Endodontologie 18.09.2023
Same-Day-Dentistry mit 3D-gedruckten Kronen
Moderne 3D-Druckmaterialien sowie die immer kürzeren Produktionszeiten bei der additiven Fertigung erlauben es Behandlern, ihren Patienten hochästhetische und definitive Zahnersatzversorgungen anzubieten – und das in nur einem Besuch. In diesem Fallbericht wird der Ablauf der Versorgung einer Patientin mit zwei definitiven Kronen aus dem keramisch gefüllten Hybridmaterial VarseoSmile Crownplus erläutert.
Die Behandlung von Patienten mit definitivem Zahnersatz am selben Tag (Same-Day-Treatments) ist heutzutage in vielen Zahnarztpraxen State of the Art. Patienten schätzen die zügige, unkomplizierte Behandlung sowie die Zeitersparnis gegenüber einer konservativen Vorgehensweise, die mit mehreren Behandlungsterminen einhergeht. Für die Herstellung des Zahnersatzes im Rahmen von Same-Day-Treatments kommen derzeit überwiegend subtraktive Verfahren zur Anwendung, bei denen die benötigte Restauration aus hochfestem Zirkondioxid oder Lithiumdisilikat gefertigt wird. Die additive Fertigung bietet inzwischen jedoch mit hochentwickelten 3D-Druckmaterialien und immer kürzeren Fertigungszeiten gegenüber subtraktiven Verfahren einige Vorteile.
Zentral hervorzuheben sind dabei die kostensparende Herstellung komplexer Geometrien mit hoher Präzision in kurzer Dauer. Mit modernen 3D-Druckmaterialien ist es zudem inzwischen möglich, sogar definitive Restaurationen mittels additiver Fertigung herzustellen. Eines der führenden Materialien aus diesem Bereich ist das keramisch gefüllte Hybridmaterial VarseoSmile Crown plus (BEGO). Seine hohe mechanische Stabilität und Langlebigkeit wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen erwiesen.1 Durch seine spezifische Festigkeit ist das Material im Vergleich zu hochfesten Restaurationsmaterialien antagonistenfreundlicher und bietet eine bessere Dämpfung. Weiterhin zeichnet sich VarseoSmile Crown plus durch sehr hohe biologische Sicherheit sowie exzellente ästhetische Eigenschaften aus. Mit diesen neuen Technologien erhalten Zahnärzte in Kooperation mit den sie beliefernden Dentallaboren die Möglichkeit, Patienten therapeutisch sinnvolle, schnelle und kostengünstige Zahnersatzbehandlungen anzubieten.
Die folgende Fallbeschreibung illustriert das Konzept einer Versorgung am selben Tag mit 3D-gedruckten Kronen aus dem keramisch gefüllten Hybridmaterial VarseoSmile Crown plus.
Fallbeschreibung/Ausgangssituation
Die 52-jährige Patientin stellte sich zu einem regelmäßigen Kontrolltermin in der Zahnarztpraxis Dr. Michael Weiß in Bremen vor. Die generelle Mundhygiene der Patientin war gut. Aufgrund einer bestehenden Wurzelfüllung in Regio 46 und 47 bestand Frakturgefahr bei den sich im Kauzentrum befindlichen Molaren. Außerdem war keine suffiziente Kaufunktion bei fehlender Gestaltung der Okklusalflächen gegeben. Eine Überkronung der Zähne war daher indiziert (Abb. 1 und 2).
Es war der Wunsch der Patientin, die finale Versorgung möglichst schnell und ohne einen weiteren Termin zu erhalten. Daher wurde entschieden, die Kronen unmittelbar nach der Präparation der betroffenen Zähne aus dem keramisch gefüllten Hybridmaterial für den 3D-Druck definitiver Restaurationen VarseoSmile Crown plus im benachbarten Zahnlabor zu drucken und noch am selben Tag zu inserieren.
Präparation und digitale Abformung
An dem vereinbarten Behandlungstermin erfolgte zunächst die Betäubung der zu behandelnden Region. Während der Einwirkzeit der Betäubung wurde ein Intraoralscan (IS 3800W, Dexis™) der Ausgangssituation durchgeführt (Abb. 3). Im Anschluss daran wurden die Zähne 46 und 47 präpariert. Für das gewählte Kronenmaterial wird eine Hohlkehl- oder Stufenpräparation empfohlen. In diesem Fall erfolgte die Präparation in Form einer Hohlkehle.
Da Wurzelkanalbehandelte Zähne anfälliger für Frakturen sind, wurde der Zahn 47 während der Präparation mit einem Wurzelstift und einem adhäsiven Aufbau versorgt. Um eine biologisch breite Zone zwischen Gingiva und Kronenrand zu ermöglichen und einer eventuellen chronischen Gingivitis vorzubeugen, wurde das Zahnfleisch mittels eines Elektrotoms remodelliert. Um die präparierten Zähne wurden Retraktionsfäden gelegt, um die Gingiva vom Zahnhals zu verdrängen und zurückzuhalten (Abb. 4 und 5).
Bei dem nun folgenden Intraoralscan der präparierten Situation wurde zunächst der Oberkiefer gescannt. Vor dem Scan des Unterkiefers wurden die zuvor gelegten Retraktionsfäden wieder entfernt. Zudem wurde eine adstringierende Retraktionspaste zur vorübergehenden zusätzlichen Retraktion und Blutungsstillung der marginalen Gingiva sowie der Trockenlegung des Sulkus aufgetragen. Nach dem Scan des so vorbereiteten Unterkiefers erfolgte im abschließenden Schritt der digitalen Abformung noch die Bissnahme. Bis hierhin dauerte die Behandlung etwa 90 Minuten.
Der Datensatz des Intraoralscans wurde ohne weitere Bearbeitung an das Zahnlabor übertragen, um mit der Herstellung der Restauration beginnen zu können. Für die Dauer der Kronenherstellung konnte die Patientin das Behandlungszimmer wieder verlassen. Sie wurde gebeten, während der Wartezeit nichts zu essen, um keine Irritation an den präparierten Zähnen hervorzurufen.
Arbeitsschritte im Labor
Das digitale Design der Kronen erfolgte in der Software exocad. Eine besondere Herausforderung stellte dabei der okklusal zur Verfügung stehende Platz dar. Für eine anatomisch und funktional korrekte Einpassung der Restauration war es erforderlich, die vom Hersteller empfohlene Mindestwandstärke von 1 mm zu unterschreiten.
Nach dem Design der beiden Kronen und der Erstellung der entsprechenden digitalen Abbilder (Dauer jeweils ca. zehn Minuten) erfolgte das Nesting der Objekte, somit die virtuelle Platzierung der Objekte auf der Bauplattform des verwendeten Druckers – in diesem Fall ein DLP-Drucker des Typs Varseo XS (BEGO). Nach der korrekten Platzierung und Planung der erforderlichen Stützstrukturen konnte der Druckjob gestartet werden. Das Drucken der beiden Kronen dauerte etwa 40 Minuten.
Im Anschluss an das Drucken wurden die gedruckten Objekte in Ethanol von Restharz befreit und im Nachbelichtungsgerät BEGO Otoflash (BEGO) auspolymerisiert. Bei Verwendung von VarseoSmile Crown plus sollten die gedruckten Objekte zwischen dem Reinigungs- und dem Nachbelichtungsschritt abgestrahlt werden (z. B. Perlablast micro, BEGO, mit 1,5 bar), um die durch die Reinigung in Ethanol entstehende keramische Ablagerung an der Oberfläche der Objekte zu entfernen. Dies wurde auch in diesem Fall bei der Herstellung der beiden Kronen berücksichtigt.
Abschließend wurden die gedruckten und auspolymerisierten Kronen mit Kompositmalfarben (AKZENT® LC, VITA) individualisiert. Bereits 90 Minuten nach der Präparation konnten die fertiggestellten Kronen an die Zahnarztpraxis ausgeliefert werden (Abb. 6 und 7).
Insertion
Zurück im Behandlungszimmer wurden die Kronen zunächst einprobiert. Während am Präparationsrand bereits eine exakte Passung erreicht wurde, ergab sich bei der Überprüfung des Bisses die Notwendigkeit einer manuellen Korrektur der Okklusionspunkte. Nach der Korrektur wurde die Okklusion mit Shimstock-Folie geprüft und für zufriedenstellend befunden.
Vor der Insertion wurden die Klebeflächen der Kronen mit Scotchbond™ (3M) konditioniert und die Kronen dann adhäsiv mit RelyX™ Unicem (3M) eingegliedert (Abb. 8).
Behandler und Patientin waren mit der Passung sowie dem ästhetischen Erscheinungsbild der Restauration sehr zufrieden. Die Patientin konnte spontan keinen Unterschied zwischen den gedruckten Kronen und ihren natürlichen Zähnen fühlen.
Zustand nach sechs Monaten
Etwa sechs Monate nach Eingliederung der Arbeit stellte sich die Patientin zu einer erneuten Kontrolle vor. Die Kronen in Regio 46 und 47 waren vollständig intakt. Sie zeigten weder auffälligen Verschleiß noch Verfärbungen oder Abplatzungen. Das Zahnfleisch war gut angeheilt. Die Kontrolluntersuchung der oben beschriebenen Same-Day-Restauration blieb somit ohne Befund (Abb. 9 und 10).
Diskussion
Mit dem Einsatz der additiven Fertigungstechnik in Kombination mit dem in diesem Fall verwendeten Hybridmaterial für den 3D-Druck definitiver Restaurationen VarseoSmile Crown plus konnte dem Wunsch der Patientin nach einer ästhetischen Versorgung an nur einem Tag voll entsprochen werden. Der Behandler zeigte sich von der Ästhetik der fertiggestellten Restaurationen beeindruckt und zog sogar den Vergleich mit einer keramischen Restauration. Die hohe Ästhetik der Kronen ist in diesem Fall der Kombination aus den hervorragenden Eigenschaften des 3D-Druckmaterials und den handwerklichen Fähigkeiten des Zahntechnikers bei der Individualisierung zu verdanken.
Mit der Weiterentwicklung der 3D-Druckgeräte sowie der zugehörigen Materialien ist in Zukunft eine weitere Verkürzung des Herstellungs-Workflows zu erwarten, sodass es in absehbarer Zeit für die Patientin nicht mehr notwendig sein wird, das Behandlungszimmer bzw. die Zahnarztpraxis zwischen digitaler Erfassung der präparierten Situation und der Eingliederung der fertigen Arbeit zu verlassen.
In dem hier beschriebenen Fall hat sich zudem eine Verzögerung im Behandlungsablauf ergeben, da die anatomischen Beschaffenheiten ein Unterschreiten der vom Hersteller des Materials empfohlenen Mindestwandstärke und ein nachträgliches manuelles Korrigieren bzw. Beschleifen der Okklusalfläche erforderlich machten. Allerdings werden auch bei vielen subtraktiv herzustellenden Restaurationsmaterialien kaum geringere Mindestwandstärken vorgegeben, sodass auch damit eine entsprechende Komplikation zu erwarten gewesen wäre.
Die keramisch gefüllten Hybridmaterialien für den 3D-Druck definitiver, dentaler Restaurationen stellen eine gänzlich neue Materialklasse dar, deren Haltbarkeit sich nicht allein in Festigkeitsangaben bewerten lässt. Zahlreiche Veröffentlichungen von In-vitro-Studien lassen eine hervorragende klinische Leistung dieser Materialien erwarten. Allerdings sind aufgrund der Neuartigkeit der Materialklasse bis dato nur wenige Veröffentlichungen zu klinischen Langzeitbeobachtungen verfügbar. Lediglich zu dem in diesem Fallbericht verwendeten Material VarseoSmile Crown plus liegen mittlerweile Daten aus einjähriger Patientennachverfolgung vor, die die sehr vielversprechenden Daten der In-vitro-Studien bestätigen.
Fazit
Der vorliegende Fallbericht zeigt, dass Zahnersatzversorgungen am selben Tag mit additiver Fertigung und keramisch gefüllten Hybridmaterialien nicht nur möglich sind, sondern zudem zu äußerst ästhetischen Ergebnissen führen können. Obwohl mittlerweile vorliegende Daten aus der klinischen Forschung die bereits in Laborversuchen erwiesene Langzeitstabilität des Restaurationsmaterials bestätigen, bleibt die neue Materialklasse der keramisch gefüllten 3D-Druckmaterialien Gegenstand weiterer klinischer Untersuchungen.
1 Wissenschaftliche Studien zu VarseoSmile Crown plus [Registrierung: Wissenschaftliche Studien zu VarseoSmile Crown plus — BEGO 3D-Druck]
Autor: Dr. Michael Weiß
Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.