Parodontologie 15.11.2017
Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 16
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Ganzheitliche parodontale Therapieunterstützung – Ernährung (Teil 8)
Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.
Der professionelle Therapiebeginn stellt die Voraussetzung, die Grundlage dar, ist aber nicht die Therapie und somit auch nicht ausreichend zum Stopp des Knochenabbaus. Für einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel ist ein regelmäßiges, individuelles Recall notwendig, kontinuierlich mit drei Therapieschritten:
- Therapie der Entzündung durch Vermehrung positiver, regenerativer Mikroorganismen und Umstellung des Patienten auf Effektive Mikroorganismen (EM) – Teil 1, 4
- Therapie des Bone Remodeling – Teil 2, 3, 4, 5
- Ganzheitliche Betrachtung, mit Blick auf den Knochenstoffwechsel, einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt und eine adäquate Ernährung – Teil 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15
Wie therapiere ich den parodontal erkrankten Patienten?
Karies, Parodontitis und deren Folgen sind die Hauptarbeitsgebiete in der Zahnmedizin. In der Kariologie ist die Prävention indessen integrierter Bestandteil der täglichen Arbeit. Individualprophylaxe bis zum 18. Lebenjahr ist Kassenleistung und Prävention ist hier in aller Munde. Industrie, Pharmahersteller, Lehrmeinung, Praxis, alle ziehen an einem Strang, was sich deutlich im ständigen Rückgang der Karieszahlen zeigt.2 Dieses ist in der Parodontologie anders. Patienten mit Parodontitis sind krank und erwarten eine Therapie. Die Medizin bzw. Zahnmedizin ist darauf ausgerichtet, kranke Patienten zu therapieren. Es dreht sich alles um die Frage: Wie therapiere ich den parodontal erkrankten Patienten? Der Patient muss erst erkranken, dann können wir therapeutisch eingreifen und nur diese Therapie lässt sich abrechnen. Wir Zahnärzte leiten ein Wirtschaftsunternehmen namens Zahnarztpraxis und dieses Unternehmen muss schwarze Zahlen erwirtschaften. Dafür benötigen wir den erkrankten Patienten. Es ist also nicht nur der Patient krank, sondern auch das System. Nicht nur, dass die Zahnmediziner es nicht gelernt haben, ihre Patienten gesund zu halten, es wird auch nicht honoriert, und so hält sich das Interesse an einer Umsetzung der Prävention in der Parodontologie sehr in Grenzen.
Therapie des Knochenstoffwechsels
Es kann nicht sein, dass in einer systematischen Parodontaltherapie regelmäßig die lockeren Zähne entfernt werden und der parodontal behandelte Patient weniger Zähne hat als die Vergleichsgruppe. Das ist nicht Therapie, das ist Amputation. Wir müssen uns den aktuellen Auswertungen (z.B. BARMER Zahnreport 2017) stellen.20 Es schönzureden, ist keine Alternative. Die wirkliche Alternative lautet Therapie des Knochenstoffwechsels. Der verstärkte Knochenabbau lässt sich durch die Kollagenase-Hemmung bremsen.5–9 Der zu geringe Knochenaufbau lässt sich ankurbeln.11–19 Ein Patient mit einem ausgeglichenen leistungsfähigen Knochenstoffwechsel hat keinen parodontalen Knochenabbau.
Fehlende Patientencompliance
Stellen Sie sich vor, ein Patient kommt zu seinem Hausarzt und es wird Diabetes mellitus diagnostiziert. Der Patient erwartet eine Therapie, er wünscht sich ein Medikament. Er will nicht hören, was er alles falsch gemacht hat, er will nicht sein ganzes Leben verändern, mehr Bewegung, regelmäßig ausreichend trinken, Ernährungsumstellung, Sauerstoff, Sonne usw. Es sind die gleichen Probleme wie bei der Parodontitis, nur sind uns Zahnärzten die Zusammenhänge nicht geläufig. Selbst wenn wir uns dieser Herausforderung stellen und unsere Wissensdefizite schließen und somit überhaupt theoretisch erst einmal in der Lage wären, parodontal prophylaktisch tätig zu werden, ist dies vom Patienten gar nicht gewünscht. Nur 25 Prozent der parodontal erkrankten Patienten sind bereit, einschneidende Veränderungen in ihrem Leben hinzunehmen, und nur erschreckende 2 Prozent halten dies wirklich durch.
Ein Muss: Vitamin C
Motivationsbemühungen zur Bewegung und Ernährung bewirken mehr ein schlechtes Gewissen beim Patienten als konsequente Veränderungen. Am einfachsten tolerieren die Patienten Veränderungen in ihrem Trinkverhalten Hier ist nicht nur die Menge wichtig12, sondern auch ganz entscheidend was getrunken wird.11
Für den Knochenstoffwechsel benötigen wir viele Mineralien und Vitamine. Hier empfehlen wir dem Patienten vitamineral32 (Firma forever young). Es handelt sich um einen fertig gemischten Portionsbeutel, der in 500 ml Flüssigkeit aufgelöst wird. Davon sollte der Patient die Hälfte morgens und die andere Hälfte abends trinken.
Besonders in der parodontalen Therapiephase benötigt der Patient einen hohen Vitamin-C-Spiegel.18, 19 Da Vitamin C schnell wieder abgebaut wird, empfiehlt es sich, mehrmals am Tag kleinere Mengen zu sich zu nehmen als einmal am Tag eine große Menge.1 Die Aufnahmemenge von Vitamin C per os ist begrenzt und liegt bei maximal 1.000 mg/Tag. Für die Therapie wären aber 6.000 bis 10.000 mg/Tag wünschenswert. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Einnahmezeitpunkt sollte morgens oder mittags gewählt werden, weil hoch dosiertes Vitamin C die Müdigkeit vertreibt und es dadurch zu Einschlafproblemen kommen könnte.
Vitamin C: Verschiedene Wege zum Ziel
1. Vitamin-C-Infusion intravenös
Hier gibt es keine Beschränkungen, Vitamin C kann hochdosiert appliziert werden.4, 21
2. Liposomales Vitamin C
Da Vitamin C ein wasserlösliches Vitamin ist, ist die Absorption durch die fetthaltigen Zellwände/Dünndarmwandung eine Herausforderung. Es wird schlechter aufgenommen und schneller ausgeschieden als ein fettlösliches Vitamin. Durch die Verbindung des Vitamin C mit den Phospholipiden des Lecithins entsteht eine liposomale Verbindung. Es entsteht ein Vitamin C, das mit einer Fettschicht ummantelt ist. Dies erhöht die Bioverfügbarkeit und Aufnahme durch die Zellwand deutlich. Die Hülle der Liposome verschmilzt mit der Zellwand und setzt so den Inhalt in der Zelle frei. Im Vergleich zu herkömmlichen oralen Formen wird Vitamin C mit liposomaler Absorptionstechnologie nicht nur dreimal schneller vom Körper aufgenommen, sondern bleibt auch viel länger im Blut (bis zu sechs Stunden).4
3. Vitamin C mit „Time Released Effekt“
Vitamin C hoch dosiert mit zeitverzögerter Abgabe. Die „Time Released Formel“ sorgt dafür, dass dem Körper über viele Stunden hinweg eine ausreichende Menge an Vitamin C zugeführt wird. Bei der Einnahme von normalen Tabletten/Brausetabletten oder Pulver wird die gesamte Menge Vitamin C auf einmal an den Körper ausgeschüttet. Die Aufnahmemenge ist aber durch das wasserlösliche Vitamin beschränkt. Schon nach kurzer Zeit kommt es erneut zur Unterversorgung. Das nicht benötigte Vitamin C wird unverbraucht ausgeschieden. Diesem Effekt wirkt die „Time Released Formel“ entgegen.3
4. OPC – Oligomere Procyanidine
Es handelt sich um eine natürliche Substanz, die in vielen Pflanzen vorkommt. Mit OPC schützen sich Pflanzen gegen freie Radikale. Es handelt sich um das stärkste bekannte Antioxidans. Es ist 20-mal stärker als Vitamin C und 50-mal stärker als Vitamin E. OPG wird problemlos im Dünndarm vollständig resorbiert, gelangt direkt ins Blut und verbreitet sich innerhalb von 45 Minuten im ganzen Körper. Gemeinsam mit Vitamin C eingenommen, verstärkt OPC die Wirkung von Vitamin C um das Zehnfache. Die Einnahme sollte eine halbe Stunde vor oder nach der Mahlzeit erfolgen, um Reaktionen zwischen OPC und Eiweiß zu vermeiden. Das OPC wird gebunden und kann dann nicht resorbiert werden.
Als Erhaltungsdosis werden 2 mg, in der Parodontaltherapie 4 mg/kg Körpergewicht/Tag benötigt. Nebenwirkungen sind auch bei höheren Dosierungen nicht bekannt. Bei der Qualität von OPC gibt es gravierende Unterschiede, Mogelpackungen mit geringer Dosierung oder minderwertigen Rohstoffen. OPC ist nicht das gleiche wie Traubenkernextrakt oder Traubenkernmehl. Dieses enthält einen bestimmten Anteil an OPC. Wichtig ist, dass immer der wirkliche Anteil von OPC angegeben ist.3
Zusammenfassung
In der Zusammenfassung der drei Artikel zum Vitamin C (Artikel 1 in ZWP 9/17, Artikel 2 in ZWP 10/17 und Artikel 3 in der vorliegenden Ausgabe) bleibt als Empfehlung:
1. Erhaltungsdosis
- bei völligem Fehlen von Krankheitssymptomen irgendeiner Art und keiner obligatorischen Medikamenteneinnahme
- Einnahme morgens
- 1.000 mg Vitamin C Einzeldosis, als liposomales Vitamin C oder Time Released Vitamin C
- 2 mg OPC/kg Körpergewicht gemeinsam mit Vitamin C
2. Parodontaltherapie
- Taschen tiefer als 3,0 mm
- positiver aMMP8
- horizontaler Knochenabbau ohne Taschenbildung
- Knochenqualität D3, D4
- Implantate
- 1.000 mg morgens, 1.000 mg mittags, als liposomales Vitamin C oder Time Released Vitamin C
- 4 mg OPC/kg Körpergewicht gemeinsam mit Vitamin C, davon 2 mg morgens, 2 mg mittags
In der ZWP 12/17 blickt der Autor der vorliegenden Reihe auf die einzelnen Artikel zurück und fasst abschließend die Kernpunkte zusammen.
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 11/2017 erschienen.