Digitale Zahnmedizin 21.04.2011
"CAD in practice"
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Keramische Werkstoffe finden bereits seit mehr als einem Jahrhundert Anwendung in Zahnmedizin und Zahntechnik. So wurde bereits im Jahre 1889 von Charles Land das Patent für die erste „Vollkeramikkrone“ angemeldet. Diese sogenannte „Land’s Crown“ wurde später als „Jacketkrone“ bezeichnet und war letztendlich der Urvorläufer der heutigen Vollkeramikkronen. Durch die Weiterentwicklung der Werkstoffe konnte die Zuverlässigkeit vollkeramischer Restaurationen stetig gesteigert werden.
In den Jahren seit 1987 war es durch die Verwendung computergestützter Fertigungsverfahren zudem möglich, auch industriell gefertigte Keramikblöcke für den Herstellungsprozess zu verwenden. Der Einsatz von CAD/CAM-Technologien in Zahnmedizin und Zahntechnik ist zu einem festen Bestandteil in der Herstellungskette für Zahnersatz geworden. War es am Anfang vor allem das Hochleistungsmaterial Zirkoniumdioxid, welches nur durch Fräsen bzw. Schleifen bearbeitet werden konnte, so finden zunehmend auch andere Materialklassen in der computergestützten Fertigung ihre Anwendung. Die Liste von keramischen Werkstoffen für die Bearbeitung durch CAD/ CAM-Maschinen ist vom jeweiligen Fertigungssystem abhängig. Einige Fräsmaschinen sind speziell auf die Fertigung von ZrO2-Gerüsten ausgelegt, während andere Systeme hingegen die komplette Palette keramischer Materialien abdecken, von Glaskeramiken über Infiltrationskeramiken bis hin zu oxidischen Hochleistungskeramiken. Die Vorteile maschinengestützter Fertigung zeigen sich in einer hohen Materialgüte aufgrund industriell vorgefertigter Rohlinge, einem praktikablen Qualitätsmanagement, in einer jederzeit möglichen Reproduzierbarkeit aufgrund digitaler Daten, in einer drastischen Reduktion der Herstellungskosten und schlussendlich in der Verarbeitung hochinnovativer Werkstoffe. Derzeit lassen sich folgende Keramikwerkstoffe standardmäßig auf dentalen CAD/CAM-Maschinen bearbeiten:
Glaskeramiken
- Feinstrukturfeldspatkeramiken
- Leuzitverstärkte Glaskeramiken
- Lithium-Disilikat-Keramiken
Infiltrationskeramiken
- VITA In-Ceram ALUMINA (Al2O3)
- VITA In-Ceram ZIRCONIA (Al2O3 ZrO2)
- VITA In-Ceram SPINELLl (MgAl2O4)
Oxidische Hochleistungskeramiken
- Zirkoniumdioxid
- Aluminiumoxid
Glaskeramiken
Schleifbare Glaskeramikblöcke werden von mehreren CAD/ CAM-Systemen zur Herstellung von Inlays, Onlays, Veneers, Teilkronen und Vollkronen (vollanatomisch, anatomisch teilreduziert) angeboten. Neben monochromen Blöcken bieten verschiedene Hersteller mittlerweile auch mehrfarbig geschichtete Rohlinge an (Vitablocs TriLuxe [VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen], IPS EmpressCAD Multi [Ivoclar Vivadent, Schaan, FL], inCoris CEREC Blocs PC [Sirona, Bensheim]), um daraus ästhetische, vollanatomische Kronen zu schleifen. Grundsätzlich kann man bei den schleifbaren Glaskeramikblöcken zwischen Feldspatkeramikblöcken (z.B. VITA Mark II, VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen), leuzitverstärkten Glaskeramikblöcken (z.B. IPS EmpressCAD, Ivoclar Vivadent, Schaan, FL) und Lithium-Disilikat-Keramikblöcken (z.B. IPS e.maxCAD, Ivoclar Vivadent, Schaan, FL). Eine besondere Stellung in der Gruppe der Glaskeramiken nehmen aufgrund der höheren Festigkeitswerte die Lithium-Disilikat-Keramikblöcke ein (Abb. 1), die für vollanatomische Front- und Seitenzahnkronen für Kappen im Front- und Seitenzahnbereich und für Brückengerüste bis zu drei Gliedern im Frontzahnbereich verwendet werden können (Abb. 2 bis 4). Glaskeramiken sind vor allem für die Chairside-Anwendung geeignet, da sie durch zahnähnliche transluzente Eigenschaften auch ohne Verblendung zu ästhetisch ansprechenden Ergebnissen führen. Durch den relativ hohen Glasanteil sind diese Keramiken im Gegensatz zu Oxidkeramiken mit Fluorwasserstoffsäure (HF) ätzbar und können damit hervorragend adhäsiv befestigt werden.
Beispiele für monochrome Glaskeramikblöcke
- VITABLOCS Mark II (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): Feinstruktur-Feldspatkeramikblöcke für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
- inCoris CEREC Blocs (Sirona, Bensheim): Feldspatkeramikblöcke für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
- IPS Empress CAD (Ivoclar Vivadent, Schaan, FL): Leuzitverstärkte Glaskeramikblöcke für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
- IPS e.maxCAD (Ivoclar Vivadent, Schaan, FL): Lithium-Disilikat-Keramikblöcke für vollanatomische Kronen, Kappen für Front- und Seitenzahnkronen
Beispiele für mehrfarbig geschichtete Rohlinge
- VITABLOCS TriLuxe (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): Feldspatkeramikblöcke für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
- VITABLOCS TriLuxe Forte (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): Feldspatkeramikblöcke mit feinerer Nuancierung des Farbüberganges sowie mehr Chroma und Fluoreszenz im Zervikalbereich. Geeignet für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen (Abb. 5)
- IPS Empress CAD Multi (Ivoclar Vivadent, Schaan, FL): Leuzitverstärkte Glaskeramikblöcke mit natürlichem Farb-, Transluzenz- und Fluoreszenzverlauf. Geeignet für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
- inCoris CEREC Blocs PC (Sirona, Bensheim): Polychromatische Feldspatkeramikblöcke in drei verschiedenen Farben für Inlays, Onlays, Veneers, vollanatomische Kronen
Infiltrationskeramiken
Schleifbare Blöcke aus Infiltrationskeramiken werden im porösen, kreidigen Zustand bearbeitet und anschließend mit Lanthanglas infiltriert. Alle Rohlinge für Infiltrationskeramiken stammen aus dem VITA In-Ceram System und werden in drei Variationen angeboten:
- VITA In-Ceram ALUMINA (Al2O3) (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): Geeignet für Kronenkappen im Front- und Seitenzahnbereich, dreigliedrige Brückengerüste im Frontzahnbereich.
- VITA In-Ceram ZIRCONIA (Al2O3 ZrO2) (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): Geeignet für Kronenkappen im Front- und Seitenzahnbereich, dreigliedrige Brückengerüste im Frontzahnbereich und Seitenzahnbereich. Dank des ausgezeichneten Maskierungsvermögens eignet sich diese Keramik hervorragend für stark verfärbte Stümpfe.
- VITA In-Ceram SPINELL (MgAl2O4) (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen): besitzt die höchste Transluzenz aller Oxidkeramiken und empfiehlt sich somit für die Fertigung hoch ästhetischer Frontzahnkronengerüste, insbesondere auf vitalen Zahnstümpfen und bei jungen Patienten.
Oxidische Hochleistungskeramiken
Derzeit werden Aluminiumoxid und Zirkoniumdioxid als Rohlingsblöcke für die CAD/CAM-Technologie angeboten.
Aluminiumoxid (Al2O3)
Diese oxidische Hochleistungskeramik wird in einem vorgesinterten Stadium beschliffen und anschließend bei 1.520 °C im Sinterofen dichtgesintert. Die Indikation für Aluminiumoxid sind Kronenkäppchen im Front- und Seitenzahnbereich, Primärteile und dreigliedrige Frontzahnbrückengerüste. Die geschliffenen Gerüste können mit VITA InCeram AL Coloring Liquid in mehreren Farben individuell eingefärbt werden.
Beispiele für schleifbare Aluminiumoxidblöcke:
- VITA In-Ceram AL Block (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen)
- inCoris AL (Sirona, Bensheim) in einem elfenbeinartigen Farbton (Farbe F 0,7) erhältlich
Yttriumstabilisiertes Zirkoniumdioxid (ZrO2, Y-TZP)
Zirkoniumdioxid ist eine oxidische Hochleistungskeramik mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften. Die hohe Biegefestigkeit und die unter Dentalkeramiken extrem hohe Risszähigkeit bieten die Möglichkeit, diesen Werkstoff als Gerüstmaterial für Kronen, Brücken und Primärteleskope (Abb. 6 bis 9) sowie, bei korrekter Indikationsstellung, für individuelle Implantatabutments zu verwenden (Abb. 10). Die Zugabe von 3 Mol% Y2O3 führt zu einer metastabilen tetragonalen Phase bei Raumtemperatur, die durch einen Übergang in eine monokline Phase das Fortschreiten von Rissen in der Keramik verhindert und somit die hohe Risszähigkeit bewirkt (Umwandlungs- oder Transformationsverstärkung).
Beispiele für Zirkonoxid-Blöcke:
- Lava Frame (3M ESPE, Seefeld)
- Cercon smart ceramics (DeguDent, Hanau)
- Everest ZS und ZH (KaVo, Biberach)
- inCoris ZI (Sirona, Bensheim)
- In-Ceram YZ (VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen)
- zerion (Straumann etkon, Gräfelfing)
- ZENO Zr (WIELAND Dental + Technik, Pforzheim)
CAD/CAM-Anwendungen
Grundsätzlich kann zwischen drei verschiedenen Fertigungsmöglichkeiten in der dentalen CAD/CAM-Anwendung unterschieden werden. Diese sind:
- Cairside-Fertigung
- Labside-Fertigung
- Zentrale Herstellung im Fertigungszentrum
Alle drei Varianten zeigen sowohl Vor- als auch Nachteile. Vollkeramische Materialien können dabei mit jeder der drei Fertigungsmethoden bearbeitet werden. Allerdings zeigen sich wesentliche Unterschiede in der Materialvielfalt, sodass bei einigen Systemen sowohl Glas-, Infiltrations- als auch oxidische Hochleistungskeramiken zur Anwendung kommen, während andere Systeme ihren Fokus auf die Bearbeitung von Zirkoniumdioxid legen. Dies hängt vor allem davon ab, ob die Bearbeitung mit oder ohne Wasserkühlung erfolgt (Abb. 12 und 13). Glaskeramische Werkstoffe können ausschließlich unter Wasserkühlung bearbeitet werden, da ansonsten das Material und die Schleifkörper geschädigt würden.
Das Anwendungsspektrum für vollkeramische Werkstoffe erstreckt sich mittlerweile vom klassischen „Keramikinlay“ bis hin zu mehrgliedrigen Brückenrestaurationen. Trotzdem ist es nach Ansicht der Autoren unbedingt notwendig, sich streng an die Empfehlungen und Freigaben der jeweiligen Hersteller zu halten.
Die Präparationen für keramische Restaurationen unterscheiden sich je nach verwendetem Material. Ein gemeinsames Merkmal ist jedoch die sogenannte keramikgerechte Präparation, mit gerundeten Kanten ohne scharfe Übergänge. Für Zirkoniumdioxid-einzelkronen sollte eine Gerüststärke von 0,5mm (im Frontzahnbereich 0,3mm) und ein Platzbedarf von 0,5–1,0mm eingeplant werden. Die Stufenpräparation mit innengerundeter Kante stellt die Präparationsgrenze der Wahl dar. Die ausgeprägte Hohlkehle, die ebenso viel Zahnhartsubstanzabtrag erfordert, ist der Stufe als Präparationsgrenze unterlegen. Zur Erzielung einer möglichst guten primären Passung ist ein Präparationswinkel von 8–12° geeignet. Die Inzisalkante des präparierten Stumpfes sollte mind. 1 mm betragen, um ein optimales Ausschleifen des Inzisalbereiches während der CAD/CAM-Bearbeitung zu ermöglichen. Für keramische Werkstoffe mit niedriger Eigenfestigkeit (z.B. leuzitverstärkte Keramiken) wird ein Konvergenzwinkel von 12° in Verbindung mit einer Stufenpräparation und gerundeter Innenkante als besonders geeignet angesehen. Dabei müssen die Mindestschichtstärken (1,0mm zirkulär und 1,5mm okklusal) streng eingehalten und bei der Präparation berücksichtigt werden (Abb. 14). Für Lithium-Disilikat-Keramiken werden ähnliche Präparationsrichtlinien vorgeschlagen, wobei die zirkuläre Mindestschichtstärke bei 0,8mm und die okklusale Mindestschichtstärke bei 1,5mm liegen.
Das Befestigungsprotokoll richtet sich nach der Präparation und der Eigenfestigkeit der Keramik. So lassen sich Vollkronen aus Lithiumdisilikat und Zirkoniumdioxidgerüsten nach werkstoffkundlichen Gesichtspunkten konventionell mit herkömmlichen Zementen befestigen. Kapselpräparate (z.B. Ketac Cem, 3M ESPE, Seefeld) sind hier aufgrund des exakten Mischungsverhältnisses bestens geeignet. Keramiken mit geringer Eigenfestigkeit benötigen das Verbundsystem mit dem natürlichen Zahn, um ausreichende Stabilität zu gewährleisten (Abb. 15 und 16).
Neue Fertigungsvarianten im Bereich des vollkeramischen Zahnersatzes werden derzeit von mehreren Herstellern angeboten bzw. getestet. An erster Stelle sei hier das von der Firma WIELAND Dental + Technik (Pforzheim) angebotene CAO-Verfahren (Computer Aided Overpress) genannt, bei dem neben der Gerüststruktur aus Zirkoniumdioxid eine Verblendhülle aus rückstandlos verbrennbarem Kunststoff im CAD/CAM-Verfahren hergestellt wird. Anschließend werden beide Komponenten zusammen gewachst, eingebettet und aufgeheizt, um dann in der klassischen Überpresstechnik fertiggestellt zu werden. Dieses Vorgehen erspart dem Labor das Aufwachsen der Verblendung für das Überpressverfahren, sodass damit eine kosteneffizientere Herstellung möglich ist.
Eine noch höhere Effektivität verspricht die sogenannte „Sinterverbundkrone“ (SVK®), bei der ebenfalls die beiden Kronenbestandteile, Gerüst und Verblendung, im CAD/CAM-Verfahren hergestellt werden. Allerdings geschieht dies bereits mit den definitiven Materialien, welche anschließend im sogenannten „Sinterverbundbrand“ zusammengefügt werden (Abb. 17 bis 20).
Dieses Verfahren befindet sich derzeit im Prototypenstadium und könnte auch für die Herstellung von Brücken geeignet sein. Erste materialwissenschaftliche Untersuchungen deuten auf das hohe mechanische Potenzial der Sinterverbundkrone hin.
Ein ausführliche Tabelle als Anhaltspunkt für die materialspezifischen Indikationsfreigaben der verschiedenen vollkeramischen Materialtypen kann in der Redaktion unter c.senf@oemus-media.de angefordert werden.
Autoren: Dr. med. dent. Florian Beuer, ZTM Josef Schweiger