Parodontologie 21.02.2011

Der doppelte Spaltlappen

Primärer Wundverschluss ist für einen erfolgreichen Ausgang regenerativer Eingriffe unverzichtbar. Häufig jedoch zeigen enge Interdentalräume wenig Weichgewebe, was eine spannungsfreie Reposition des parodontalen Lappens verhindern kann. Für einen komplikationslosen Heilungsverlauf wird das Konzept des Wundverschlusses in mehreren Schichten angewandt. Dieser Artikel beschreibt ein modifiziertes Lappendesign, den doppelten Spaltlappen.


Das ultimative Ziel der regenerativen Parodontaltherapie ist die Wiederherstellung von parodontalem Attachment. Im Idealfall ist dies durch die Neubildung von Wurzelzement mit dem Einstrahlen von Kollagenfasern, Desmodont und Alveolarknochen gekennzeichnet.9

Humanhistologische Untersuchungen haben gezeigt, dass parodontale Regeneration nach Behandlung mit gesteuerter Geweberegeneration (GTR) oder mit Schmelz-Matrix-Proteinen (EMD) erreicht werden kann.8,13–15 In kontrollierten klinischen Studien wurde nachgewiesen, dass beide Therapieformen zu einem zusätzlichen Gewinn von klinischen Attachment im Vergleich zur einfachen Lappenoperation (OFD) führen.7,11 Als häufigste Komplikation nach regenerativer Therapie können Membranexpositionen, verbunden mit bakterieller Kontamination und Weichgeweberezessionen, auftreten17. Die mikrobiologische Besiedlung von Barrieremembranen ist nachweislich mit einem reduzierten Gewinn an klinischem Attachment verbunden.6,16

In diesem Zusammenhang wird der primäre Lappenschluss als Schlüsselfaktor angesehen, um eine Verbesserung des regenerativen Ergebnisses zu erzielen und aufrechtzuerhalten, insbesondere im kritischen lnterden­talbereich. Durch Anwendung von Zugangslappen mittels Papillenerhaltungstechnik konnte ein primärer Lappenschluss in den meisten klinischen Fällen erreicht werden.2,3 Darüber hinaus verbessert die Anwendung eines mikrochirurgischen Konzeptes die Wundheilung und erhöht die Wahrscheinlichkeit auf primäre Wundheilung.4 Weiterhin eine Herausforderung hinsichtlich des primären Lappenschlusses stellen jedoch enge und schmale Interdentalbereiche dar, denn die begrenzte Menge an Weichgewebe verhindert einen suffizienten Wundverschluss. Hierbei könnte ein Lappendesign helfen, welches in der chirurgischen Therapie von angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten bereits seit Längerem erfolgreich angewendet wird, nämlich die Präparation von Lappen in unterschiedlichen Schichten.18

Ziel dieses Artikels ist es, einen modifizierten chirurgischen Ansatz für die GTR-Technik zu beschreiben, mit dem Ziel, die Integrität der interproximalen Weichgewebe über dem intraalveolären Defekt zu erhalten.

Chirurgisches Vorgehen

Nach Anästhesie des zu operierenden Bereichs wird eine intrasulkuläre Inzision mit mikrochirurgischen Skalpellklingen entlang der bukkalen Seite sowohl am betroffenen Zahn als auch an den jeweiligen benachbarten Zähnen durchgeführt. Die sulkuläre Inzision verläuft von der mesialen bis zur distalen Kantenlinie der Zähne. Im interproximalen Bereich des zu behandelnden Defekts wird die Papille entsprechend der modifizierten Papillenerhaltungstechnik auf der bukkalen Seite durchtrennt. Die bukkale Position der Papilleninzision wird so weit wie möglich unterhalb des Kontaktpunktes platziert.

Diese Inzision wird mit der intrasulkulären Inzision verbunden. Eine C-förmige vertikale Entlastungsinzision wird von der Kantenlinie des distalen Nachbarzahn bis in die Alveolarmukosa geführt. Darauffolgend wird ein Mukoperiostlappen auf der bukkalen Seite bis über die mukogingivale Grenzlinie gehoben. Auf der lingualen Seite wird vom beteiligten Zahn ausgehend eine intrasulkuläre Inzision durchgeführt und ebenfalls ein Mukoperiostlappen gehoben. Anschließend an die Präparation des externen Lappens wird ein interner gestielter Lappen gehoben, um einen schichtweisen Wundverschluss zu ermöglichen.

Von der Basis des präparierten externen Lappens wird eine interne horizontale Inzision vorgenommen. Zwei interne vertikale Inzisionen von der Lappenbasis aus in koronaler Richtung begrenzen die Breite des Lappens. Durch scharfe Präparation wird ein interner Spaltlappen präpariert. Man erhält einen bis zur mukogingivalen Grenzlinie partiellen inneren Lappen, der noch am koronalen Anteil des äußeren Lappens gestielt bleibt. Daraufhin wird Granulationsgewebe aus dem Defekt entfernt und die Wurzeloberfläche mit Hand- bzw. Ultraschallinstrumenten gereinigt.

Im vorliegenden Fall wird eine Kombination aus EMD und autologem Knochen für den regenerativen Ansatz verwendet. Eine ausreichende Menge an autologem Knochen wird von der bukkalen Kortikalis des angrenzenden Operationsgebietes entnommen. Die freigelegten Wurzeloberflächen werden für zwei Minuten mit 24% EDTA Gel konditioniert, anschließend wird der Defekt gründlich mit Kochsalzlösung gespült, um die Gel-Reste zu entfernen. Das EMD-Gel wird aufgebracht und das autologe Knochentransplantat positioniert.

Um einen schichtweisen Wundverschluss zu erleichtern, wird der innere Lappen zunächst unter dem palatinalen Lappen mit vertikalen Matratzennähten fixiert. Die zweite Schicht des Wundverschlusses wird durch eine interproximale Naht des äußeren Lappens mit Einzelknopfnähten erreicht. Abschließend wird die vertikale Entlastungsinzision mit Einzelknopfnähten vernäht. Dabei werden 6-0 monofile Nähte aus Polypropylen verwendet, um einen primären Verschluss des Interdentalraumes zu erreichen. Die Erhaltung der primären Lappenadaptation gewährleistet einen komplikationslosen Heilungsverlauf.

Diskussion

Der doppelte Spaltlappen, der auf dem Prinzip des Wundverschlusses in zwei Schichten beruht, hat das Ziel, einen vollständigen Weichgewebeverschluss, vor allem bei engen Interdentalbereichen zu erreichen. Eine primäre Wundheilung sowie die Stabilität des Blutkoagulums und der Membran sind wichtige Bestandteile eines erfolgreichen Heilungsverlaufes.

Wikesjö et al. konnten zeigen, dass in der frühen Heilungsphase einer parodontalen Wunde die Stabilität des Blutkoagulums und der Wunde von entscheidender Bedeutung sind, wenn eine erfolgreiche Regeneration gelingen soll.20 Daher ist die primäre Lappendeckung über der Barrieremembran eine wesentliche Voraussetzung für die optimale Heilung. Murphy et al. zeigten in einer Studie, dass 85% aller Membranen exponierten und dass die Expositionsrate etwa zwei Wochen nach Membranplatzierung am höchsten war.10 Als Folge wurde ein verringerter Attachmentgewinn beobachtet.12

Wenn konventionelle Schnittführungen verwendet werden, wird bei über 20 bis 40% von einem primären Lappenschluss berichtet.5 Mit Veränderung der Schnittführung (Papillenerhaltungstechniken) verbesserte sich die Quote des primären Wundverschlusses auf bis zu 80%.2 Doch hat sich gezeigt, dass, wenn der Interdentalraum sehr schmal war, die Präparation eines großen bukkal oder palatinal sattelförmigen Lappens unter Einbeziehung der interdentalen Gewebe technisch sehr anspruchsvoll wurde und das Risiko einer Nekrose der Papille erhöht war.

Für diese kritischen Indikationen könnte das Konzept des schichtweisen Wundverschlusses, wie im obigen Fall gezeigt, sinnvoll sein. Wichtig bei der beschriebenen Technik ist eine ausreichende Dicke der bukkalen Gingiva. So konnte z.B. Baldi et al. für den Bereich der Rezessiondeckung zeigen, dass der parodontale Lappen nicht dünner als 0,8mm sein sollte, um Nekrosen zu vermeiden.1 Bei Einhaltung von mikrochirurgischen Prinzipien und einer ausreichenden Gewebsdicke hat der doppelte Spaltlappen das Potenzial, die Heilung zu verbessern und die Häufigkeit von Dehiszenz zu verringern, um allgemein eine verbesserte Erfolgsrate bei schwierigen anatomischen Indikationen zu erzielen.

Autor: Dr. med. dent. Tobias Thalmair


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