Implantologie 07.09.2015

Festsitzende Prothetik im ­Oberkiefer bei geringem ­distalen Knochenangebot



Festsitzende Prothetik im ­Oberkiefer bei geringem ­distalen Knochenangebot

Der Anspruch der Patienten nach einer sofort festsitzenden Versorgung steigt zunehmend. Doch eine Sofortbelastung könnte bei geringem Knochenniveau nachteilig sein und eine deutliche Verlängerung des Behandlungszeitraums nach sich ziehen. Im folgenden Fachbeitrag wird dazu das 4-Comfort® System mit distalen Zygoma-Implantaten vorgestellt, das dem Behandler die Möglichkeit gibt, einen Patienten mit geringem Knochenangebot möglichst schonend mit sofortbelastbarer Implantatprothetik zu versorgen.

Fallbeschreibung

Der 64-jährige Patient wurde im Oktober des letzten Jahres mit dem Wunsch nach Anfertigung einer Oberkiefer-Teleskopversorgung in unserem Hause vorstellig. Nach Entfernung der insuffizienten ­Brückenkonstruktion (Abb. 1–4) stellten sich die Zähne 23 und 27 als konservierend nicht erhaltungswürdig heraus. Aufgrund der ebenfalls mäßigen Langzeitprognosen der Zähne 16, 15 und 13 ­äußerte der ­Patient im Weiteren den Wunsch nach einer festsitzenden, sofortbelasteten ­Implantatversorgung (Tab. 1).

Unter Berücksichtigung der digitalen Volumentomografie wurde sich aufgrund des geringen Knochenangebots im distalen Seitenzahnbereich sowie der großen Ausdehnung des Sinus maxillaris gegen jedwede Augmentationstechniken in den Kieferhöhlen (mit ­Beckenkammaugmentaten oder xenogenem bzw. alloplatischen Knochen­ersatzmaterialien) und zugunsten einer sofortbelasteten 4-Comfort®-Versorgung mit distalen Zygoma-Implantaten (Zygoma, Nobel Biocare) entschieden (Abb. 5 und 6).

Der Eingriff sollte in Intubationsnarkose erfolgen. Allgemeinanamnestisch zeigte der Patient keine Besonderheiten, die Einnahme einer Regelmedikation wurde von ihm verneint. Darüber hinaus gab er an, Nichtraucher zu sein. Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen vor der Implantation wurden Situationsabformungen des Ober- und Unterkiefers genommen und dem ­Patienten ein Rezept zur Antibiotika-Prophylaxe ausgehändigt.
 

Das chirurgische Vorgehen

Nach Extraktion der ehemals prothe­tischen Pfeilerzähne wurde das Operationsfeld mittels krestaler Inzision freigelegt und zunächst die Implantate an ­Position 12 und 22 eingebracht (beide 4,1 x 13 mm, PerioType®, Clinical House). Nach bilateraler Fensterung der Kieferhöhlen folgte unter visueller und taktiler Kontrolle die Insertion der ­Zygoma-Implantate (15: 4,0 x 45 mm, 25: 4,0 x 47,5 mm). Der durch die Mobili­sation der Sinusschleimhaut entstandene Hohlraum wurde mit autogenem Knochenmaterial aus der Tuberregion sowie der Knochenfalle aufgefüllt und die Kieferhöhlen mithilfe des erhaltenen Knochendeckels und einer Membran (creos xenoprotect, Nobel Biocare) verschlossen. Die gesetzten Implantate wurden allesamt mit entsprechend ­abgewinkelten Multi-Unit Abutments ­(PerioType® Rapid, Clinical House) versorgt. Unmittelbar nach Adaptation aller Wundränder erfolgte die intraoperative Polyetherabformung über die Multi-Unit Abutments zur Herstellung der Kieferrelationsschablone und des späteren Provisoriums. Nach Abdrucknahme wurden die Multi-Unit Abutments mit Schutzkappen abgedeckt und der Patient unter Aufsicht des ­Anästhesieteams in die Aufwachphase überführt. Die Einheilzeit der Implantate wurde intraoperativ auf acht ­Wochen in Sofortbelastung festgelegt (Abb. 7–12).

Das prothetische Vorgehen

Die postoperativen Provisorien
Nach einer etwa 60-minütigen Wartezeit konnte bereits mittels der verschraubten Bissregistrationsschablone eine exakte Überprüfung und Einstellung der Kieferrelation durchgeführt werden. Darüber hinaus wurde die schädelbezogene Gelenkbahnneigung mit einem Gesichtsbogen (Artex, Amann Girrbach) registriert. Mithilfe dieser Registrationsbehelfe erfolgten im haus­internen Labor die Remontage der Modelle und die Fertigstellung des festsitzenden Provisoriums. Ein postoperatives OPG wurde angefertigt (Abb. 13).

Nach etwa 90-minütiger Wartezeit konnte die Behandlung mit der Eingliederung des Provisoriums abgeschlossen werden. Selbiges wurde handfest auf die Multi-Unit Abutments geschraubt und die Schraubkanäle mit einem lichthärtenden Kunststoff verschlossen. Die Nahtentfernung (Nahtmaterial GORE Suture 5.0, GORE-TEX) erfolgte sieben Tage nach Implantation. Der Patient hatte die Woche über keinerlei Beschwerden und gab lediglich eine leichte, beidseitige Druckdolenz im ­Bereich der Jochbeine an. Die Wund­heilung war zeitgemäß. Das Provi­sorium wurde zur Nahtentfernung nicht herausgeschraubt. Nach erneuter Kontrolle von Ästhetik und Okklusion erhielt der Patient spezielle Mundhygiene-Instruktionen zur besseren Regeneration der Gingiva und wurde in einen siebenwöchigen Eingewöhnungszeitraum entlassen.

Herstellung der definitiven Versorgung

Nach Ablauf der sieben Wochen leitete die erneute Polyetherabformung (Impregum Penta, 3M Dental Products) des Implantationsgebiets die Herstellung der definitiven Versorgungen ein. Der Patient ist mit dem bisher getragenen Provisorium absolut zufrieden und wünscht die Überführung dessen in die endgültige Prothetik (Abb. 14). Nach weiteren vier bis sechs Arbeits­tagen – und mittlerweile etwa acht Wochen nach der Implantation – fand die Gerüst- und Ästhetikanprobe statt. Hierbei wurden die Frontzähne von 13 bis 23 in angedachter Stellung aufgestellt und die registrierte Bisslage in Wachs verschlüsselt. Der Patient zeigte sich wiederum mit dem ästhetischen Ent-wurf einverstanden. Die horizontale und vertikale Kieferrelation entsprach den anatomischen Strukturen und ließ das Lippenbild natürlich erscheinen. Die Fertigstellung der Oberkieferversorgung wurde in Auftrag gegeben.

Neun Wochen nach Implantation konnte die fertiggestellte Versorgung eingesetzt werden. Hierbei wurden die Multi-Unit Abutments der Oberkieferimplantate mit einem Drehmoment von 20 Ncm angezogen und die end­gültige Prothetik aufgeschraubt. Die Bohr­kanäle wurden mittels Wattepallets und fließfähigem Kompositmaterial ­verschlossen (Abb. 15–20).

Fazit

Zumeist ist das Knochenangebot im distalen Oberkiefer der limitierende Faktor innerhalb der ­implantologisch-prothetischen Behandlungsplanung. Der Anspruch der Patienten nach „sofort festsitzender Versorgung“ steigt jedoch ­zunehmend. Eine Augmentation mit jedweden Knochen-(ersatz)materialien in Verbindung mit einer Sinusbodenelevation stünde einer Sofortbelastung im Wege und zöge eine deutliche Verlängerung des Behandlungszeitraumes nach sich. Der Einsatz distaler Zygoma-Implantate bietet dem ­Behandler die Möglichkeit, einen Patienten mit geringem Knochenniveau am Operationstag festsitzend und sofort­belastet prothetisch zu versorgen.

Aktuelle Ergebnisse evidenzbasierter, klinischer Langzeitstudien eines Beobachtungszeitraumes von 72 bis 108 Monaten belegen der Verwendung von Zygoma-Implantaten darüber hinaus Erfolgsquoten von 94 bis 97 Prozent. Demnach ist eine Verwendung von Zygoma-Implantaten – unter Voraussetzung entsprechendem fachlichen Know-hows des Behandlers – als eine probate Versorgungsmethode anzusehen.

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