Prophylaxe 16.05.2013
Mundgesundheit bei Modellguss-Teleskopprothesen
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Im Vergleich zu natürlichen Zähnen bietet Zahnersatz mit technischen Komponenten wie Kronen, Brücken, Halte- und Stützelementen mehr Angriffsflächen für Bakterien. Erfahrungen zeigen, dass sich die Funktion komplexer Teleskopprothesen sowie die Mundgesundheit der Patienten durch ein individuelles risikoorientiertes Mundhygiene-Programm erfolgreich erhalten lassen. Der Autor beschreibt im Folgenden optimal aufeinander abgestimmte professionelle und häusliche Maßnahmen.
Abnehmbare Versorgungen wie Teleskopprothesen erhöhen durch die Zunahme der Retentionsstellen das Risiko für parodontale Erkrankungen sowie Sekundär- und Wurzelzementkaries.1,2,3 Im Spalt zwischen Primär- und Sekundärteleskop bilden sich sehr schnell bakterielle Beläge. Die Lage des Restaurationsrandes spielt sowohl bei festsitzendem als auch bei abnehmbarem Zahnersatz eine große Rolle für die Mundgesundheit. Wie die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen zeigen, sind Kronen- und Füllungsränder aus parodontalprophylaktischen Gründen soweit wie irgend möglich vom marginalen Parodontium entfernt zu halten.4,5,6,7 Das Verlegen von Kronen- und Füllungsrändern in den Schutz der Zahnfleischtaschen schützt nicht vor Karies, sondern erhöht das Risiko parodontaler Attachmentverluste dramatisch. Falls intrasulkuläre Restaurationen gar nicht zu vermeiden sind, ist, wenn immer möglich, auf die Erhaltung bzw. Herstellung der biologischen Weite zu achten.8
Akkumulation des Biofilms minimieren
Das präventive Ziel bei der Herstellung und Eingliederung von Teleskopprothesen muss sein, die Faktoren, die die Akkumulation und Profileration des bakteriellen Biofilms fördern, zu minimieren. Dazu gehören:
- möglichst schmale Randspalten in ganz geringer Anzahl,
- supragingivale Restaurationsgrenzen,
- nicht wasserlösliche und glatte Restaurationsmaterialien, die zur bakteriellen Adhärenz nur wenig beitragen.
Nach der Eingliederung des abnehmbaren Zahnersatzes fällt der häuslichen Mundhygiene und der professionellen Betreuung im Rahmen der Erhaltungstherapie die entscheidende Rolle für den Langzeiterfolg zu.9
Abb. 1: Recall-Stunde entwickelt nach Lindhe.
Prophylaxekonzept in der Praxis
Unser Prophylaxekonzept in der Praxis orientiert sich an den Arbeiten von Lindhe/Axelsson, die den Goldstandard der präventiven Betreuung darstellen (Abb. 1).10 Unser Praxishandbuch beschreibt die Ziele, die Strategie, das Vorgehen und die Erfolgskontrolle unserer risikoorientierten, altersspezifischen, professionellen Individualprophylaxe. Das erklärte Ziel der Nachsorge – nach Eingliedern des Zahnersatzes – ist es, das Wiederauftreten der Erkrankungen, die zu Hart- und Weichgewebeverlust bzw. zum Zahnverlust führten, zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln. Für Patienten mit Modellguss-Teleskopprothesen bedeutet das, dass sowohl die Funktion des abnehmbaren Zahnersatzes als auch die Mundgesundheit langfristig erhalten bleiben sollen. Diese Versorgungen stellen dabei eine besondere Herausforderung an die professionelle und häusliche Mundhygiene dar: Doppelkronen, Prothesenverankerung und Abdeckung von Schleimhautpartien bilden potenzielle Retentionsnischen für bakterielle Plaque. Damit erhöht sich das Risiko für parodontale Entzündungen und Sekundärkaries. Da diese Erkrankungen unbedingt zu verhindern sind, kommt besondere Bedeutung der Kombination aus professionellem und häuslichem Biofilm-Management zu.
Praktisches Vorgehen in der Praxis
Für den dauerhaften Erhalt der Mundgesundheit der Patienten mit Modellguss-Teleskopprothesen ist ein stringentes Nachsorgeprogramm unabdingbar. Es besteht aus der jeweils individuell abgestimmten risikoorientierten, altersspezifischen PZR in Kombination mit der entsprechend angepassten häuslichen Mundhygiene. Supra- und subgingivale Konkremente werden in unserer Praxis mithilfe von Piezon-Ultrallschall von EMS entfernt.11,12 Die Kontrolle des Perfektionsgrades der Maßnahme erfolgt mit der Tastsonde EXS 3A von Hu Friedy. Airpolishing mit EMS AIR-FLOW/PERI-FLOW beseitigt den bakteriellen Biofilm, wobei ausschließlich Perio- und/oder Softpulver zum Einsatz kommt. Den Abschluss bildet die perfekte Oberflächenpolitur mit der feinen Prophylaxepaste Proxyt von Ivoclar Vivadent (Abb. 2). Die professionelle Prothesenreinigung erfolgt mit Magnetnadeln und Quadro-Glas-Technologie von IC Dentaltechnik MRD-100. Jede professionelle Zahnreinigung schließt die Plaquekontrolle mit Cervitec Gel ein. Vor dem Eingliedern der Prothese wird das chlorhexidinhaltige Mundpflege-Gel um die Primärteleskope und in die Sekundärteleskope appliziert (Abb. 3). Im Rahmen der professionellen Betreuung gilt hohe Aufmerksamkeit der konsequenten Mundpflege zu Hause. So stellen Remotivation und Reinstruktion des Patienten wichtige Bestandteile jedes PZR-Termins dar.
Empfehlungen für die Patienten
Bei Patienten mit Modellguss-Teleskopprothesen kommt der unterstützenden antibakteriellen Mundpflege mit Cervitec Gel besondere Bedeutung zu. Das zu Hause anzuwendende Gel enthält 0,2% Chlorhexidin und 900ppm Fluorid. Chlorhexidin kann die Anlagerung des bakteriellen Biofilms reduzieren, was weniger Gingivitis und Schleimhautentzündungen zur Folge hat.13 Auch bleibt der Zahnersatz keimarm, was wiederum weniger Probleme mit Halitosis hervorruft. Das Fluorid kann helfen, an den kritischen Stellen der Präparationsgrenzen die Remineralisation zu fördern bzw. die Demineralisation zu hemmen. Die geschmeidige Konsistenz des Gels erlaubt ein optimales Verteilen auf den komplexen Oberflächen der Versorgungen. Da die Compliance eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung häuslicher Therapieempfehlungen darstellt, wenden wir unser sogenanntes „duales System“ an. Neben dem Erklären und Üben der empfohlenen häuslichen Techniken und Hilfsmittel erhält der Patient die Informationen zusätzlich in schriftlicher Form mit.
Bedeutung der Nachsorge
Um die Funktion der Modellguss-Teleskopprothesen sowie die Mundgesundheit der Patienten zu erhalten, ist den technischen Anforderungen bei der Herstellung und Eingliederung Rechnung zu tragen. Daneben gilt es, ein Nachsorgeprogramm zu installieren, das adäquate Mundhygiene-Maßnahmen in der Praxis und zu Hause kombiniert.9 Teleskopprothesen erfordern eine intensive Nachsorge. Je weniger Restzähne vorhanden sind, desto wichtiger ist das Recall.14 Die Bedeutung und die Notwendigkeit der professionellen Betreuung für die langfristige Mundgesundheit stehen außer Frage:15
- Es gibt einen positiven Einfluss eines Nachsorgeprogramms auf den Erhalt prothetischer Restaurationen.
- Der Nachsorgeaufwand ist bei herausnehmbarem Zahnersatz erheblich höher als bei festsitzenden Versorgungen.
- Der Nachsorgeaufwand verändert sich über die Zeit und nimmt im Laufe der Zeit erheblich zu.
- Obwohl den Patienten aufwendige und teure Restaurationen eingesetzt werden, sinkt die Teilnehmerquote am Recall, wenn die Einhaltung der Recall-Termine den Patienten allein überlassen wird, sehr stark ab.
- Mit einer computergestützten Recall-Organisation, die von der Praxis verwaltet wird, lässt sich die „Drop-out-Quote“ deutlich reduzieren.
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