Implantologie 09.01.2024
Navigierte Sofortimplantation im Front- und Seitenzahnbereich
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Eine ästhetische Alternative zu konventionellen Methoden
Die konventionelle Implantologie mit aufwendigem Knochenaufbau führt oft zu langen Behandlungszeiten und mittelmäßigen ästhetischen Ergebnissen. Die Vorteile der navigierten Implantologie werden seit Jahren von vielen implantologisch tätigen Zahnärzten geschätzt und angewendet. Ebenso zeigt der Trend in den letzten Jahren deutlich in Richtung Sofortimplantation. Die Kombination beider Techniken kann zu einem vorhersagbaren, schonenden und ästhetischen Ergebnis führen.
Anamnese
Im Rahmen dieser Fallvorstellung geht es um einen 59-jährigen Patienten, der wegen Parodontitis und multipler Karies vorstellig wurde. Er berichtete über erhebliche ästhetische Probleme, auch die Nahrungsaufnahme war gestört. Der Patient hatte keine nennenswerten Vorerkrankungen oder Medikamentenallergien. Dies war sein erster zahnärztlicher Besuch in 15 Jahren.
Behandlungsplanung
Geplant war eine festsitzende implantologische Versorgung neben der vorhandenen klinisch unauffälligen Restbezahnung und dem Austausch der insuffizienten Kronenversorgung. Die Vorbehandlung sollte die Parodontitistherapie, die konservierende Behandlung und die Zahnaufhellung einschließen. In diesem Fall waren sechs Implantate im Oberkiefer und fünf Implantate im Unterkiefer geplant, jeweils mit verschraubten Suprakonstruktionen. Die Implantate sollten mittels einer digitalen Bohrschablone nach vorheriger digitaler Planung eingesetzt werden. Alle Implantate waren als Sofortimplantate geplant.
Behandlung
Zunächst wurde die Parodontitistherapie durchgeführt. Der Patient zeigte die notwendige Compliance, sodass anschließend die implantologische und prothetische Behandlung geplant werden konnte. Danach erfolgte die Zahnaufhellung, gefolgt von der konservierenden Behandlung, um die Zahnfarbe anzupassen. Der Patient wurde mit einer Interimsprothese versorgt, die über die Wurzelreste eingesetzt wurde. Die digitale Planung erfolgte über das R2Gate Programm der Firma MegaGen. Unter Lachgassedierung wurden zunächst neun Implantate mittels einer digitalen Bohrschablone gesetzt. Die Räume zwischen den Implantaten und dem Alveolarknochen wurden mit Knochenersatzmaterial (BioOss, Geistlich) aufgefüllt. Die Primärstabilität betrug zwischen 35 und 50 Ncm. Es wurden konventionelle Gingivaformer eingesetzt, die nicht über das Gingivaniveau hinausragten, damit keine Belastung von der Interimsversorgung auf die Implantate übertragen werden konnte. Nach circa drei Monaten wurden die konfektionierten Gingivaformer durch individuelle Gingivaformer ersetzt, um das Emergenzprofil zu formen. Nach einer Einheilzeit von vier Monaten wurden die Implantate prothetisch versorgt. Der Zahn 47 wies eine erhebliche chronische Entzündung mit massiver Raumforderung auf, was die Befestigung eines Sofortimplantats unmöglich machte. Daher wurde das Implantat Regio 47 später gesetzt.
Verlaufskontrolle
Regelmäßige Kontrolltermine ermöglichten die sorgfältige Überwachung der Wundheilung, die Beurteilung der Implantatstabilität und die Feinabstimmung der provisorischen Versorgung. In diesem Fall haben wir die konfektionierten Gingivaformer durch individuelle Gingivaformer ersetzt. Dadurch konnten wir ein besseres Emergenzprofil für die geplante prothetische Versorgung schaffen. Am Ende der viermonatigen Heilungsphase waren alle Implantate osseointegriert und das Weichgewebe war entzündungsfrei.
Diskussion
Die Sofortimplantation mittels digitaler Bohrschablone führt zu einer guten Primärstabilität mit minimalen postoperativen Beschwerden. Gerade für Patienten mit einem so hohen Zerstörungsgrad der Zähne und Zahnarztphobie ist es besonders wichtig, postoperative Beschwerden auf ein Minimum zu reduzieren. Dadurch wird die wichtige Voraussetzung geschaffen, dass der Patient nach dem chirurgischen Eingriff weiterhin kooperativ bleibt und bestens prophylaktisch versorgt wird.
Die navigierte Implantologie mit vorangehender digitaler Planung mithilfe von geführten Bohrschablonen ist längst Alltag in der implantologischen Praxis geworden. Auch die Sofortimplantation mit den erheblichen Vorteilen bezüglich des Ergebnisses und des Patientenkomforts gewinnt stetig an Bedeutung in der täglichen Behandlung. Die Kombination beider Methoden trägt zu erhöhter Sicherheit und Vorhersagbarkeit bei komplizierten Versorgungen bei. Bei fehlender Restbezahnung oder fehlenden Abstützungszonen können die gedruckten Bohrschablonen mittels Pins fixiert werden. Dies erhöht die Sicherheit, insbesondere dann, wenn relevante anatomische Strukturen in der Nähe sind. Lediglich bei chronischen Entzündungen von größerem Ausmaß im periapikalen Bereich, wie im Fall des Zahns 47, ist eine Sofortimplantation nicht möglich. Kleinere chronische Entzündungen lassen sich in den meisten Fällen gut vollständig entfernen, und es ist in diesen Bereichen oft möglich, sofort zu implantieren und eine ausreichende Primärstabilität zu erreichen. Die navigierte Sofortimplantation kann immer als Lösung gesucht werden, wenn die Extraktion noch nicht erfolgt ist und der periapikale Bereich entweder entzündungsfrei ist oder die chronische Entzündung sich in Grenzen hält. Dies gilt insbesondere für den Frontzahnbereich, der besonders stark vom physiologischen Knochenabbau nach der Zahnextraktion betroffen ist. So werden komplizierte Knochenaufbaumaßnahmen nicht benötigt. Aber auch im Seitenzahnbereich lassen sich durch Sofortimplantationen Emergenzprofile schaffen, die dem natürlichen Emergenzprofil eines solchen Seitenzahns nahekommen. Dies ermöglicht eine prothetische Versorgung, welche kaum Speiseretention zulässt. Nur so ist auch gewährleistet, dass die Implantate langfristig klinischen Erfolg versprechen. Durch die Sofortimplantation wird außerdem ermöglicht, dass die bukkale Lamelle in den meisten Fällen erhalten bleibt. In Fällen, in denen die bukkale Lamelle präoperativ schon fehlt, kann sie allein durch die richtige dreidimensionale Positionierung des Implantats ohne aufwendige Knochenaufbaumaßnahmen wie Knochenblockaugmentation ergänzt werden. Häufig werden dadurch auch Weichgewebeaugmentationen vermieden, auch wenn dies nicht immer möglich oder sinnvoll ist. In diesem Fall haben wir zwar keine Weichgewebeaugmentation im Sinne eines Bindegewebstransplantats für nötig gehalten, jedoch ist in der okklusalen Ansicht zu sehen, dass ein Defizit im Weichgewebe vorhanden ist. Dieses ist aber dank der optimalen Positionierung des Implantats weder ästhetisch noch funktionell auffällig.
Fazit
Diese Fallvorstellung verdeutlicht, dass die virtuelle 3D-Planung der Implantate mit richtigen Strategien und erfolgreicher Durchführung von Sofortimplantation mittels digitaler Bohrschablone nicht nur die Effizienz, sondern auch die Genauigkeit und Ästhetik implantologischer Eingriffe verbessern kann. Die Integration moderner Technologien ermöglicht nicht nur erfolgreiche implantologische Eingriffe, sondern gewährleistet auch ästhetisch herausragende Ergebnisse, insbesondere in anspruchsvollen Regionen wie dem Frontzahnbereich. Die Patienten profitieren zudem von einer geringeren Anzahl an Operationen und dadurch reduzierten Kosten.
Dieser Beitrag ist im Implantologie Journal erschienen.