Prophylaxe 27.04.2023
PAR-Therapien & individuelle Mundhygieneinstruktionen
share
Einsatz wirkungsvoller hypochloriger Spüllösung
Patientenindividualität im Bezug zur tagesaktuellen Anamnese, Diagnosestellung und Therapieverlauf sollte im professionellen Behandlungskonzept in jeder Praxis realisiert werden. Nur durch die strukturierten und vom gesamten Team umgesetzten Abläufe können wir unsere Patienten langfristig erfolgreich beraten und instruieren.
Patienten leiden häufig an Allgemeinerkrankungen, die verbunden mit der Medikamenteneinnahme, zu Mundschleimhautveränderungen, -brennen und Sensibilität führen können. Bei der täglichen Mundhygiene kann es dadurch zu erheblichen Einschränkungen kommen. Patienten, die ggf. schon eine parodontale Vorerkrankung aufweisen, haben durch die eingeschränkte Reinigung nun ein noch höheres Risiko, an schweren Verläufen zu erkranken. Rheumatologische und arteriosklerose Erkrankungen schränken den Patienten zusätzlich in seiner Motorik ein, wodurch noch ein schwerwiegender Faktor hinzukommt, der eine ausreichende Mundhygiene verhindert. Eine Instruktion von elektrisch und/oder schallbetriebenen Zahnbürsten ist bei diesen Erkrankungen ebenfalls schwierig, da es durch die Erkrankung zu Verformungen der Hände kommen kann und der Patient deren Griffigkeit nicht mehr so sensibel spürt. Es ist zu empfehlen, in der Regel eine Handzahnbürste mit Griffverstärkung zu verwenden, mit welcher der Patient seine ihm gebliebene Fertigkeit beim Zähneputzen ausüben kann. Vibrationen und Schalltechnologien würden bei Patienten mit diesen Vorerkrankungen nur Irritationen bei der Durchführung des Zähneputzens hervorrufen. Durch die Einschränkungen bei der Mundhygiene ergibt sich in der Regel ein engmaschigeres Recall-System, indem in der medizinischen/professionellen Zahnreinigung (MZR/PZR) die Zähne und Schleimhäute, wie u. a. die Zunge, nachgereinigt werden, um eine möglichst niedrige Entzündungsbereitschaft im Mundraum zu gewährleisten.
Diabetes mellitus
Nur mit dieser regelmäßigen Unterstützung können die parodontale und die Zahngesundheit gewährleistet werden.Diabetes mellitus Unsere Patienten werden immer älter (demografischer Wandel), und mit dem Alter wird die Gefahr, an Allgemeinerkrankungen zu leiden, immer größer. Gleichzeitig möchte der Patient in der Regel gesund alt werden und seine Lebensqualität nicht einschränken. Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus werden oft in ihren Auswirkungen unterschätzt. Durch eine gute Einstellung dieser Erkrankungen mit Medikamenten ist sowohl die Qualität als auch die Wechselwirkung zwischen Allgemeingesundheit und Zahngesundheit erheblich weniger gefährdet. Ist die Parodontitis erkannt und behandelt worden, lässt sich die Medikation bei einem Diabetiker besser einstellen, der Hb1Ac-Wert verbessert sich und die Entzündung des parodontalen Gewebes hat einen besseren Heilungsverlauf. Der Hb1Ac-Wert sollte im Idealfall bei ca. 6 bis 6,5 liegen, und der Patient mit Diabetes mellitus kann diesen Wert regelmäßig beim Hausarzt oder ggf. in der Zahnartpraxis testen lassen. Nebenwirkung der Medikamenteneinnahme beim Diabetespatient ist häufig Mundtrockenheit. Die Auswirkungen sind Kariesrisiko, Halitosis, Schleimhautrötungen und -brennen.
Bluthochdruck
Der Bluthochdruckpatient leidet häufig als Nebenwirkung der Medikation unter Gingivahyperplasie und Mundtrockenheit. Schleimhautbrennen und -rötungen sind Begleiterscheinungen, welche die Patienten zusätzlich in ihrem Tagesablauf beeinträchtigen und ihre Lebensqualität mindern. Die tagesaktuelle Anamnese sollte u. a. immer Aufschluss über Neuerkrankungen, selbst erkannten Veränderungen in der Mundhöhle, z. B. Zungenbrennen, gerötete Gingiva ect., Medikationen und bereits verwendete Mundhygieneartikel geben, sodass wir den Patienten mit Instruktionen dort abholen können, wo seine individuellen Bedürfnisse sind.
Halitosis
Mundgeruch (Halitosis) u. a. ist eine weitere Begleiterscheinung der Mundtrockenheit und von Ablagerungen in für den Patienten schwer zugänglichen oder empfindlichen Bereichen in der Mundhöhle wie Zwischenräumen, Implantaten, Zahnersatzkonstruktionen, Brückengliedern und der Zunge. Halitosis bedeutet für diese Patientengruppe große Einschränkungen in ihrer Lebensqualität, bis hin zur Vermeidung von sozialen Kontakten.
Schonende hypochloride Spüllösungen (HOCl)
Diese Patientengruppen sollten in der Regel zur Verwendung einer milden und dennoch hocheffektiven Mundspüllösung (z. B. Veriforte med Oral), die auf hypochloriger Basis wirkt, instruiert werden. Diese können therapeutisch zeitlich unbegrenzt eingesetzt werden und führen auch bei langfristiger Anwendung zu keinerlei Nebenwirkungen, wie Verfärbungen von Zähnen und Zunge, Geschmacksstörungen oder Schleimhautbrennen bzw. -veränderungen. Die Lösungen umspülen einzellige Mikroorganismen. Die hypochlorige Säure denaturiert die Zellwand (strukturelle Veränderung) und erhöht deren Permeabilität. Die hypotone Lösung sorgt dafür, dass zum Ausgleich des osmotischen Gefälles Wasser in die Zellen strömt. Durch den zunehmenden Zellinnendruck kommt es zum unspezifischen osmotischen Schock, durch den die Zellen platzen (Osmolyse).
Technologie/Bioprophylaxe
HOCI mit ihrer konservierenden Eigenschaft ist ein wesentlicher Inhaltsstoff. Sie ist eines der Endprodukte eines physiologischen Pfads in menschlichen weißen Blutkörperchen, die eindringende Krankheitserreger als Teil der natürlichen Reaktion bekämpft. Eine große Herausforderung bei der Herstellung von HOCI-Lösungen ist die Stabilität bei einem z ugleich neutralen pH-Wert, welche bei der Herstellung dieser Spüllösung gewährleistet wird. Im Patientenfall dieses Artikels wurde die Spüllösung Veriforte med Oral angewendet. Diese besteht aus Wasser, Natriumchlorid, Natriumhypochlorid und Hypochlorsäure, welche durch eine besonders umweltfreundliche Technologie stabilisiert wird. Die Lösung reduziert die mikrobielle Belastung durch die mechanische Wirkung des Spülens und verringert bei regelmäßiger Anwendung das Infektionsrisiko. Sie kann zudem problemfrei über das Abwasser entsorgt werden, da aufgrund der Zusammensetzung keinerlei Trinkwassergefährdung besteht.
Anwendungsbereiche von HOCl-Spüllösungen
- Reinigung und Dekontamination von Wunden in der Mundhöhle und des Zahnfleischs
- Entfernung von Belägen von Zunge und Zähnen
- Spülung vor und nach kieferchirurgischen Eingriffen und Zahnextraktionen
- Behandlung von Aphthen und Zahnfleischverletzungen
- Reduktion von Mundgeruch
Geriatrie, Palliativstation und Intensivbereich
- Allgemeine Mundhygiene und bei Problemen mit Zahnprothesen, die Druckstellen und Entzündungen verursachen
- Routinemäßige Mundhygiene bei Intensivpatienten
Onkologie und Strahlentherapie
- Bei auftretenden Problemen in der Mundhöhle
Anwendung
- Die Spülzeit beträgt 30 Sekunden. Die Lösung hat einen neutralen pH-Wert und ist zeitlich unbegrenzt einsetzbar.
Anwendergruppen
- Patienten mit Veränderungen und Entzündungen der Gingiva sowie parodontal erkrankte Patienten
- Patienten mit empfindlichen Schleimhäuten
- Schwangere
- Kinder ab sechs Jahren
- Alkoholiker/trockene Alkoholiker
- Halitosispatienten
Patientenfall
In der Bilddokumentation (Abb. 1–4) ist nur einer von zahlreichen Patientenfällen in unserer Praxis dokumentiert. Der 70-jährige Neupatient bemerkte seit geraumer Zeit Veränderungen an der Mundschleimhaut, mit Symptomen wie Brennen, Rötungen und Trockenheit. Er ist multimorbid, nimmt verschiedene Medikamente gegen Bluthochdruck und Diabetes mellitus sowie Blutverdünner und Betablocker ein. Er litt zudem an einer Herzinsufizienz und an rheumatologische Arthrits. Bei der Befundung im Screening-Programm (ParoStatus.de) stellte sich heraus, dass der Neupatient unter einer akuten Parodontitis mit Sondierungstiefen bis 8 mm, einem Plaque- Index von 100 Prozent und einem BOP (Bleeding on Pro- bing) von 100 Prozent litt. Durch die systematisch durchgeführte parodontale Behandlungsstrecke und den darin in der MHU erläuterten Mundhygienemitteln inkl. der hypochlorigen Spüllösung ist der Patient zum jetzigen Zeitpunkt beschwerdefrei und sehr dankbar für seine zurückgewonnene Lebensqualität. Die Spüllösung verwendet der Patient weiterhin zweimal täglich.
Fazit
Für eine individuelle Mundhygiene-Instruktion der Patienten stehen verschiedene Möglichkeiten und Artikel zur unterstützenden und begleitenden Empfehlung zur Verfügung. Durch die tagesaktuelle Anamnese ist zuerkennen, unter welchen Beschwerden der Patient leidet und welche Allgemeinerkrankungen und Medikationen zugrunde liegen. Patienten mit Einschränkungen im motorischen Bereich durch rheumatologische und arteriosklerose Erkrankungen sowie den dadurch verursachten Verformungen der Gliedmaßen benötigen für ihre häusliche Mundhygiene unterstützende Hilfsmittel wie Spüllösungen, um die Plaqueakkumulation möglichst niedrig zu halten und Entzündungen der Gingiva entgegenzuwirken. Sollten Symptome wie Mundschleimhautbrennen, empfindliche Schleimhäute oder Halitosis erschwerend hinzukommen, müssen dem Patienten aus dem vielfältigen Angebot an Mundhygienehilfsmittel gut wirksame und dennoch sanfte Produkte für die häusliche Mundhygiene empfohlen werden. Spüllösungen auf hypochloriger Basis sind hierbei wegen ihrer milden und dennoch hochwirksamen Zusammensetzung aus unserem Praxisalltag nicht mehr wegzudenken.
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Individuelle Mundhygieneinstruktionen bei PAR-Therapien“ im PJ Prophylaxe Journal erschienen.