Implantologie 18.01.2013

Individuelle Abutments im Seitenzahnbereich



Individuelle Abutments im Seitenzahnbereich

Dentale Implantate haben sich für die Abstützung von Kronen und Brücken langjährig bewährt. Auf der Basis aktueller Reviews (Jung et al. 2012, Pjetursson et al. 2012) sind nach einer Beobachtungszeit von zehn Jahren noch 95,2 Prozent der Implantate, die Einzelzahnimplantate abstützen, in Funktion; bei Implantaten zur Abstützung von Brücken beträgt dieser Anteil 93,1 Prozent.

Auch die Suprakonstruktionen zeigen nach dieser Beobachtungszeit hohe Überlebensraten. Nach zehn Jahren befinden sich noch 89,4 Prozent der metallkeramischen Einzelkronen und 93,9 Prozent der metallkeramischen Brücken in Funktion (Jung et al. 2012, Pjetursson et al. 2012). Gleichzeitig konnte jedoch bei der Auswertung der Studien gezeigt werden, dass bei implantatgestützten Kronen und Brücken vermehrt technische Komplikationen auftreten. Es sind vor allem Lockerungen der Abutmentschraube, Retentionsverluste von zementierten Versorgungen und Frakturen der Verblendkeramik zu erwarten (Abb. 1). Die Häufigkeit von Verblendkeramikfrakturen liegt dabei nach einer fünfjährigen Beobachtungsdauer bei 3,5 Prozent für implantatgestützte metallkeramische Kronen und 13,5 Prozent bei implantatgestützten metallkeramischen Brücken. Diese Komplikationsrate ist deutlich höher als die zu erwartende Komplikationsrate bei identischen Versorgungen auf natürlichen Zähnen (Pjetursson et al. 2008) (Abb. 2). Insbesondere großspannige implantatgestützte Brücken wie sie bei der Versorgung des zahnlosen Kiefers verwendet werden, zeigen erhöhte Komplikationsraten. Papspyridakos et al. (2012) konnten in einer systematischen Literaturauswertung zeigen, dass nach einer zehnjährigen Beobachtungszeit lediglich 8 Prozent der Konstruktionen frei von Komplikationen waren. Daraus kann gefolgert werden, dass mit zunehmender Größe der implantatgestützten Brücken auch erhöhe Komplikationsraten zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich natür-lich die Frage, welche Komplikationsraten bei einer Anwendung vollkeramischer Suprakonstruktionen zu erwarten sind, wenn bereits metallkeramische Versorgungen eine erhöhte Komplikationsquote zeigen.

Diese Problematik der Verblendkeramikfrakturen ist bei vollkeramischen Restaurationen noch stärker ausgeprägt, insbesondere wenn die Restau-rationen auf konfektionierten Abutments im Seitenzahnbereich eingesetzt werden, wie eine retrospektive Studie von Schwarz et al. (2012) zeigt. Bei dieser Studie wurden 173 metallkeramische Kronen und 53 vollkeramische Kronen, die überwiegend auf Implantaten im Seitenzahnbereich abgestützt wurden, über eine mittlere Beobachtungszeit von 2,2 Jahren beobachtet. Die Überlebensrate der Metallkeramikkronen betrug 98,3 Prozent, die der vollkeramischen Kronen 86,8 Prozent. Abutmentlockerungen oder Gerüstfrakturen traten nicht auf. Insgesamt mussten acht Einzelkronen aufgrund großflächiger Abplatzungen der Verblendkeramik erneuert werden, sechs davon waren vollkeramische Kronen. Vollkeramische Einzelkronen mit Zirkonoxidgerüsten zeigten in dieser Studie bereits nach einer relativ kurzen Beobachtungszeit ein 3,8-fach erhöhtes Risiko für eine Verblendkeramikfraktur als metallkeramische Kronen. Erste Untersuchungen mit großspannigen vollkeramischen Suprakonstruktionen, die auf konfektionierten Titanabutments befestigt wurden, bestätigen die bereits für metallkeramische Versorgung gefundenen Ergebnisse, dass bei zunehmender Größe der Restrauration auch mit einer Zunahme der technischen Komplikationen zu rechnen ist (Larsson et al. 2012). Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist die Verwendung konfektionierter Abutments im Seitenzahnbereich kritisch zu hinterfragen, da sowohl metallkeramische als auch vollkeramische Versorgungen erhöhte technische Komplikationsraten zeigen werden.


Reduktion technischer Komplikationen durch individuelle Abutments

Durch die Verwendung individueller Abutments bieten sich vor diesem Hintergrund Lösungsansätze für die Reduktion technischer Komplikationen. Konfektionierte Abutments  weisen im Seitenzahnbereich eine starke Abweichung von der Form eines beschliffenen natürlichen Pfeilers (Molaren) auf, sodass die ausgeprägte anatomische Gerüstgestaltung erschwert wird. Das Gerüst muss sehr voluminös gestaltet werden, da es auch die Formdifferenz des konfektionierten Abutments zum beschliffenen natürlichen Zahn ausgleichen muss. Massive Gerüste sind sowohl für metallkeramische Gerüste als auch für vollkeramische Gerüste problematisch, da sie die Stabilität der Verblendung gefährden. Bei metallkeramischen Gerüsten steigt das Risiko von Gussporositäten und damit zu Gasblasen in der Verblendung. Darüber hinaus führen massive metallische und vollkeramische Gerüste zu thermischen Spannungen nach dem Verblendprozess, da die Abkühlungsdynamik beeinflusst wird. Dieser Aspekt ist unter dem Gesichtspunkt der Chippingprävention sehr bedeutsam. Individuell gefertigte vollkeramische Aufbauten, die bereits die Geometrie eines beschliffenen Prämolaren oder Molaren nachbilden, sind unter dem Gesichtspunkt einer anatomisch korrekten Gerüstgestaltung entsprechend vorteilhafter für metall- und auch für vollkeramische Gerüste (Abb. 3a–c). Diese Hypothese wird durch die Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie gestützt, in der nach einer fünfjährigen Beobachtungsdauer gezeigt werden konnte, dass vollkeramische Ein-zelkronen im Seitenzahnbereich, die auf individuellen vollkeramischen Abutments zementiert wurden, die gleiche klinische Performance zeigten wie metallkeramische Kronen auf individuellen Titanabutments (Zembic et al. 2012). Im Rahmen dieser Studie wurden individuelle Titanaufbauten mit metallkeramischen Kronen versorgt, während die individuellen Zirkonoxidaufbauten mit vollkeramischen Kronen auf Aluminiumoxid- oder Zirkonoxidbasis versorgt wurden.

Nach einer fünfjährigen Beobachtungszeit zeigten beide Versorgungsformen eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 100 Prozent, es konnte keine Gerüst- oder Verblendkeramikfraktur beobachtet werden. Aus diesen Untersuchungen ist zu folgern, dass durch die Anwendung individueller Abutments bei Kronen und Brücken im Seitenzahnbereich die technische Komplikationsrate insbesondere bei vollkeramischen Restaurationen gesenkt werden kann. Bei vollkeramischen Suprakonstruktionen auf Zirkonoxidbasis sollten zudem die bekannten Maßnahmen zur Chippingprävention umgesetzt werden. Eine anatomische Gestaltung des Gerüstes zur Unterstützung der Verblendkera-mik in Kombination mit einer Langzeitabkühlung nach dem Verblendprozess konnte in klinischen Studien als effektive Maßnahme zur Reduktion der Verblendkeramikfrakturen nachgewiesen werden (Rinke et al. 2012, Tan et al. 2012). Alternative Möglichkeiten zur Reduktion technischer Komplikationen stellen CAD/CAM-gefertigte Verblendungen oder aber auch monolithische Versorgungen aus Lithiumdisilikat oder transluzentem Zirkonoxid dar. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass für diese Lösungsansätze noch Daten aus klinischen Studien feh-len (Schmitter et al. 2012). In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass die Anwendung vollkeramischer Abutments im Seitenzahnbereich noch durch eine Reihe weiterer Untersuchungen für die unterschiedlichen Ausführungsformen abgesichert ist. Bei den individuellen vollkeramischen Zirkonoxidabutments kann man zwischen zwei Ausführungsformen unterscheiden:
– Individuell mit CAD/CAM-Verfahren rein aus Zirkonoxid gefertigte Abutments
– Zweiteilige Zirkonoxidabutments, bei denen die Implantatverbindung über eine metallische Abutment-
basis hergestellt wird, die anschließend mit einem individuell gefertigten Zirkonoxidaufbau verklebt wird (Abb. 4).

Sowohl einteilige als auch zweiteilige individuelle Abutments sind für die Anwendung im Seitenzahnbereich abgesichert. Im Rahmen einer Untersuchung der klinischen Bewährung zweiteiliger Zirkonoxidabutments mit einer Titanbasis, die mit einem Kompositzement befestigt wurden, untersuchte Canullo (2007) 25 Patienten (14 weiblich, 11 männlich, Durchschnittsalter
52 Jahre), die mit insgesamt 30 Implantaten und implantatgetragenen vollkeramischen Einzelkronen versorgt wurden. In der Zeit der klinischen Belastung wurden weder Abutmentfrakturen noch Schraubenlockerungen beobachtet, was nach vier Jahren zu einer kumulativen Überlebensrate von 100 Prozent führte (Abb. 5a–b). In einer nachfolgend publizierten praxisbasierten Studie mit 185 individuell gefertigten einteiligen Zirkonoxidabutments im Front- und Seitenzahnbereich zeigte sich bei einer Beobachtungsdauer von bis zu fünf Jahren eine Frakturrate der Abutments von 1 Prozent (Ekfeldt et al. 2011). Die guten Daten zur klinischen Bewährung von Zirkonoxidabutments werden zudem durch aktuelle Untersuchungen auch für konische Implantatverbindungen (Astra Tech Implantat-System) bestätigt. Hosseini et al. (2012) untersuchten insgesamt 49 konfektionierte Zirkonoxidabutments in Verbindung mit Zirkonoxidkronen. Dabei wurden 38 Restaurationen im Front- und 11 im Seitenzahngebiet eingegliedert. Während der dreijährigen Beobachtungszeit konnte keine Abutmentfraktur beobachtet werden. Erste Ergebnisse aus einer retrospektiven Studie wiesen zudem darauf hin, dass vollkeramische Abutments auch zum Abstützen kurzspanniger Brücken genutzt werden können (Kim et al. 2012).

Klinische Vorteile durch die Anwendung individueller Abutments im Seitenzahnbereich

Darüber hinaus sind durch die Anwendung der individuellen Abutments natürlich noch weitere Vorteile zu erzielen:
– Die Retentionsfläche des Abutments ist im Vergleich zu konfektionierten Abutments vergrößert, sodass auch bei einer provisorischen Zementierung eine ausreichende Retention gewährleistet ist. Bei einem begrenzten vertikalen Platzangebot können retentionsverbessernde Designs (Rillen und Kästen) in das Abutment integriert werden. Verblockungen von Restaurationen zur Retentionssicherung können damit vermieden werden (Abb. 6a und b).
– Die Präparationsgrenze und damit auch die Zementfuge werden in den Bereich der marginalen Gingiva verlegt und sind damit gut zugänglich, wodurch das Entfernen von Zementüberschüssen einfacher wird (Abb. 7a und b).
– Fehlpositionierungen der Implantate können durch die Anfertigung indi-vidueller Abutments einfacher ausgeglichen werden (Abb. 8a und 8b).

Zusammenfassung

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die insgesamt aus klinischen Studien zur Anwendung individueller Abutments vorliegenden Daten noch recht gering sind, erscheint die routinemäßige Anwendung individueller Abutments für metallkeramische und insbesondere für vollkeramische Restaurationen gerechtfertigt, da erste Ergebnisse aus klinischen Studien zeigen, dass insbesondere das Risiko von Verblendkeramikfrakturen gesenkt werden kann. Zudem bieten individuelle Abutments unabhängig vom verwendeten Werkstoff klinisch relevante Vorteile durch eine verbesserte Retention provisorisch zementierter Restaurationen, ein einfacheres Entfernen von Zementüberschüssen sowie dem vereinfachten prothetischen Ausgleich suboptimaler Implantatpositionen. Weiterhin sollte bei der Planung implantatgestützter Suprakonstruktionen berücksichtigt werden, dass die zu erwartenden technischen Komplikationen mit wachsender Größe der Suprakonstruktion zunehmen. Entsprechend ist auch bei metallkeramischen Restaurationen die Ausführung großspanniger Brücken mit mehr als sechs Gliedern kritisch zu sehen. Bei vollkeramischen Restaurationen sind die Indikationen im Seitenzahnbereich auf Einzelkronen und maximal dreigliedrige Brücken zu begrenzen (Abb. 9a–9c).

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