Prophylaxe 16.10.2018
Vorbeugen bei der Prophylaxe lohnt sich für Praxis und Patienten
share
Eine Kosten-Nutzen-Analyse
Patienten nehmen ihre Mundgesundheit und schöne Zähne immer ernster. Dabei sind die meisten von der Eigenwirksamkeit in der Prophylaxe überzeugt, glauben also, selbst entscheidend zum Erreichen dieses Ziels beitragen zu können (Abb. 1). Deshalb fallen Tipps und Angebote seitens der Praxis hierzu auf fruchtbaren Boden, selbst wenn sie Geld kosten, das die Krankenkassen den Patienten nicht oder nur teilweise rückerstatten. Dr. Paul Schuh, Leiter der Abteilung für Dentalhygiene der implaneo Dental Clinic, erklärt im Prophylaxe Journal, warum sich Vorbeugen sowohl für den Patienten als auch für die Praxis lohnt.
Gesundheit genießt zu Recht einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Das System der gesetzlichen Krankenkassen ist ein starker Beleg dafür. Doch auch sinnvolle Leistungen, die über jene der Kassen hinausgehen, zahlen sich aus, gesundheitlich und finanziell für Patient und Praxis.
Abb. 1: Besonders Kinder und jüngere Erwachsene zeigen ein großes Interesse daran, ihre Mundgesundheit selbst in die Hand zu nehmen, wie die DMS V zeigt. Foto: © BZÄK/KZBV
Milliardenkosten durch Zahnschäden
Ein Beispiel sind Zahnerkrankungen: Karies und Parodontitis sind zwar auf dem Rückmarsch, aber nach wie vor die größten Bedrohungen für die Mundgesundheit. So beliefen sich z. B. die Ausgaben für Kariesbehandlungen Schätzungen zufolge im Jahr 2012 in Deutschland auf ca. 8,2 Mrd. Euro. Karies kann auch ein Vorläufer für Gingivitis sein, die wiederum in eine Parodontitis übergehen oder bei einer bestehenden Parodontitis den Verlauf beschleunigen kann. Dass die Mundgesundheit sich dennoch in den letzten 30 Jahren verbessert hat, ist sicherlich ganz wesentlich ein Ergebnis von intensivierten Maßnahmen zur Kariesprophylaxe auf Gruppen- und Individualebene in dieser Zeit. Beigetragen haben dazu der zunehmende Gebrauch fluoridhaltiger Zahnpasta durch jeden Einzelnen, aber auch die Fissurenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko durch den Zahnarzt.
Sinnvolle Prophylaxeangebote
Als wichtigste Vorsorgeangebote gegen Karies und Parodontitis stehen aufseiten der Praxis der regelmäßige Check beim Zahnarzt – inklusive individueller Folgemaßnahmen im Bedarfsfall – sowie die PZR. Aufseiten des Patienten sind der regelmäßige Gebrauch fluoridhaltiger Zahnpasta, die Einschränkung des täglichen Zuckerkonsums und das Kaugummikauen zur Speichelstimulation nach Mahlzeiten die wirksamsten Mittel. So empfiehlt es die aktuelle Leitlinie zur Kariesprophylaxe (Abb. 2). Doch wie profitieren nun Praxis und Patient von diesen Maßnahmen gesundheitlich und finanziell?
Abb. 2: Auf einen Blick – der 7-Punkte-Plan der Leitlinie zur Kariesprophylaxe. Foto: © DGZ
In der Praxis: Zahnarztcheck und PZR
Regelmäßige professionelle Reinigung und Prophylaxe sind die Grundpfeiler der Zahngesundheit für Zähne und Implantate von der Jugend an bis ins hohe Alter. Patienten sollten dafür, neben dem täglich zweimaligen Zähneputzen, zwei- bis viermal im Jahr je eine Stunde zur professionellen Zahnreinigung in die Praxis kommen. Das Ergebnis: Karies und Parodontitis haben kaum eine Chance. Die Dentalhygiene beseitigt aggressive Bakterien in den Zahnbelägen und unter dem Zahnfleisch. Diese verursachen Schäden an Zähnen, Implantaten und am Knochen. Die Patienten werden durch Mundhygieneinstruktionen geschult, um das tägliche Reinigen der eigenen Zähne mit Zahnbürste, Zahnseide etc. so gut wie möglich gestalten zu können. Je besser der Patient reinigt, desto größer kann man das Intervall für die professionelle Zahnreinigung einstellen. Dennoch sollte auch der vorbildlich selbst reinigende Patient ein- bis zweimal im Jahr zur PZR und zum zahnärztlichen Check kommen. Das fördert die Patientenbindung und ist zudem eine gute Einnahmequelle für jede Praxis. Somit lohnt es sich für den Patienten und die Praxis.
Parodontitis- und Kariesprophylaxe durch Routinekontrollen gewährleisten
Die parodontale und kariogene Früherkennung bei der professionellen Zahnreinigung wird durch Routinekontrollen, wie z. B. das Vermessen der Zahnfleischtaschen an jedem Zahn und Implantat an sechs Stellen, gewährleistet. Gut geschultes Personal weist den Zahnarzt bereits auf kariöse Läsionen, undichte Füllungs- oder Kronenränder hin. Daraufhin werden im Rahmen der zahnärztlichen Kontrolle, falls erforderlich, Röntgenbilder angefertigt oder konservierende bzw. prothetische Leistungen geplant. Das Ziel ist immer, die notwendigen Eingriffe so gering wie möglich zu halten. Dadurch spart der Patient langfristig bei gleichzeitiger Gesunderhaltung seiner Zähne und Implantate. Es gibt Hinweise aus verschiedenen Studien1–3, wonach Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verschiedene Krebsformen und Frühgeburten durch die bakterielle Belastung einer Parodontitis gefördert werden. Die Beachtung der systemischen Wechselwirkungen bringt somit dem Patienten nicht nur zahnmedizinisch, sondern für seine Allgemeingesundheit einen erheblichen Vorteil. Dieser Service ist für eine moderne Praxis heutzutage quasi ein „Must-have“ geworden.
Selbstwirksamkeit beginnt in der Zahnarztpraxis
Auch zu den Maßnahmen, die in die Eigenverantwortung und Zeit des Patienten fallen, sollte bereits in der Praxis animiert werden. Geeignet dafür ist der Abschluss des Recall- bzw. PZR-Termins, an dem man den Patienten auf die wichtigsten selbstständigen Tätigkeiten hinweist, wobei man ihm/ihr idealerweise Produktproben (fluoridhaltige Zahnpasta, zuckerfreien Kaugummi etc.) überreicht. Seit Neuestem geben die federführenden Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung e.V. (DGZ) und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. (DGZMK) die Kariesprophylaxeleitlinie mit den genannten Empfehlungen auch kostenlos als Patientenleitlinie heraus. Man kann diese in der Praxis auslegen und den Patienten als Erinnerung mit auf den Nachhauseweg geben. Dass ein Patient gern bereit ist, auch selbst für seine Zahngesundheit Geld auszugeben, zeigt bereits der Kauf von Zahnpasta und Zahnbürste für den täglichen Bedarf, auf den wohl niemand verzichtet. Solche Produkte, wie auch Zahnseide, Zahnpflegekaugummi etc., können deshalb auch direkt in der Praxis im eigenen Prophylaxeshop angeboten werden. Die freie Abgabe in Form von „Give-aways“ hat den Vorteil, dass sie als kleine uneigennützige Geste eher noch stärker wahrgenommen und beachtet werden. Vor allem dann, wenn der Patient sowieso schon von Vorsorgemaßnahmen – sei es in der Praxis oder durch ihn selbst – überzeugt ist. So oder so: Eine Praxis, die Prophylaxe großschreibt, wird stärker frequentiert, tut etwas für ihre Patientenbindung und wird gerne weiterempfohlen.
Vertrauen zahlt sich aus – auf beiden Seiten
Aus meiner eigenen Praxiserfahrung weiß ich, dass schöne und gesunde Zähne ganz wesentlich zur Lebensqualität und zum Selbstwertgefühl der Patienten beitragen. Wenn ich Vorsorgeangebote mache und ihren Sinn und Zweck gut erkläre, werden sie in den allermeisten Fällen gern angenommen. Es stärkt das Vertrauensverhältnis und die Patientenbindung, wenn klar wird, dass ich als Zahnarzt eine Erkrankung lieber verhindere, anstatt sie zu behandeln. Beides kann Zeit und Geld kosten. In die Prophylaxe investieren beide Seiten aber sicher viel lieber. Hinzu kommt der finanzielle Vorteil für den Patienten: Viel mehr Geld, als er jetzt selber für die Vorsorge ausgibt, spart er höchstwahrscheinlich ein, wenn er teure Zusatzleistungen (z. B. Implantate) erst später oder eingeschränkt in Anspruch nehmen muss. Vielleicht braucht er aber auch nie ein Implantat. Das ist unser gemeinsames Ziel. Je aufgeklärter unsere Patienten sind und je geschulter unsere Dentalhygiene ist, desto besser lassen sich im Zuge der Früherkennung größere Eingriffe verhindern.
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Der Beitrag ist im Prophylaxe Journal erschienen.