Implantologie 16.07.2024
Zwischen Ästhetik und Funktion: Festsitzende Rehabilitation im OK
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In der dentalen Implantologie ist ein sorgfältiges Abwägen zwischen Ästhetik, Funktion und Stabilität unerlässlich. Die implantologische Behandlung eines Patienten mit einer parodontalen Erkrankung illustriert diese Herausforderung in besonderem Maße. Diese Fälle sind komplex, da sie nicht nur mit ausgeprägten Knochendefekten, sondern auch mit einem erhöhten Periimplantitisrisiko einhergehen. Folgender Fachbeitrag beschreibt ein Behandlungskonzept zur implantatprothetischen Rehabilitation im Oberkiefer.
Die implantatprothetische Therapie bei Patienten mit Parodontitis gilt als besondere Herausforderung. Obwohl Implantate bei behandelten Parodontitispatienten eine hohe Überlebensrate aufweisen, neigen diese Patienten aufgrund ihrer parodontalen Vorgeschichte zu Periimplantitis. Allerdings ist die langfristige Stabilität entscheidend für den Erfolg, auch bei Patienten mit parodontalen Vorerkrankungen. Neben der frühzeitigen Diagnose und Behandlung der parodontalen Erkrankung spielen das Design der Implantate und die Art der Implantat-Abutment-Verbindung eine wichtige Rolle. Im Allgemeinen gibt es zwei Arten von Implantat-Abutment-Verbindungen: die plattformbasierte Verbindung und die konische Verbindung. Beide Varianten haben spezifische Vorteile.
Die Vorteile der plattformbasierten sowie der konischen Implantat-Abutment-Verbindung lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen (Tab. 1).
Die meisten Implantatsysteme verwenden entweder eine plattformbasierte oder eine konische Implantat-Abutment-Verbindung. Das hier verwendete Implantatsystem (tioLogic® TWINFIT, Dentaurum) ermöglicht sowohl eine konische als auch eine plattformbasierte Aufbauverbindung, sodass patientenspezifisch entschieden werden kann, ohne das Implantatsystem zu wechseln. Für die in diesem Beitrag beschriebene klinische Situation bietet die plattformbasierte Verbindung Vorteile. Sie ermöglicht bei komplexen Herausforderungen stabile Versorgungen mit Verblockungen, Brücken und Stegen. Zudem ist die plattformbasierte Verbindung bei größeren Implantatdurchmessern im Seitenzahnbereich vorteilhaft, da die prothetische Versorgung nicht überdimensioniert werden muss.
Tab. 1: Die Vorteile der plattformbasierten sowie der konischen Implantat-Abutment-Verbindung.
Patientenfall
Ein 69-jähriger Patient stellte sich erstmals zum Notdienst im Jahr 2018 in der Praxis vor. Die Untersuchung ergab ein sanierungsbedürftiges Gebiss mit mehreren nicht erhaltungswürdigen Zähnen und einer akuten parodontalen Erkrankung. Im ersten Schritt wurde eine umfassende Parodontitisbehandlung als notwendig erachtet, begleitet von einer dringenden Empfehlung zur Verbesserung der Zahnpflege.
Nach erfolgreicher Parodontitistherapie und der kon-sequenten Einhaltung einer guten häuslichen Mundhygiene begann im Jahr 2021 die implantatprothetische Therapie. Die detaillierte Planung umfasste die Extraktion der Zähne 14, 13, 11, 24 und 25.
Die prothetische Planung sah einen festsitzenden Zahnersatz vor. Für die Zähne 17, 12, 21, 22, 23 und 35 sollten Kronen angefertigt werden. Im Bereich der extrahierten Zähne wurden implantatgetragene Brücken von 16 bis 14 und von 24 bis 26 sowie implantatgetragene Kronen an den Positionen 13, 11 und 36 geplant.
Die Insertion der Implantate fand im Mai 2022 statt. Um dem Knochenniveau gerecht zu werden, erfolgte ein interner Sinuslift in Regio 16, 24 und 26 sowie ein Bone-Spreading in Regio 11. Die Bone-Spreading-Technik stellt eine non-ablative Methode dar, die durch sukzessive Erweiterung des Implantatbetts mittels spezieller Osteotome eine formkongruente „Modellation“ des Knochens ermöglicht. Das Vorgehen bewahrt die Integrität des Kieferknochens, indem es eine schonende Aufweitung ohne Substanzverlust gewährleistet und Raum für das Implantat schafft. Das in den Spalt eingesetzte Implantat dient sodann als Stützelement. In Regio 14, 13 und 36 erfolgten klassische Implantationen. Abschließend bestätigte ein Kontrollröntgenbild, dass alle Implantate gemäß der Planung exakt inseriert wurden.
Die Heilungsphase verlief ohne Komplikationen. Während dieser Zeit erfolgte eine Wurzelbehandlung am Zahn 23, um den Zahn langfristig zu erhalten. Etwa sechs Monate später konnten die Zähne 17, 12, 21, 22, 23 und 35 präpariert und für die Aufnahme von Kronen vorbereitet werden. Im November 2022 wurden die Implantate freigelegt, damit begann die prothetische Phase. Um im Frontzahnbereich ein breites Austrittsprofil zu erzielen, wurde eine plattformbasierte Verbindung gewählt (Implantate 13 und 11). Die anderen Implantate wurden aufgrund der Brückenkonstruktion mit einer plattformbasierten Verbindung versorgt, um keinen Höhenversatz beim Einschrauben zu provozieren. Im Unterkiefer wurde das Implantat 36 aufgrund der niedrigen Gingivahöhe mit einer plattformbasierten Verbindung versorgt. Die Übertragung der Situation an das Dentallabor erfolgte durch eine konventionelle Abformung des Implantats mit Abformpfosten. Für die Implantate in Regio 11 und 13 wurden aus ästhetischen Gründen vollkeramische Hybrid-Abutments angefertigt. Im Molarenbereich sind konfektionierte Abutments als Aufbauelemente verwendet worden.
Vor der Herstellung der endgültigen Kronen und Brücken erfolgte eine Einprobe der Abutments im Mund. Anschließend konnte der Zahnersatz entsprechend der Planung hergestellt und eingesetzt sowie die umfassende Sanierung abgeschlossen werden.
Zusammenfassung
Die implantatprothetische Rehabilitation im Oberkiefer bei Patienten mit parodontalen Vorerkrankungen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Um erfolgreich zu sein, müssen verschiedene Faktoren abgewogen werden, wobei auch die Wahl des Implantatsystems und der Verbindung zwischen Implantat und Abutment eine Rolle spielen. Die Diskussion über plattformbasierte versus konische Verbindungen zeigt, dass beide Ansätze spezifische Vorteile haben, die je nach klinischer Situation und ästhetischen Anforderungen berücksichtigt werden sollten. Plattformbasierte Verbindungen bieten insbesondere bei komplexen Therapien Vorteile in Bezug auf mechanische Stabilität, Funktionalität und Hygiene, während konische Verbindungen oft in ästhetisch sensiblen Bereichen (z. B. der einzelne Frontzahn) bevorzugt werden.
Der hier vorgestellte Patientenfall sensibilisiert für die Bedeutung einer umfassenden Vorbehandlung einschließlich der Behandlung der Parodontitis und der Verbesserung der Mundhygiene sowie für die Wichtigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, bei dem diagnostische, implantologische und prothetische Aspekte betrachtet werden müssen. Zukünftige Forschungen und wissenschaftliche Untersuchungen sollten sich auf die weitere Optimierung von Implantatsystemen und Verbindungstechniken konzentrieren, um die Langzeitstabilität und Ästhetik der implantatprothetischen Rehabilitation weiter zu verbessern.
Dieser Beitrag ist im IJ Implantologie Journal erschienen.