Branchenmeldungen 21.10.2022

Ausgereiftes Prophylaxekonzept – Chance für Praxis und Patient



Ausgereiftes Prophylaxekonzept – Chance für Praxis und Patient

Foto: Praxis „Zahnärzte am Mühlenende“ ZMVZ

Kerngeschäft vieler Zahnarztpraxen ist die Prophylaxe. Gut organisiert und durchgeführt, kann sie ein wirtschaftlicher Motor für die Praxis sein. Im folgenden Interview stellen Tanja Gumbold und Birgit Tünsmann vor, wie die Organisation einer großen eigenständigen Prophylaxeabteilung in ihrer Praxis „Zahnärzte am Mühlenende“ ZMVZ in Rotenburg funktioniert und wie diese aufgebaut bzw. stetig weiterentwickelt wurde.

In Ihrer Praxis gibt es eine eigene große Prophylaxeabteilung. Wie ist diese entstanden und über die Jahre gewachsen? Wie viele Mitarbeiter umfasst sie aktuell?

Tanja Gumbold: Unsere Praxis „Zahnärzte am Mühlenende“ ZMVZ war vor über 25 Jahren noch eine Gemeinschaftspraxis mit vier Zahnärzten und zwei Mitarbeiterinnen in der Prophylaxe. Schon von Beginn an war die Prophylaxe fester Bestandteil des Therapiekonzeptes. Unsere Prophylaxeabteilung wurde von Jahr zu Jahr mit neuen Mitarbeitern erweitert, da die Nachfrage stetig stieg. Gleichzeitig wurde aber auch die Kapazität der Praxisräume immer knapper. 2015 umfasste das Team der Prophylaxe bereits acht Mitarbeiter, hinzu kamen sechs Zahnärzte und über 30 weitere Mitarbeiter.

Die organisatorischen Herausforderungen einer so stark wachsenden Praxis waren recht groß, so entschied sich unsere Praxisleitung für eine Erweiterung der Räumlichkeiten mit zusätzlichen Behandlungszimmern. Diese wurden dann in der Nachbarschaft gefunden und konnten 2016 erfolgreich bezogen werden. Im Hauptgebäude stehen der Prophylaxe zwei Behandlungsräume zur Verfügung und weitere fünf im neuen Prophylaxezentrum.

Inzwischen besteht die Abteilung aus zwölf Mitarbeiterinnen, die für die Kinder- und Erwachsenenprophylaxe tätig sind. Wir arbeiten im Zwei-Schicht-System, sodass wir neuen Mitarbeiterinnen und insbesondere auch unseren Kolleginnen nach der Elternzeit sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitmodelle anbieten können. Dadurch gewährleisten wir auch eine optimale Auslastung aller Zimmer ohne Leerstand.

Wie werden die Abteilung und die einzelnen Aufgabengebiete organi- siert?

Gumbold: Neben der Prophylaxe haben auch unsere anderen Abteilungen jeweils einen Teamleiter, der für sein Team erster Ansprechpartner ist, sich um alle Anliegen der Mitarbeiter kümmert und bei Bedarf unterstützt. Die Teamleiter sind Schnittstelle zur Praxisleitung und gewährleisten den regelmäßigen aktuellen Austausch untereinander. Es existieren in allen Teams Behandlungsleitlinien, darin sind Konzepte entwickelt, besprochen, festgelegt und geschult worden. Diese klaren Strukturen geben Sicherheit auch übergreifend in alle Abteilungen, weil sie Kommunikationswege untereinander klären.

Für sämtliche Behandlungen der Kinder- und Erwachsenenprophylaxe gibt es beschriebene Konzepte mit allen Vorgehensweisen, die geschult und immer wieder aktualisiert werden. Damit gewährleisten wir, dass unsere Patienten bei jeder Kollegin dieselben Abläufe und Beratungen erhalten. Feste Zeitfenster für die verschiedenen Behandlungen ermöglichen eine strukturierte Terminierung und somit vollständige Auslastung der Zimmerkapazitäten.

Aufgrund des Zentralsteris und einer Betriebshelferin sind wir in der Prophylaxe von einigen lästigen Aufgaben, die sonst schon mal den Behandlungsablauf stören, befreit. Sollte es doch mal Behandlungslücken geben, die sich nicht füllen lassen, wissen die Kolleginnen sehr genau, wie sie sich sinnvoll einbringen können: Sie telefonieren Patienten hinterher, die ihren Termin versäumt haben, schleifen Instrumente und kümmern sich um ihre Terminbücher und Dokumentation.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Hauptpraxis?

Birgit Tünsmann: Unsere Software und Telefonanlage sind so aufgesetzt, als wären wir nur eine Praxis. Die Anmeldung ist im Prophylaxezentrum stets besetzt und im direkten Austausch mit der Hauptpraxis, so können sich beide Anmeldungen im Fall von Terminabsagen um schnelle Nachbesetzung bemühen. Instrumente werden im Zentralsteri aufbereitet. Mit fünf Botenfahrten täglich wird gewährleistet, dass die notwendigen Instrumente und Materialien im Prophylaxezentrum stets verfügbar sind. Die Hauptpraxis liegt fußläufig entfernt, sodass im Zweifel auch mal der direkte Weg möglich ist. Die Dokumentation von Leistungen und Patienteninformationen erfolgt in der Prophylaxeabteilung sehr systematisch mittels Textbaustein, der dann individualisiert wird. Ebenso erfolgt die direkte Vereinbarung des Folgetermins durch die Prophylaxemitarbeiterin. Sie schaut auch nach dem nächsten 01-Termin oder vereinbart ein Beratungsgespräch beim Stammbehandler oder Spezialisten, wenn bei der PZR der Verdacht auf eine Parodontitis oder andere pathologische Befunde erhoben werden. Die verzahnte Beratung und Behandlung kann so gelingen.

Welche Herausforderungen traten/treten im Praxisalltag auf und wie wurden/werden sie gemeistert?

Tünsmann: Das Prophylaxezentrum hat kein eigenesOPG, nur Kleinröntgen. Insofern ist es bei der Terminierung sinnvoll, zu prüfen, ob der Patient vermutlich ein OPG benötigt, um ihm den Fußmarsch und die entsprechende Verzögerung im Ablauf zu ersparen. Da insbesondere die Prophylaxemitarbeiterinnen, die mit PA-Patienten arbeiten, auch regelmäßig im Haupthaus eingesetzt sind, kann entsprechend auch dort terminiert werden.

Zudem haben wir das Koppelsystem PZR mit 01 bei Bezug des Prophylaxezentrums aufgelöst. Nach anfänglicher Gewöhnungsphase haben unsere Patienten das inzwischen vollständig akzeptiert. Vorteile liegen klar darin, dass die Prophylaxemitarbeiterin keine Verzögerungen durch Wartezeiten auf den Zahnarzt hat, das Stammbehandlerprinzip beibehalten werden kann (bei der Terminierung also nicht darauf geachtet werden muss, ob der Stammbehandler in derselben Schicht wie die Prophylaxemitarbeiterin ist) und die Hinweise der Prophylaxe bei der anschließenden separaten 01 viel besser aufgegriffen werden können. Während die 01 neben der PZR oft nur wenig Zeit lässt, kann der Zahnarzt bei einem separaten Termin viel tiefer auf die anstehenden Themen eingehen. Das macht die 01 natürlich viel produktiver.

Welche Vorteile hat die eigens organisierte Prophylaxeabteilung für die Zahnarztpraxis an sich?

Tünsmann: Die Prophylaxeabteilung besteht in der Regel aus selbstständig arbeitenden tollen Mitarbeiterinnen. Oft wird dabei vergessen, dass auch diese in ein Team einbezogen werden müssen, regelmäßig Austausch zu fachlichen und persönlichen Themen wünschen und Führung brauchen. Je größer die Praxis, desto weniger Zeit hat die Praxisleitung, und so kommt es vor, dass die Prophylaxekraft „vergessen“ wird, weil sie ja ohnehin einen guten Job macht. Wenn niemand schaut, ob die Prophylaxe bei jedem annähernd gleich erbracht wird, ob Fortbildungsinhalte untereinander geteilt werden oder sich „merkwürdige“ Routinen einschleichen, entsteht ein Sammelsurium von Einzelkämpfern, nicht selten mit Konkurrenzdenken.

Wenn die Abteilung eine engagierte Teamleitung hat, dann können fachliche Themen harmonisch und zielführend besprochen werden. Ein zukunftsfähiges ausgereiftes Prophylaxekonzept hat Chance auf Umsetzung, und für Patienten entsteht der elegante Nutzen, dass der Behandlungserfolg an oberste Stelle gehoben wird. Ich erlebe in unserer Prophylaxeabteilung, dass jeder Patient bei jeder Mitarbeiterin annähern identisch behandelt wird (immer natürlich auf den Befund und Bedarf des Patienten eingehend). Für Einarbeitung wird sich viel Zeit genommen. Auf die optimale Dokumentation und Einhaltung der Behandlungsleitlinien wird genau geachtet. Zudem gelingt es Tanja, ihr Team mit so viel Herz und Freude zu führen, dass sich alle Kolleginnen ebenso mit Herz und Freude unseren Patienten widmen. Dass die Patientenzufriedenheit und auch der wirtschaftliche Erfolg dadurch deutlich höher sind, liegt auf der Hand.

Welche Tipps bzw. Hinweise können Sie Kolleginnen und Kollegen geben, die selbst im Aufbau einer Prophylaxeabteilung sind?

Gumbold: Als Teamleiterin ist es nicht entscheidend, die Beste in ihrem Fach zu sein. Um eine Prophylaxeabteilung erfolgreich aufzubauen, ist es wichtig, ein Team zu finden, dass mit Freude und Herzblut mit Menschen umgeht. Führungsstärke und das ehrliche Interesse am Aufbau ihrer Kollegen ist elementar. Besprechen Sie sich mit ihrem Team, was Ihnen wichtig ist und wie Sie miteinander umgehen möchten. In einem freundlichen Miteinander macht der Job noch viel mehr Spaß und alles geht leichter von der Hand, auch in stressigen Situationen. Überlegen Sie sich Konzepte, holen Sie Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter ein. Lassen Sie die Konzepte dann von der Praxisleitung absegnen. Wichtig ist es, Vorgehensweisen und Empfehlungen der Konzepte mit jedem zu üben und auch zu kontrollieren, um einen einheitlichen Ablauf zu garantieren. Dies schafft Vertrauen im Team und sorgt auch gegenüber Patienten für ein kompetentes Auftreten. Die Teamleiterin sollte unbedingt Einblick in die Zahlen ihrer Kolleginnen erhalten (Honorare, Honorar-Stundensätze), um Hinweise darauf zu erhalten, wo Konzepte und Abläufe möglicherweise nicht eingehalten werden. Im Einzelgespräch kann dann Fortbildungsbedarf erkannt oder Wissenslücken geschlossen werden.Wir müssen nichts schönreden. Der Aufbau eines solchen Teams erfordert Kraft, Zeit und Ausdauer. Doch das lohnt sich, denn langfristig kann man so ein tolles Team zusammenführen, dass mit viel Engagement und Freude für seine Patienten da ist.

Frau Gumbold, Frau Tünsmann, herzlichen Dank für das Interview.

Dieser Beitrag ist im Prophylaxe Journal erschienen.

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