrage: die Osseoinduktion (Wachstumsfaktoren), Osseokonduktion (Knochenaufbaumaterial als „Platzhalter“), die Distraktionsosteogenese und die Guided Tissue Regeneration (Membranen, Schalentechnik etc.).1
In der Biologischen Zahnmedizin nutzen wir Erfahrung und Wissen aus der funktionellen Medizin und Ernährung sowie gezielte Mikronährstofftherapien, um die systemische Voraussetzung für eine geplante Operation und anschließende Knochen- und Geweberegeneration zu unterstützen.
Lokale Bedingungen
Zu den lokalen Bedingungen der intelligenten Knochen- und Weichgewebsregeneration zählen die Dekontamination des Operationsgebietes (Atem, Speichel), die Aktivierung von lokalen Wachstumsfaktoren (IGF-1, Osteoblasten, Plasmaproteine etc.) durch Bohrung und Bleeding Spots (Anfrischung des Knochens) und damit Knochenstimulation sowie der Einsatz von intelligentem Biomaterial wie PRF-Membranen, um die extrazelluläre Matrix zu verbessern und die Knochen- und Weichgewebssituation zu optimieren. Der Einsatz von mikroinvasiven Techniken, wie der Piezosurgery, der Einsatz von Ozon, navigierte Implantationen, und die verbesserte Bildgebung eines DVT haben uns zahnmedizinisch-handwerklich weit nach vorn gebracht. Der Trend geht klar in Richtung Ästhetik und Gesundheit. Keramikimplantate sind kein Tabuthema mehr, sondern die Zukunft der Implantologie. Dennoch operieren bisher nur circa ein Prozent aller Chirurgen Keramikimplantate. Der Autor kann aus seiner zehnjährigen Erfahrung (über 4.000 eingesetzte Keramikimplantate) sagen, dass man chirurgisch, aber vor allem systemisch mehr Informationen benötigt, um eine hohe Einheilungsquote zu verzeichnen.
Keramikimplantate heilen entzündungsfrei ein, und hier liegt auch schon die Krux. Kaum einer von uns kennt sich mit der Biochemie des gesamten Körpers wirklich aus. In der Keramikimplantologie ist es wichtig, das Wissen aus der funktionellen Medizin, über Ernährung und Mikronährstoffe mit einzubeziehen, um den Körper auf eine „Umbauphase“ vorzubereiten. Dementsprechend legen wir sehr großen Fokus auf den Lifestyle unserer Patienten. Die systemische Vorbereitung für den Operationstermin ist genauso wichtig wie die gezielte Nachbereitung.
Intelligentes Knochen- und Weichgewebemanagement
Systemische Bedingungen: OP-Vorbereitung und Ernährungsumstellung. Eine falsche Ernährung mit Zucker, Weizen, raffinierten Speiseölen, konventionellen Kuhmilchprodukten („CORE FOUR- Krankmacher“) und anderen Nahrungsintoleranzen führt zur generellen Entzündungsneigung des Körpers sowie zu Makro- und Mikronährstoffmangel: Protein und Aminosäuren, die fettlöslichen Vitamin A, D3, E und K, wasserlösliche B- und C-Vitamine, Mineralien wie Zink, Magnesium und gesunde Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren fehlen für den Aufbau und die Regeneration von Gewebe und Knochen.2 Unser Ziel ist es, die Patienten möglichst effektiv auf die Operation vorzubereiten. Dabei liegt die Versorgung mit den richtigen Makronährstoffen sowie die Vermeidung möglichst vieler Stressoren im Fokus. Die „CORE FOUR-Krankmacher“ sollten streng gemieden werden.
Dr. Weston Price erforschte vor über 100 Jahren unterschiedliche Völker überall auf der Welt. Seine Forschungen dokumentierte er in seinem Buch Nutrition and Physical Degeneration3: Menschen, die sich artgerecht ernährten, waren quasi immun gegen Karies. Die Nachkommen, die bereits mit industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln in Kontakt kamen, litten bereits an typischen Degenerationszeichen, da es ihnen an Nährstoffen fehlte. Der wichtigste Makronährstoff für den Aufbau von Körpergewebe (Knochen, Weichgewebe, Muskulatur etc.) ist Protein.
Protein – Aminosäuren – Bausteine des Lebens
Wenngleich es 20 proteinogene Aminosäuren gibt, sind es tatsächlich nur acht, die aus der Nahrung aufgenommen werden müssen. Diese essenziellen Aminosäuren sind Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin. Der Körper ist in der Lage, aus diesen acht Aminosäuren jedes Protein aufzubauen, vorausgesetzt es ist genug Rohstoff vorhanden.
Zahlreiche Studien konnten einen Zusammenhang zwischen mangelhafter Knochenbildung, verminderter Knochendichte sowie verzögerter Knochenbruchheilung und einem Protein- und Aminosäurenmangel nachweisen. Je älter die Patienten, umso signifikanter ist der Zusammenhang. Dayer et al. stellten bereits 2006 in einer Tierstudie eine verminderte Titanimplantat-Osseointegration bei Ratten mit Proteinmangel (< 1 g/kg Körpergewicht) fest.4,5 Die Kraft, ein Implantat nach sechs bis acht Wochen wieder aus dem Knochen herauszudrehen, war bei Ratten mit Proteinmangel um 43 Prozent niedriger als bei den Tieren mit ausreichend Protein in der Nahrung (= 1 g/kg Körpergewicht).4 Hannan et al. konnten anhand von Daten von 391 Frauen und 224 Männern (Zeitraum von vier Jahren) aus der Framingham Osteoporosis Studie einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Mangel an tierischem Protein in der Ernährung und Knochenverlust zeigen.6 Je größer der Proteinmangel, umso größer war auch der Verlust an Knochenmasse an Femur und Wirbelsäule. Es wurde kein negativer Effekt von Proteinüberschuss und Knochenheilung festgestellt.6
Konsequenterweise liegt unser Hauptfokus auf der adäquaten Versorgung mit Protein. Da in der akuten Regenerationsphase kein Mangel an Makro- und Mikronährstoffen vorhanden sein sollte, empfehlen wir einen Proteintagesbedarf von 1,5–2 g/kg Körpergewicht. Um den Körper zu alkalisieren, wird zu jeder Mahlzeit eine Portion Gemüse empfohlen. Gesunde Fette wie Omega-3 und eine Variation an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren dürfen nicht fehlen. Der Einsatz von Kollagenpulvern, essenziellen Aminosäuren, Knochenbrühen und Proteinshakes machen es für den Patienten einfacher, auf den Proteintagesbedarf zu kommen.7–17 In unserer Praxis hat sich die systemische Unterstützung der Patienten durch gezielte Ernährung und Ergänzung der richtigen Nährstoffe als wichtiger Baustein im Bereich der Chirurgie standard-mäßig etabliert.
Mikronährstoffe
Die Basis des Bone Healing Protokolls ist hoch dosiertes Vitamin D3. Vor einer Operation untersuchen wir diesen Wert im Blut der Patienten. Für eine optimale Versorgung streben wir einen präoperativen Wert von mindestens 60 ng/ml an.18 Zahlreiche Studien zeigen, dass Vitamin D3 ein entscheidender Faktor für die Knochen- und Zahnregeneration darstellt.19–23 Es aktiviert zwei für die Mineralisation des Knochens entscheidende Enzyme: Osteocalcin (BGP) und Matrix-Gla-Protein (MGP). Damit Calcium nicht im Gefäß die Arterien verkalkt, werden diese Enzyme durch einen weiteren wichtigen Co-Faktor, Vitamin K2 (MK-7), aktiviert.24
Ein weiterer Co-Faktor ist Magnesium, das an über 400 Stoffwechselvorgängen beteiligt ist.25 Zink ist sowohl für das Immunsystem als auch als Co-Faktor in der Aktivierung des Vitamin-D3-Rezeptors beteiligt.26 Das Spurenelement Bor verdoppelt dessen Halbwertszeit.27 Da Mikronährstoffe synergistisch arbeiten, dürfen auch die B-Vitamine, Vitamin C sowie Verdauungsenzyme und Omega-3-Fettsäuren in der postoperativen Phase nicht fehlen.
Fazit
Neben dem klassischen, sehr feinen chirurgischen Handwerk der Zahnmedizin nutzen wir somit Wissen aus der funktionellen Medizin und Ernährung. Damit unterstützen wir die körpereigenen Heilungskräfte der Patienten und sorgen für eine bessere Gewebe- und Knochenheilung und damit natürlich auch bessere Einheilung der Keramikimplantate. Das Ergebnis: weniger Misserfolge sowie noch gesündere und glücklichere Patienten.
Der Beitrag ist in cosmetic dentistry erschienen.