Cosmetic Dentistry 16.03.2011

Kieferorthopädische Therapie: Änderung der sagittalen Relation



Kieferorthopädische Therapie: Änderung der sagittalen Relation

Die kieferorthopädische Behandlung verfolgt in der Regel ästhetische, funktionelle und prophylaktische Ziele, wobei den einzelnen Aspekten im Einzelfall unterschiedliches Gewicht zukommt. Wachsende ästhetische Ansprüche und eine durch die Massenmedien vermittelte Kenntnis von modernen zahnärztlichen Behandlungsmöglichkeiten haben zu einem zunehmenden Interesse und einer höheren Bereitschaft Erwachsener für eine kieferorthopädische Behandlung geführt. Ästhetische Kieferorthopädie ist somit in erster Linie Erwachsenenkieferorthopädie. 


Als Besonderheit der kieferorthopädischen  Erwachsenenbehandlung im Vergleich zur Therapie von Kindern und Jugendlichen führt die Altersinvolution beim Bindegewebe zur Abnahme der Zelldichte, zu einer Verdickung der Faserbündel, einer verzögerten Fibroblastenproliferation und einer geringeren Vaskularisierung. Dies sind die Ursachen für langsamere Zahnbewegungen und verzögerte Gewebe- und Knochenreaktionen. Auch das fehlende Suturenwachstum, das Alter des Parodontiums, spezifische parodontale Befunde und die Atrophie des Gewebes machen die Behandlung Erwachsener besonders anspruchsvoll. Daher ist die ästhetisch orientierte Erwachsenenkieferorthopädie in der Regel interdisziplinär ausgerichtet. Okklusion, Funktion und Ästhetik werden in der modernen Kieferorthopädie und hier speziell in der kombiniert kieferorthopädisch kieferchirurgischen Behandlung als gleichwertige Parameter betrachtet. Dies wurde durch die Optimierung der diagnostischen Mittel sowie die Weiterentwicklung und zunehmende Erfahrung in der orthopädischen Chirurgie erreicht. Die Behandlung erwachsener Patienten mit Zahnfehlstellungen und Einschränkungen der Kaufunktion gehört heutzutage zu den Standardaufgaben von Kieferorthopäden. Wenn die räumlichen  Zuordnungs-Diskrepanzen von Ober- zu Unterkieferzahnbogen stark ausgeprägt und nicht nur dentoalveolär, sondern primär skelettal bedingt sind, werden die Grenzen einer konventionellen kieferorthopädischen Therapie erreicht, sodass eine kombiniert kieferorthopädisch-chirurgische Therapie für die Umstellung der Kieferbasen indiziert ist. In diesem Artikel wird die Möglichkeit der Therapie einer skelettalen Dysgnathie (Klasse III) durch  eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Korrektur abgehandelt.  

 


Klinische Darstellung 

 Anamnese und Diagnose 
Die Patientin stellte sich im Alter von 21 Jahren auf eigene Veranlassung vor. Sie klagte über funktionelle sowie ästhetische Beeinträchtigungen. Die Patientin hatte im Kindesalter eine kieferorthpädische Behandlung. Die allgemeine Gesundheit ist unauffällig. Das Fotostat von lateral zeigt ein Rückgesicht schräg nach vorne mit Mittelgesichtshypoplasie – Regio infraorbitale –, eine flache Oberlippe und im Vergleich zum Mittelgesicht ein leicht verlängertes Untergesicht – 49%: 51 % statt 50%: 50 % –(Tabbelle I, Abb. 1 a, b). Es lagen weiterhin eine Angle Klasse III-Dysgnathie, frontaler und lateraler Kopfbiss rechts, nach labial gekippte Oberkieferfront sowie steilstehende Unterkieferfront vor (Abb. 2a-e). Die FRS-Analyse (Tabelle I, II) verdeutlicht die starke sagittale und relativ schwache vertikale Dysgnathie sowohl im Weichteilprofil als auch im skelettalen Bereich. Die Parameter wiesen auf eine mesiobasale Kieferrelation und nach anterior abgelaufenes Wachstumsmuster hin (Abb. 3). Die Panoramaaufnahme zeigt, dass alle Zähne angelegt und durchgebrochen sind. Die Zähne 18, 28 und 38 sollten fünf Monate vor dem operativen Eingriff extrahiert werden (Abb. 4).  


Therapieziele und Therapieplanung 

Die angestrebten Ziele dieser kieferorthopädischen bzw. kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung sind:
- die Herstellung einer neutralen, stabilen und funktionellen Okklusion bei physiologischer Kondylenposition
- die Optimierung der Gesichtsästhetik
- die Optimierung der dentalen Ästhetik unter Berücksichtigung der Parodontalverhältnisse
- die Sicherung der Stabilität des erreichten Ergebnisses
- Erfüllung der Erwartungen bzw. Zufriedenheit des Patienten
als besonderes Behandlungsziel die Verbesserung der Gesichtsästhetik hauptsächlich in der Sagittalen sowohl im Bereich des Untergesichtes (Unterkieferregion) als auch im Bereich des Mittelgesichtes (Hypoplasie). Mit alleinigen orthodontischen Maßnahmen wären die angestrebten Behandlungsziele hinsichtlich der Funktion und Ästhetik nicht zu erreichen gewesen.  


Parameter Mittelwert vor Behandlung nach Behandlung 
 

Therapeutisches Vorgehen 
Die Korrektur der angesprochenen Dysgnathie erfolgte in sechs Phasen:
1) Schienentherapie: Zur Ermittlung der physiologischen Kondylenposition bzw. Zentrik vor der endgültigen
    Behandlungsplanung wurde für sechs Wochen eine plane Aufbissschiene im Unterkiefer eingesetzt.
    Dadurch konnte der Zwangsbiss in seinem ganzen Ausmaß dargestellt werden.
2) Orthodontie: Zur Ausformung und Abstimmung der Zahnbögen aufeinander und Dekompensation
    der skelettalen Dysgnathie (Abb. 6).
3) 4-6 Wochen vor dem operativen Eingriff bis zum operativen Eingriff „Schienentherapie“ zur Ermittlung
    der Kondylenzentrik. Ziel ist die Registrierung des Kiefergelenks in physiologischer Position (Zentrik).
4) Kieferchirurgie zur Korrektur der skelettalen Dysgnathie. Nach Modelloperation, Festlegung
    der Verlagerungsstrecke und Herstellung des Splintes in Zielokklusion wurde die operative
    Unterkieferverlagerung mittels sagittaler Spaltung nach Obwegeser- Dal Pont durchgeführt.
5) Orthodontie zur Feineinstellung der Okklusion.
6) Retention: Im Unterkiefer wurde ein 3–3 Retainer geklebt. Als Retentionsgerät wurden Unter-
     und Oberkieferplatten eingesetzt.  


Ergebnisse
Die Abbildungen 6a-e zeigen die Situation nach Behandlungsende, eine neutrale Okklusion und korrekte Mittellinie mit physiologischer sagittaler und vertikaler Frontzahnstufe. Die extraoralen Aufnahmen zeigen eine harmonische Gesichtsdrittelung in der Vertikalen und ein harmonisches Profil in der Sagittalen (Abb. 7a und b). Die Überlagerung der Fernröntgenaufnahmen nach der orthodontischen Vorbereitung und nach dem erfolgten chirurgischen Eingriff zeigt die Änderungen und Harmonisierung im skelettalen Bereich, im Weichteilprofil und der Parameter, die infolge der Verlagerung des Unterkiefers entstanden (Abb. 8, TabelleI II). Das OPG zeigt die Situation nach Ende der Behandlung (Abb. 9).

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