Kieferorthopädie 18.09.2023
Gemeinsam zum ästhetisch funktionellen Ergebnis
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Die „Macht der Schönheit“ ist keine bloße Floskel, sondern gilt seit Langem als erwiesen. Schon 1972 entdeckten Karen Dion, Ellen Berscheid und Elaine Hatfield, was noch heute als „Nimbuseffekt“ bekannt ist.1 Demnach haben schöne Menschen nicht nur den Vorteil der Schönheit selbst. Die Schönheit scheint sie zudem mit einem Nimbus zahlreicher guter Eigenschaften wie Stärke, Ausgeglichenheit, Leidenschaftlichkeit, Erfolg, Glück oder Vertrauenswürdigkeit zu umgeben. Wer gut aussieht, wird in vielen Situationen besser behandelt und ist erfolgreicher.
Dass Schönheit ein immenser Vorteil ist und beim Gegenüber wertvolle Eigenschaften assoziiert, zeigten auch Judith Langlois et al. 2000 in ihrer Veröffentlichung Maxims or myths of beauty?2. Als Zahnärzte, Kieferorthopäden und Zahntechniker können wir unseren Patienten zu besserer Ästhetik bei gleichzeitig optimaler Funktion verhelfen und damit nicht unerheblich zu einer Steigerung von Lebensgefühl und Wohlbefinden beitragen (Abb. 1).
Fallanalyse
Eine 24-jährige Patientin stellte sich in der kieferorthopädischen Praxis zur Beratung vor. Es bestanden ausgeprägte Engstände im Ober- wie Unterkiefer. Aufgrund des totalen Platzverlustes für 23 war es zu einer sichtbaren Mittellinienverschiebung gekommen, die die Patientin vor allem beim Lachen sehr störte (Abb. 2a–c). Die Smile-Linie mit Lippenkonfiguration, Zahnfarbe und Zahnmorphologie war außergewöhnlich gut, sodass die anatomischen Bedingungen zur Schaffung eines idealen Lächelns hier eindeutig vorhanden waren.
Kieferorthopädische Therapie
Im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlungsplanung wurde eine Auflösung der frontalen Engstände mit Lückenöffnung für Zahn 23 und anschließender Einstellung des verlagerten Zahns 23 als ästhetisch und funktional bestes Therapieziel befunden. Nach erfolgreicher Öffnung der Lücke sowie anschließender chirurgischer Anschlingung von Zahn 23 zeigte sich jedoch bedauerlicherweise, dass sich die orthodontische Einstellung als unmöglich erwies (Abb. 3). Vermutet wurde eine Ankylose des Zahns. Der ursprünglich angedachte Therapieplan mit Einstellung von 23 musste daher geändert werden. Als alternative Lösung galt die Transpositionierung des Zahns in die geöffnete Lücke oder die Extraktion. Der Oralchirurg entschied sich für die Extraktion. In der Folge war eine interdisziplinäre Neuplanung mit Implantatversorgung in Regio 23 indiziert.
Chirurgischer und prothetischer Ablauf
Der Alveolarknochen Regio 23 zeigte im CT transversal und vertikal ein ausreichendes Knochenangebot. Insofern waren in diesem Fall keine augmentativen präimplantologischen Maßnahmen indiziert. Vielmehr bestand die Komplexität einerseits in der Stellung der lückenbegrenzenden Zähne 22 und 24, andererseits in der Wurzelanatomie dieser beiden kieferorthopädisch austherapierten Zähne. In der präoperativen Bildgebung stellte sich Zahn 22 mit einem nach distal ausgeprägten Wurzelmerkmal dar. Zahn 24 zeigte eine palato-mesiale Drehung (Abb. 4).
Auf Basis der präoperativen digitalen 3D-Diagnostik bestand die absolute Indikation zur Operation mit einer 3D-Bohrschablone. Dem Oberkiefer-Alveolarfortsatz folgend wählten wir hier eine bukkopalatinale Angulation der Achsrichtung des Implantats. Aufgrund der starken Distalkrümmung der Wurzel von Zahn 22 angulierten wir das Implantat im Backward Planning zusätzlich entsprechend nach distal. So konnten die Mindestabstände zwischen dem Implantat und dem Parodont der Nachbarzähne eingehalten werden. Die Entscheidung fiel hier zugunsten einer gedeckten Implantateinheilung (Abb. 6a und b). Nach Abschluss der ca. dreimonatigen Einheilphase erfolgte die Freilegung mit einer krestalen Inzision und trapezförmiger Schnittführung unter Schonung der Papillen und Einbringung eines Healing Abutments (Abb. 7). Für ein ausreichendes Angebot an Attached Gingiva wurde mikrochirurgisch bukkal mit einem apikalen Verschiebelappen und einer Kollagenmembran gearbeitet (Abb. 8).
Der prothetische Behandlungsabschnitt stützte sich auf ein analoges Behandlungskonzept mit Abdruckpfosten und offenem Abdrucklöffel. Im Anschluss der Nahtentfernung nach der Weichgewebsoperation und der Sicherstellung einer physiologischen Gingivaausformung konnte mit Eingliederung einer individualisierten verschraubten Zirkoniumdioxidkrone (Abb. 9) die Behandlung mit einer sehr zufriedenen Patientin abgeschlossen werden.
Fazit
Nicht immer kann eine Behandlung exakt so durchgeführt werden, wie zunächst geplant. Gerade dann gibt ein gut abgestimmtes Expertenteam den Beteiligten – allem voran den Patienten – größtmögliche Sicherheit für einen erfolgreichen Therapieverlauf und ein ideales Endergebnis. Ziel der Behandlung im Kompetenznetzwerk ist in jedem Falle die Kombination einer optimalen Funktion bei gleichzeitig herausragender Ästhetik. Jeder Therapieschritt wird gemeinsam geplant und besprochen. Das macht die Arbeit im Team so wertvoll, sinnstiftend und nicht zuletzt so erfolgreich. Denn nur geballte Kompetenz garantiert solche Erfolge. Am Ende stehen glückliche Patienten, die sich über das ideale Lächeln freuen, ein neues Lebensgefühl genießen und von den Vorteilen einer optimierten Ästhetik profitieren (Abb. 10a–c).
Dieser Beitrag ist in den KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.