Kieferorthopädie 02.02.2018
Digitale KFO: Gedruckte Modelle im Gutachterverfahren
share
Warum der reine Datensatz im Gutachterverfahren nicht ausreicht. Ein Beitrag von Dr. Hans-Jürgen Köning und Dr. Philipp Eigenwillig.
Das Patientenrechtegesetz von 2013 regelt die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient ergeben. Nach § 630f BGB ist der Behandelnde verpflichtet, eine Patientenakte zu führen, dies kann in Papierform oder elektronisch erfolgen. In dieser Akte sind Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen sowie Arztbriefe zu dokumentieren.
Situationsmodelle
Zu den Befunden während einer kieferorthopädischen Behandlung zählen unter anderem auch die Situationsmodelle. So werden in den Richtlinien für die kieferorthopädische Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung die dreidimensional orientierten Gebissmodelle des Ober- und Unterkiefers mit fixierter Okklusion einschließlich Analyse als eine Voraussetzung für die Planung und Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung benannt. Auch die Form wird hier definiert: „Das Modell des einzelnen Kiefers muss neben der genauen Darstellung der Zähne und des Alveolarkammes auch die Kieferbasis und die Umschlagfalte der Gingiva abbilden“. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entspricht das Modell den geforderten Anforderungen. Aus § 630f BGB geht hervor, dass diese Befunde auch elektronisch-digital vorliegen können. Somit sollte ein 3D-Scan beider Kiefer in dreidimensionaler Orientierung zur Dokumentation und zur Behandlungsplanung als vollkommen ausreichend angesehen werden.
Abb. 1: Originalmodell
Der Datensatz reicht nicht aus
Kommt es zu einem Gutachten, sind dem Gutachter die Behandlungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. (Die Unterschiede bei der vertragszahnärztlichen Versorgung und der Privatbehandlung werden als bekannt vorausgesetzt.) In nahezu allen Fällen müssen aus den vorliegenden Datensätzen wieder körperliche Modelle erstellt werden. Die Akzeptanz von Datensätzen mit entsprechenden Viewern ist unter Gutachtern eher eingeschränkt. Wurden die ehemaligen physischen Gipsmodelle mit einem Laborscanner gescannt und sind diese im Original nicht mehr vorhanden, müssen sie wiederhergestellt werden. Dies kann im Druckverfahren aus Polymethylmethacrylat oder im Fräsverfahren aus Gips erfolgen – beide Verfahren sind allgemein anerkannt. Die Originaldatensätze müssen unverändert vorliegen und die Modelle den bekannten Voraussetzungen entsprechen. Bei einer Umfrage unter Gerichts- und Privatgutachtern am Rande der DGKFO-Jahrestagung 2014 in München war eine hohe Zustimmung hinsichtlich der Eindeutigkeit bei der Übereinstimmung von Original und Kopie festzustellen.
Abb. 2: Druckmodell
Reproduzieren – aber wie?
Wie sieht es aber nun bei der Reproduktion von Modellen aus einem 3D-Intraoralscan aus? Es sind die gleichen Maßstäbe anzusetzen: genaue Darstellung der Zähne, des Alveolarkammes, der Kieferbasis der Umschlagfalte und der Gingiva im Ober- und Unterkiefer dreidimensional orientiert. Zur Herstellung von physischen Modellen aus den 3D-Daten bieten sich verschiedene Druckdienstleister an – alternativ können die Modelle auch im Praxislabor hergestellt werden. Hierzu gibt es mittlerweile eine große Anzahl von Herstellern von 3D-Druckern mit unterschiedlichen Druckverfahren. Allen gemein ist, dass das Modell dabei Schicht für Schicht aufgebaut wird, bis das fertige Modell entsteht. Beim Stereolithografie-Verfahren wird ein flüssiges Harz (Resin) mittels Laser punktuell ausgehärtet. Kommt statt eines Lasers eine Lichtprojektor zum Einsatz, spricht man vom DLP-Verfahren (Digital Light Processing). Bei beiden Verfahren wird das zu druckende Objekt meist kopfüber auf der Bauplattform aus dem Resintank aufgebaut. Ein weiteres Verfahren ist das Polyjet-Modeling. Dabei werden – ähnlich wie beim Tintenstrahldrucker – kleine Tröpfchen Material aufgetragen und anschließend ausgehärtet. Bei allen genannten Verfahren muss das gedruckte Objekt jedoch noch gereinigt und nachgearbeitet bzw. unter UV-Licht nachgehärtet werden. Mit den hier vorgestellten Verfahren sind Genauigkeiten von 100 μm – 25 μm möglich. Die gedruckten Modelle haben eine extrem detailgenaue Oberfläche.
Abb. 3: Fräsmodell
Günstiger? Ja, aber nicht immer!
Eine günstigere Alternative stellen Drucker nach dem Fused Filament Fabrication (FFF)-Verfahren dar. Hierbei wird Kunststoff, der in Form eines Fadens vorliegt, mithilfe eines Extruders erhitzt und Schicht für Schicht aufgetragen. Das Prinzip ist mit dem einer Heißklebepistole vergleichbar. Ein großer Vorteil besteht darin, dass die Modelle keiner Nachbearbeitung bedürfen, da sie vollständig gehärtet und sauber sind. Dennoch ist dieses Verfahren nicht für alle Einsatzgebiete zu empfehlen, da die Modelle nicht thermostabil sind und auch von der Detailgenauigkeit etwas schlechter als die weiter oben beschriebenen Verfahren. Trotzdem weisen die gedruckten Modelle eine Qualität als Diagnostikmodelle aus. Ebenso ist der Einsatz zur Herstellung von kieferorthopädischen Plattenapparaturen ohne weiteres möglich. Für die Herstellung von tiefgezogenen Schienen muss das Modell eine dementsprechend dickere Wandstärke aufweisen, um eine Verformung zu unterbinden.
Fazit
Durch all diese Verfahren ist es möglich, schnell und mit reproduzierbar sehr guter Qualität Modelle zu erzeugen. Mit der Möglichkeit, die Modelle entweder im Eigenlabor oder über einen externen Druckdienstleister herstellen zu lassen, ist hier das Bindeglied zwischen der digitalen virtuellen Welt und den physischen Anforderungen der Praxis gegeben – und speziell im Gutachterverfahren.
Die Autoren sind Mitglieder des Bundesvorstands des Berufsverbands der Deutschen Kieferorthopäden (BDK); Dr. Hans-Jürgen Köning wurde Ende 2017 zum 1. Bundesvorsitzenden und Dr. Philipp Eigenwillig als Beisitzer in den Vorstand gewählt. Seit Jahren beschäftigen sie sich mit rechtlichen Fragen rund um die digitale Praxisführung.
Dieser Beitrag ist in den Kieferorthopädie Nachrichten 1+2/18 erschienen.