Zahntechnik 07.08.2020
Neutralisierung mittels maskierender Vollkeramikkrone
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Eine Bekannte beauftragte den Autor in gemeinsamer Arbeit mit einem Zahnarzt seiner Wahl mit einer neuen Frontzahnversorgung. Der Autor plante eine exakte Kopie des natürlichen Zahnes aus transluzentem, vollverblendetem Zirkonoxid. Er nahm an der Präparation des Behandlers teil, um gegebenenfalls Individualitäten direkt vor Ort abklären zu können. Als die alte Krone entfernt wurde, kam unter ihr ein alter Metallstumpf zum Vorschein, der das Todesurteil für die im Vorfeld getroffene Materialauswahl darstellte. Es folgte ein umfangreicher Versuchsaufbau und -ablauf mit dem Ziel der 100-prozentigen Neutralisierung des vergrauenden Metallstumpfes.
Die zweite Wahl fiel auf schneeweißes und opakes Zirkonoxid für die Gerüstkappe, um den Metallstift abzudecken. Während des nächsten Termins wurde das Kunststoffprovisorium entfernt und die neue Krone aufgesteckt. Das Ergebnis: Direkt während des Aufstecken vergraute die Krone. Selbst das eigentlich opake, schneeweiße Zirkon konnte den Metallstift nicht zu 100 Prozent neutralisieren, es war immer noch ein unschöner Grauschleier zu erkennen.
Nun begann eine umfangreiche Versuchsphase. Aus Modellkunststoff stellten wir unterschiedliche Stumpfuntergründe mit starker Verfärbung her, um auf diesen unterschiedliche Gerüstmaterialien zu testen. Nach zahlreichen Versuchen mit unterschiedlichsten Zirkonoxiden und Vollkeramiken, nach vielen Telefonaten mit Herstellern und CNC-Fräsdienstleistern und nach diversen Überstunden konnten blickdichte Kronen erstellt werden. Mit dem Wissen, das wir heute haben, hätten sowohl wir als auch der Behandler von vornherein viel Zeit und Nerven sparen können.
Indikationsbeispiele
Durch die Zusammenarbeit mit unseren Kunden konnten wir vier Faktoren ausmachen, die erhebliche Konsequenzen auf das Zeitmanagement, die Effizienz und somit die Wirtschaftlichkeit einer Zahnarztpraxis haben.
Faktor 1: Das interne Zahnbleaching
Unsere Behandler mussten feststellen, dass ein internes Zahnbleaching leider kein Allheilmittel ist. Der Grad der Aufhellung ist einfach viel zu gering, zumal es auf die Präparationsgrenze (Stufe) kaum Einfluss ausübt.
Faktor 2: Die Entfernung des Wurzelstifts
Die Entfernung von Wurzelstiften ist für den Zahnmediziner häufig eine sehr riskante und unkalkulierbare Prozedur. Hierbei sieht sich der Behandler einem vergleichsweise schwachen Chancen-Risiko-Verhältnis gegenübergestellt. Es handelt sich um einen schwer einzuschätzenden Zeitaufwand durch unvorhergesehene Faktoren. Der Stift ist durch die komplexe Anatomie des Wurzelkanals stark mit der Zahnwand verbunden und muss mit großer Geduld und Erfahrung in viele kleine Einzelteile zerlegt werden. Auch kann es keine Garantie für einen Erfolg geben. Nach gewissenhafter Entfernung kann es sein, dass zu wenig verbleibende Zahnsubstanz für eine neue Restauration übrig ist. Zudem kommt es nicht selten zu einer Fraktur der Wurzel/Zahnwand, und der Zahn ist somit für immer verloren.
Faktor 3: Wurzelkanalstifte aus faserverstärktem Komposit
Der Behandler kann eine optimale Rekonstruktion der Zahnstümpfe nach einem klinischen Kompositaufbau mittels Glasfaserstiften vorbereiten. Die Herstellung und das Einsetzen sind für den Behandler jedoch gleichsam aufwendiger, zeitintensiver und teuer. Auch gibt es bei den verschiedenen faserverstärkten Wurzelstiften erhebliche Unterschiede in der mechanischen Belastbarkeit. Nur nach einer umfangreichen Recherche kann der Behandler ein passendes Stiftsystem auswählen.
Faktor 4: Graue Titanabutments neutralisieren
Ob Zirkon- oder Titanabutment, beide haben ihre Daseinsberechtigung und finden am Markt ihre Verwendung. Sollte die Wahl auf ein Titanabutment fallen, so steht dieses durch die Indikation von „blickdichten“ Kronen, dem Zirkonabutment, in puncto Ästhetik in nichts nach.
Die Ausgangssituation
Oftmals sorgen alte Metallwurzelstifte oder sehr stark verfärbte Stümpfe für böse Überraschungen. Diese gilt es, möglichst ästhetisch und ohne großen Zeitaufwand zu neutralisieren.
Eine Patientin in den Fünfzigern wurde mit ihrer ästhetischen Problematik in der Praxis vorstellig. Ihre alten, insuffizienten Metallkeramikkronen waren ihr schon lange ein Dorn im Auge. Nur offenbarten sich dem Behandler nach Entfernung der Kronen noch zwei böse Überraschungen bei der Begutachtung der Stümpfe. Die Ausgangssituation wurde systematisch analysiert, und so ergaben sich folgende Problemstellungen, die es für uns zu lösen gilt:
- 11: sehr starke/schwarze Verfärbung der Zahnwurzel (Dyschromie)
- 21: alter Metallstift (Stumpfaufbau/Wurzelstift)
- Zahnfarbe: leblos und unnatürlich, fehlende farbliche Harmonie
- Zahnform: dick und plump
- mangelhafte marginale Adaptation – freiliegende Zahnhälse
- asymmetrischer Zahnfleischverlauf zwischen ersten und zweiten Incisivi
- ausgeprägte Elongation der mittleren Incisivi: disharmonische Lachlinie und eingeschränkte Phonetik
Dank einer klaren und zielorientierten Kommunikation zwischen Praxis und Labor entschieden wir uns schnell für eine komplette Maskierung und Neutralisierung der Zahnstümpfe. Die Indikation zweier blickdichter Vollkeramikkronen erwies sich in diesem Fall als optimal.
Arbeitsschritte
Fotostatus/individuelle Zahnfarbenbestimmung
Die dentale Fotografie nimmt in unserer zahntechnischen Arbeit einen immer größeren Stellenwert ein. Einen großen und wirtschaftlichen Vorteil sehen wir darin, dass eventuell notwendige Farbkorrekturen auf ein Minimum reduziert werden können oder erst gar keine mehr nötig sind.
Das erhöht die Vorhersagbarkeit der Behandlung, reduziert zusätzlich die Behandlungszeiten des Zahnmediziners und steigert somit die Effizienz der Praxis.
Natürlich hilft es ungemein, wenn wir mit ortsansässigen Kunden und Patienten zusammenarbeiten und somit eine schnelle Kommunikation der individuellen Zahnfarbe realisieren können. Umso wichtiger ist es, sollte die Zahnfarbbestimmung über weite Distanzen erfolgen. Die Übertragung des Intraoralscans mit zusätzlicher Farbkommunikation ist hierbei unabdingbar. Das Ausgangsbild wird als Raw-Bilddatei gespeichert und in das Programm Photoshop importiert. In Photoshop unterziehen wir das Bild einem Weißabgleich und generieren ein zusätzliches Schwarz-Weiß-Bild, um den Helligkeitswert zu bestimmen.
CAD
Der virtuelle Entwurf (digitales Mock-up) und die daraus errechnete Kappe mit korrekten anatomischen Unterstützungen (gleichmäßige Schichtstärke) weist eine Mindeststärke von 0,5 mm auf.
CAM
Das digitale „Mock-up“ wurde physisch aus einer Acrylatkunststoff-Disc herausgeschliffen und auf das Modell überführt. Mit diesen Prototypen überprüften wir im Vorfeld alle ästhetischen Parameter und die funktionellen Bewegungsabläufe der Patientin. Somit erhielten wir eine sehr konkrete Visualisierung der Situation sowie Klarheit, Sicherheit und ein Zugewinn von Effizienz für die spätere Keramikschichtung. Die daraus gewonnenen Informationen werden in unterschiedlichsten Silikonvorwällen „gespeichert“.
Anatomische Kappen
Die aus transparentem, ausbrennbarem Acrylat gefrästen Kappen werden ganz konventionell angestiftet, mit einem IPS e.max Press HO-Rohling (Vollkeramik) gepresst und auf dem ungesägten Meistermodell aufgepasst.
Modifizierung
Der gewählte HO-Rohling (Vollkeramik) ist wie kein anderer prädestiniert, stark verfärbte Stümpfe, Wurzelstifte oder Titanabutments zu 100 Prozent abzudecken. Selbst ein opakes, schneeweißes Zirkongerüst würde dies, wenn überhaupt, nur mit einer stark erhöhten Mindeststärke bewältigen.
So bemerkenswert der HO-Rohling auch für diese Disziplin geschaffen ist, so leblos, tot und monochromatisch wirkt er zunächst. Die Lösung für dieses Problem besteht aus einem Trick, der noch vor der eigentlichen Keramikschichtung zum Einsatz kommt. Die Kappen werden mit einem Farbbrand und einem Streuselbrand (Washbrand) modifiziert. So wird ihnen „Leben“ eingehaucht. Durch die streuselige Oberfläche erhalten sie eine extrem natürliche Lichtstreuung sowie Tiefe und Brillanz. Für diesen Vorgang wurde das Keramiksystem der Firma Jensen (MiYO – Esthetic Finishing System) angewendet.
Durch die hervorragenden fluoreszierenden und transluzenten Eigenschaften dieser „flüssigen“ Keramik erhält man schon vor der eigentlichen Schichtung den Eindruck von Tiefe und Vitalität, und dies auf sehr monochromatischen Gerüstuntergründen (HO-Rohling IPS e.max Press). Die modifizierten Kappen werden anhand des patientenindividuellen Schichtmusters mittels IPS e.max Ceram-Keramik komplimentiert.
Nun erfolgt das naturgetreue Erarbeiten der Oberflächentextur sowie die Einstellung des Glanzgrads. Der natürliche Restzahnbestand weist eine relativ glatte Oberfläche mit einem seidenmatten Glanz auf. Diese Informationen sollten in jedem Fall berücksichtigt werden, um die natürliche Harmonie der Frontzahnästhetik zu gewährleisten.
Resultat
Das Ergebnis zeigt die Wiederherstellung der Ästhetik, der Funktion und der Morphologie sowie eine neue, gesunde, korrigierte Zahnfleischsituation mit natürlicher Zahnfarbe.
Bei ähnlichen Indikationen stellt eine maskierende Vollkeramikkrone oftmals eine gute Lösung des Problems dar. Diese klare Vorgehensweise mittels einer „blickdichten“ Vollkeramikkrone funktioniert gleichermaßen gut für stark verfärbte Stümpfe, Metallwurzelstifte oder Titanabutments.
Es erspart Kunden eine Menge Zeit sowie Try-and-Error-Versuche.
Dieser Beitrag ist in der ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor erschienen.