Implantologie 04.09.2017

Prothetisch geführte Chirurgie im Frontzahnbereich



Prothetisch geführte Chirurgie im Frontzahnbereich

Foto: Autoren

In der Implantologie stellt der Frontzahnbereich eine chirurgische und prothetische Herausforderung dar: Chirurgisch aufgrund der Verpflichtung, im Bereich um den Zahn eine ideale rote Umgebung wiederherzustellen, und prothetisch aufgrund des Managements der Konturen für die Interdentalpapillen und die Emergenzprofile, denn nur so kann die Heilung des Weichgewebes gesteuert werden. Ziel dieses Artikels ist es, anhand eines klinischen Falls einen gut durchdachten, modernen Ansatz zu präsentieren, um den Behandlungsablauf und die zukünftigen Konturen der prothetischen Versorgung zu planen.

Eine 32-jährige Patientin stellte sich für die Rehabilitation ihres Lächelns vor, welches sie unansehnlich findet. Bei der klinischen Untersuchung wurde in der Tat festgestellt, dass die beiden seitlichen Oberkieferschneidezähne infolge eines Unfalls im Jugendalter fehlen und dass sich die beiden mittleren Schneidezähne 11 und 21 nach einer kieferorthopädischen Behandlung, bei der eine Zwischenposition gewählt wurde, zwischen der idealen Position und den seitlichen Schneidezähnen befinden (Abb. 1 und 2).

Behandlungsplan

Angesichts der Vorgeschichte und entsprechend der kurz- und mittelfristigen Prognose von 11 und 21 in mechanischer, biologischer und ästhetischer Hinsicht wurde beschlossen, die Zähne 11 und 21 zu extrahieren, den Frontzahnbereich in Regio 12 und 22 mit Implantaten zu rehabilitieren und von 12 bis 22 eine implantatgetragene Brücke sowie zwei Kronen auf 13 und 23 anzufertigen, um das zukünftige Lächeln sowohl von der Form als auch von der Farbe zu harmonisieren. Zudem ist die Verwendung von 13 und 23 wertvoll, um den Halt der provisorischen Versorgungen sicherzustellen, die wegen der Primärstabilität der Implantate nicht implantatgetragen sein wird. Die Implantate werden zur Hälfte in die mit einem Xenotransplantat aufgefüllten Extraktionsalveolen platziert. Ein Rückgriff auf provisorische Implantate in Regio 11 und 21, um eine Überkronung von 13 und 23 zu vermeiden, könnte die Heilung des Zahnfleischs im Bereich der Brückenglieder in Regio 11 und 21 beeinträchtigen.

Analyse der klinischen Schwierigkeiten

Für die Neuorganisation der Zahnhälse in Regio 11, 12, 21, 22 anstelle von 11 und 21 sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:

  • Notwendigkeit, überschüssiges Gewebe in diese Region zu bringen,
  • Durchführung einer idealen prothetischen Planung, mit der die Gestaltung der marginalen Gingiva präzise gesteuert werden kann.

Klinischer Ablauf

Datenerfassung

Es wird ein gewöhnliches Fotoprotokoll durchgeführt. Es werden zudem intraorale Fotos aufgenommen, um die Architektur des Lächelns der Patientin im Detail zu sehen.

Die Registrierung mithilfe von Ditramax® ermöglicht eine präzise Markierung der ästhetischen Bezugsachsen des Gesichts (Bipupillarlinie und Medianachse des Gesichts) am Modell, um mit einem diagnostischen Wax-up eine harmonische Planung vorzunehmen. Der obere und der untere Zahnbogen werden mithilfe von Omnicam® (CEREC Sirona) gescannt und die STL-Dateien an den Prothetiker geschickt. Die Analyse des Lächelns ermöglicht es, die für die Herstellung neuer Proportionen notwendigen Korrekturen vorzunehmen (Abb. 3 und 4).

Digital Smile Design

Mit einer Software (Digital Smile Design) wird ein virtuelles Lächeln erstellt. Dazu werden in das Foto der Patientin andere reale Lächeln oder Lächeln aus Formdatenbanken integriert, die die Gestaltung der neuen Zähne ermöglichen. So erhält man das Gesicht der Patientin mit sechs neuen, optimal angeordneten Zähnen.

Umsetzung der Planung

Mit der STL-Datei können Modelle im 3-D-Druck angefertigt werden, die in Gips dupliziert werden. Anhand dieser Modelle werden die Zähne 11 und 21 entfernt, die Zahnhälse überarbeitet, mit dem Fräser neu gestaltet und diagnostische Wax-ups angefertigt (Abb. 5). Die Zähne werden entsprechend dem virtuellen Vorschlag geformt. Nachdem das diagnostische Wax-up angefertigt wurde, wird eine doppelte Digitalisierung vorgenommen, um über den äußeren und inneren Rahmen der Planung zu verfügen (ohne diagnostisches Wax-up, d. h. das Relief des präparierten Kamms). Die STL-Datei wird bearbeitet. Sie ermöglicht es, aus einem Kunststoffblock oder einer Kunststoffscheibe (Telio® CAD, Ivoclar Vivadent) eine sechs Zähne umfassende Brücke mit vier Brückenzwischengliedern zu fräsen. Physisch verfügen wir so über die endgültige Planung, ohne irgendetwas im Mund der Patientin begonnen zu haben.

Chirurgisch-prothetischer Ansatz

Die Zähne 11 und 21 werden extrahiert (Abb. 6). Anschließend wird die Brücke einprobiert, um den Weichgewebemangel zu bewerten (Abb. 7). Am Gaumen wird ein großes Transplantat entnommen, das in zwei Stücke geschnitten und oberhalb von 11, 12 und 21, 22 platziert wird.

Zwei Implantate mit Narrow-Plattform (V3, MIS) werden mithilfe einer im 3-D-Druck hergestellten und auf den vorhandenen Zähnen befestigten Bohrschablone (MGuide, MIS) in Regio 12 und 22 platziert. Ein Teil der Extraktionsalveolen wird mit Knochenersatzmaterial (Bio-Oss®, Geistlich) aufgefüllt. Dank der neuesten Fortschritte auf dem Gebiet der plastischen parodontalen Mikrochirurgie werden die Transplantate unter die vestibuläre Gingiva geschoben und vernäht (Abb. 8 und 9).

Beim Einsetzen der Brücke ist es wichtig, dass sie Druck auf das Zahnfleisch ausübt, damit es spiegelbildlich eine gewölbte Form annimmt. Wenn der Druck an manchen Stellen unzureichend ist, muss auf die Spitzen der Brückenzwischenglieder Kunststoff gegeben werden, um die Wirkung auf das Zahnfleisch (weißliche Verfärbung) darzustellen, welche jedoch nicht länger als sechs Minuten andauern sollte.

Für die Ausbildung einer zufriedenstellenden Interdentalpapille, die Neuorganisation der Zahnhälse und vor allem die Osseointegration der Implantate ist eine Einheilzeit von fünf Monaten erforderlich (Abb. 10 und 11).

Provisorische Versorgung

In der zweiten Phase werden Multi-Unit Abutments eingesetzt und mit 20 N/cm² angezogen, um ein zweites verschraubtes Provisorium anzufertigen. Dieses ermöglicht bei Bedarf eine bessere Druckbelastung der Brückenzwischenglieder, um eine bessere Wechselwirkung mit dem Zahnfleisch und vor allem ideale Emergenzprofile zu begünstigen (Abb. 12–15). Zum Zeitpunkt der Abformung werden die Abformpfosten auf die Abutments geschraubt. Anschließend wird in den Sulkus um die Abformpfosten fließfähiges Komposit injiziert und lichtgehärtet, um ein dem Arbeitsmodell treues Emergenzprofil zu erhalten.

Herstellung der definitiven prothetischen Versorgung

Welche prothetischen Möglichkeiten gibt es, um eine implantatgetragene viergliedrige Brücke im Frontzahnbereich herzustellen?

Auch wenn Metallkeramikrestaurationen bei weitspannigen Rekonstruktionen noch üblich sind, ist Zirkoniumdioxid seit mehr als einem Jahrzehnt die erste Wahl für Einzelzahnrestaurationen oder kleine Brücken, da es sich besser verarbeiten lässt und Korrekturmöglichkeiten bietet. In der Tat ist es dank seiner ästhetischen und biologischen Eigenschaften sowie seiner Biokompatibilität in Verbindung mit der derzeitig präzisen Bearbeitung das Material der Wahl.

Dagegen besteht einer der Hauptnachteile von Zirkoniumdioxid in seiner mangelnden Transluzenz bei Dicken über 0,3 mm, was bei implantatgetragenen Gerüsten häufig der Fall ist. In den letzten Jahren sind jedoch transluzentere Zirkoniumdioxide entwickelt worden, die eine andere Kristallstruktur haben (kubisch versus tetragonal). Sie haben reduzierte mechanische Eigenschaften, die jedoch auf einem hohen Niveau bleiben und für die Art der hier anzufertigenden Restaurationen ohne wirkliche Konsequenzen sind. Für das der validierten prothetischen Planung entsprechende Design am Computer werden Zirkoniumdioxidscheiben mittlerer Transluzenz bearbeitet und bemalt, bevor sie gesintert werden. Auf dieses Gerüst wird eine vielseitige fluoreszierende Schichtkeramik aufgetragen (e.max® Ceram, Ivoclar Vivadent).

Was das endgültige Design der prothetischen Versorgung angeht, so ist die Druckbelastung des Weichgewebes das Ergebnis einer sorgfältigen Detailarbeit im Labor, wo die Zahnfleischmaske vorsichtig beschliffen wird, um das Durchtrittsvolumen der Abutments und der Brückenzwischenglieder etwas zu überdimensionieren.

Einprobe der prothetischen Versorgung

Dieser Schritt ist der Abschluss einer langen Arbeit. Deshalb muss das Verschrauben der definitiven prothetischen Versorgung zu einer leichten Kompression des Zahnfleischs führen, die der Garant für eine optimale Eingliederung ist. Die Abbildungen 16 bis 18 zeigen das ästhetische Endergebnis.

Schlussfolgerung

Der Erhalt eines idealen Emergenzprofils sowie einer optimalen Zahnfleischarchitektur ist das Ergebnis einer dem herkömmlichen Gedankengang entgegengesetzten Überlegung. Traditionell wird mit dem sogenannten roten Bereich begonnen, bevor der weiße Bereich entsprechend rekonstruiert wird. Hier wird modernen Konzepten gefolgt, bei denen die ideale Zahnarchitektur nach rein ästhetischen Parametern entworfen wird – bevor das Zahnfleisch aufgebaut wird. Je nachdem, wie schwer der (knöcherne und gingivale) Substanzverlust ist, wird entweder eine künstliche Rekonstruktion mit rosa Keramik oder rosa Komposit (Pink Hybrid Concept) oder eine chirurgische Rekonstruktion (Zahnfleischtransplantation) vorgenommen.

Interessant ist hier, wie sich das prothetische Design auf die Ausrichtung der Zahnfleischheilung auswirkt, da das Zahnfleisch durch die Druckbelastung der prothetischen Versorgung verdrängt wird.

Die vollständige Literaturliste gibt es hier.

Der Fachbeitrag ist im Implantologie Journal 9/2017 erschienen.

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