Branchenmeldungen 01.06.2023
Acuris™ – Anwendung in der zahnärztlichen Fortbildung
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Veränderungs- und Modernisierungsprozesse sind heutzutage feste Bestandteile der Arbeitswelt. Durch diesen ständigen Wandel und den zunehmenden Kostendruck erhöhen sich die Anforderungen an die Zahnarztpraxen fortlaufend. Sie sollen mit möglichst wenig Ressourceneinsatz immer höhere Ziele erreichen. Auch die Erwartungshaltung an die Zahnärzte seitens der Patienten steigt stetig. Durch die Zielsetzung einer effizienten und effektiven Dienstleistungserbringung werden vielseitige und oftmals kollidierende Anforderungen gestellt.
Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wird ein immer größeres Fachwissen in einem ständig wachsenden Produktportfolio gefordert. Zur Steigerung der Kompetenzen gibt es bereits ein breites und vielfältiges Angebot an Seminaren und Fortbildungsmöglichkeiten. Allerdings wird bei derartigen Formen der Weiterbildung häufig vom sog. „Seminareffekt“ gesprochen. Das heißt, die Teilnehmer vergessen bereits am Montag, was sie am Freitag gelernt haben. Insbesondere in hektischen Alltagssituationen gerät das, was in Vorträgen erlernt und in den Seminaren als zukunftsweisend bewertet wurde, schnell in Vergessenheit. Das hat zur Folge, dass gerade in diesen essenziellen Situationen nicht richtig reagiert wird und der Lernerfolg nicht nachhaltig ist. Deshalb wurde im Zusammenhang mit der Acuris™-Markteinführung ein anderes Konzept der Fortbildung getestet.
Acuris™-Produkteinführung
Unter einer Produkteinführung, auch als „Product Launch“ bezeichnet, versteht man die Etablierung eines neuen Produktes auf dem Markt. Der eigentliche Prozess beginnt bereits mit der Produktplanung und somit mit der ersten Idee und endet mit der Einführung des Erzeugnisses auf dem Markt. Die Acuris™ Produkteinführung am 12. Oktober 20181 wird als eine Sortimentserweiterung/-ergänzung in einem bestehenden Markt gesehen. Das Acuris™-Produkt geht auf die Anregung des Anwenders Dr. Marco Degidi, ein Zahnarzt aus Bologna (Italien), zurück. Immer häufiger zwingt jedoch der Wandel – meistens durch neue Technologien – dazu, ein neues Produkt zu entwickeln. Die Zahnmedizin wird zunehmend digitaler. In dieser Phase ein analoges Produkt auf den Markt zu bringen, zeigt doch eine große Risikobereitschaft eines Unternehmens, eine große Überzeugung des Innovationsgrades und des Marktpotenzials dieses Produkts, wobei zu bedenken ist, dass bei Innovationsprozessen mit einer Misserfolgsquote von bis zu 80 Prozent2 zu rechnen ist.
Fortbildungskonzept
In Zusammenarbeit mit Dentsply Sirona Implants und dem Vareler Dentallabor wurde ein Fortbildungskonzept entwickelt, das einen anderen Ansatz des Lernens verfolgt als konventionelle Weiterbildungsangebote. Dieses Konzept zielte auf die Stärkung der persönlichen Betreuung während der Produkteinführung in der eigenen Zahnarztpraxis und der eigenen Darstellung der erlangten Erfahrungen in der Fortbildungsgruppe ab. Außerdem wurde in dieser Fortbildung ein analoges Versorgungskonzept vorgestellt. Dieses war völlig gegen den Markttrend der Angebote mit digitalen VersorgungskonzeptenDie individuelle berufsbezogene Weiterbildung ist gerade vor dem Hintergrund des digitalen Wandels und der Veränderung der Fortbildungsformen durch die Coronapandemie bedeutsam. Es existieren vielfältige Einflussfaktoren auf die individuelle Entscheidung, zeitliche und finanzielle Ressourcen in Weiterbildung einzubringen. Eines der wichtigsten Motive bleibt immer die Erhöhung der Kompetenzen, wobei der Faktor „Zeit“ ein zunehmend größeres Hemmnis wird. Wichtig ist, dass der Weiterbildungsmarkt an Transparenz gewinnen muss.3, 4 In der Zahnmedizin gibt es viele Fortbildungsangebote von unterschiedlichsten Anbietern. In den verschiedenen Berufsfeldern gibt es zudem eine variierende Bereitschaft zur Fortbildung. Das Fortbildungskonzept wurde im Präsenzmodell gehalten und den Pandemieauflagen entsprechend angepasst. Die erste Veranstaltung wurde als Präsenzveranstaltung nach den AHA-Regeln plus Lüften gestaltet. Die Folgeveranstaltung folgte dem 2G-Konzept. Die Teilnehmer waren Zahnärzte (Kunden eines Dentallabors). Die Einladung zu dieser Fortbildungsveranstaltung erfolgte ausschließlich über einen persönlichen Kontakt vonseiten des zahntechnischen Labors. Die Erstveranstaltung wurde in der Frontalunterrichtsform gestaltet, um eine zügige Einführung in die neue Thematik Acuris™ zu erzielen und die Fakten rasch und wirksam zu vermitteln.5 In der Folgeveranstaltung stellten die Teilnehmer ihre Acuris™-Patientenfälle vor. Die PowerPoint-Vorlagen wurden in der Erstveranstaltung samt Handling vorgestellt. Ebenso wurde detailliert erläutert, welche Aufnahmen zur Fallpräsentation gefordert sind. Es wurde die fotografische Dokumentation mittels Smartphone-Kamera angeraten. Jeder Teilnehmer erhielt einen USB-Stick mit allen Informationen zu dem System, inklusive Videofilme und Kontaktdaten zu den Ansprechpartnern.
Acuris™ als Anwendungsbeispiel in einem Fortbildungskonzept
Acuris™ ist ein analoges konometrisches Konzept. Seitens der Teilnehmer bedarf es keiner Investition in spezielles implantologisches Werkzeug außer in das konometrische Befestigungsinstrument (Abb. 1), das durch den implantologischen Außendienst von Dentsply Sirona im Begleitungsservice gestellt wurde. Ansonsten wurde nur das übliche und in den meisten Praxen vorhandene originale Werkzeug6 aus Drehmomentratsche und den passenden Systemschlüsseln (Ankylos, Astra EV, Xive, OmniTaper, PrimeTaper) benötigt. Bei der Zusammenarbeit mit einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen bestand die Möglichkeit, die Acuris™-Aufbauten in Gingivahöhe und Dimension in der chirurgischen Überweiserpraxis auswählen und inserieren zu lassen oder selbst zu tätigen (Abb. 2).
Chirurgie
Die Implantatinsertion erfolgt über eine mittels Bonemapping hergestellte Schablone. Ebenso ist der digitale Weg mit der Planungssoftware SIMPLANT über einen Intraoralscan und eine DVT-Aufnahme möglich. Dann kann eine SIMPLANT-Pilotschablone mit Bohrerführung für den ersten Bohrschritt oder mit Bohrtiefenkontrolle in Kombination mit dem Long-Stop-Bohrersystem verwendet werden. Auch der Full-Guided-Workflow ist mit der SIMPLANT-Universalschablone mit Bohrerführung für die vollständige Bohrsequenz möglich, wobei hier eine Bohrtiefenkontrolle in Kombination mit dem Long-Stop-Bohrersystem gegeben ist. Bei begrenztem Interokklusalraum können laterale offene Hülsen verwendet werden. Nach der Implantation erfolgt die offene oder gedeckte Einheilung der Implantate, wobei dann die typische Implantatfreilegung mit Insertion der Gingivaformer erfolgt. Die gewählten Implantate können zunächst mit Sulkus-/Gingivaformern versehen und nach Ausheilung der Schleimhaut mit den Acuris™-Aufbauten oder gleich mit diesen versorgt werden. Als Grundlage für die Acuris™-Aufbauten stehen die fünf Implantatsysteme von Dentsply Sirona Implants – Ankylos, Astra Tech Implant System, Xive, PrimeTaper und OmniTaper – zur Verfügung.
Technischer Ablauf chairside – erster Schritt
Nachdem die Schleimhaut um den eingesetzten Gingivaformer verheilt ist, werden die in Höhe und Angulation passenden konometrischen Acuris™-Aufbauten ausgewählt (Abb. 3 und 4). Diese werden dann mit dem korrekten Drehmoment (z. B. 15 Ncm bei Ankylos) fest angezogen. Hier ist unbedingt angeraten, die Originalratsche zu verwenden, da in der Prothetikratsche das Drehmoment vorgegeben und verbaut ist. In der Implantatosseointegrationsphase wurden bereits zwei individuelle geschlossene Abformlöffel hergestellt. Die entsprechende Abformkappe wird auf die Indexierung des Aufbaus ausgerichtet und bis zum hörbaren Einrasten festgedrückt (Abb. 5). Nun erfolgt die erste Abformung mit einem quadrafunktionalen A-Silikon (Aquasil Ultra) und wird ein zweites Mal durchgeführt, um die Position der konometrischen Acuris™-Aufbauten als Kontrollmodell für das zahntechnische Labor zu erfassen. Nach Prüfung, ob die Abformkappe korrekt und fest in der Abformmasse sitzt, wird die Abformung an das zahntechnische Labor versandt. Die Einheilkappen werden wieder auf die Acuris™-Aufbauten gesetzt. Alternativ lässt sich auch der digitale Weg mit einem Intraoralscanner gehen. Es wird ein Situationsscan vom Ober- und Unterkiefer mit in situ befindlichen Aufbauten erstellt. Dann wird die Abformkappe auf die Indexierung des Aufbaus ausgerichtet und bis zum hörbaren Einrasten festgedrückt. Im nächsten Schritt wird ein Aufbissschlüssel unter Integration der Abformkappe hergestellt. Als Material wird ein lichthärtendes Befestigungsmaterial (z. B. VOCO) verwendet.
„Zur Steigerung der Kompetenzen gibt es bereits ein breites und vielfältiges Angebot an Seminaren und Fortbildungsmöglichkeiten.“
Zahntechnischer Ablauf
Mithilfe des zugehörigen konometrischen Laboranalogs wird das Meistermodell gefertigt (Abb. 6), das natürlich mit Zahnfleischmaske hergestellt wird. Dieses wird mit dem Modell aus der Kontrollabformung verglichen. Als Zwischenschritt ist dieses sicherlich in der Anfangsphase der Lernkurve in der Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Labor sinnvoll, um den Patienten sicher in möglichst zwei Schritten zu behandeln. Im nächsten Schritt wird eine konometrische Laborkappe auf das Laboranalog gesetzt. Dann erfolgt die Modellation der endgültigen Keramikkrone. Hier kann jetzt noch eine Anpassungsprobe zur Überprüfung der Okklusal- und Approximalkontakte in der Zahnarztpraxis erfolgen. Diese sogenannte Rohbrandeinprobe ist aus Sicht der Autoren empfehlenswert. Nach diesem Zwischenschritt, der in der Erstversorgung unbedingt durchgeführt werden sollte, kann dann die Entfernung der Laborkappe aus der Keramikkrone im Labor erfolgen und somit die definitive Kappe auf die Indexierung ausgerichtet und auf das Laboranalog gesetzt werden (Abb. 7). Nun wird die Keramikkrone mit der finalen Kappe durch Zementierung verbunden (Abb. 8). Nach Versäuberung ist die zahntechnische Arbeit dann versandfertig für die Zahnarztpraxis (Abb. 9 und 10).
Technischer Ablauf chairside – zweiter Schritt
In der Zahnarztpraxis wird die Einheilkappe entfernt. Danach wird die Krone gemäß der Indexierung des Aufbaus ausgerichtet und mit der Hand „handfest“ auf den Aufbau gesetzt. „Die eigentliche Aktivierung des Konus erfolgt mit einem speziellen Befestigungsinstrument, das die Krone über einen Federimpuls mit werkseitig voreingestellter Impulsstärke auf das Abutment „drückt“ (Abb. 11). Für die okklusale Form der Krone stehen verschieden geformte Einwegspitzen (konvex, U-Form oder konkav) aus Kunststoff zur Verfügung. Das Befestigungsinstrument wird mit passender Spitze auf die Krone aufgesetzt und der Federmechanismus ausgelöst. Mit einem hörbaren „Klack“ löst der Befestigungsimpuls aus und drückt die Krone auf das Abutment. Damit sind eine klinisch stabile Friktion und ein dauerhafter Halt erreicht (Abb. 12 und 13). Bei Bedarf kann die Krone mit einer kompatiblen Kronenzange abgenommen und ohne Friktionsverlust wieder aufgesetzt werden.
Ergebnisse
Das Fortbildungskonzept sah zwei Veranstaltungen vor. Die Auftaktfortbildung mit Einführung in die Acuris™-Thematik und die Folgeveranstaltung mit der Präsentation der Acuris™-Erfahrungen in der eigenen Praxis. Die Fortbildungsgruppe umfasste bei der Auftaktfortbildung eine Teilnehmeranzahl von 25. Die Teilnehmer waren sich untereinander möglicherweise bekannt, hatten in dieser Konstellation noch nicht an einer Fortbildungsveranstaltung gemeinsam teilgenommen. Die Folgeveranstaltung zeigte eine 84%ige Teilnahme. Neun Praxen (42 Prozent) hatten jeweils Acuris™-Anwendungsbeispiele mitgebracht, fünf jeweils eine Einzelimplantatversorgung als Präsentation. Zwei Praxen hatten bei einem Fallbeispiel jeweils Acuris™-Kronen präsentiert, wobei in einem Fall die beiden Acuris™-Kronen direkt benachbart waren und im zweiten Fall die Acuris™-Kronen jeweils im Ober- und Unterkiefer lagen. Ein Teilnehmer hatte drei Acuris™-Kronen nebeneinander in den Positionen 24, 25, 26 nach vorherigem Sinuslift in diesem Quadranten zur Präsentation beigesteuert, war aber persönlich nicht erschienen. Die Ergebnisse wurden auf Wunsch der Teilnehmer vom Referenten vorgetragen. Im Nachgang der Veranstaltung konnte beobachtet werden, dass in zwei Praxen weiterhin für die Acuris™-Anwendung eine Indikation gesehen wird und dieses Konzept einen Eingang in den Praxisalltag gefunden hat. Dies entspricht einer Erfolgsquote von 22,2 Prozent.
Tipps zum Acuris™-Konzept
In der Zahnarztpraxis hat es sich als hilfreich herausgestellt, dass neben der typischen Acuris™-Abformung mit der konometrischen Abformkappe zusätzlich eine Situationsabformung oder -scan erfolgt. So hat der Zahntechniker ein Kontrollmodell, um den Sitz der konometrischen Abformkappe zu überprüfen. Bei identischer Ausrichtung der konometrischen Aufbauten kann die zahntechnische Arbeit beginnen. Eine weitere Hilfe kann die Übertragung der Acuris™-Abformkappen-Innenkonfiguration auf die Außenfläche der konometrischen Abformkappe sein (Abb. 14). Dieses erleichtert die korrekte Ausrichtung der Abformkappe beim Einbringen. Im Labor ist das Anbringen eines Wachsrandes an der konometrischen finalen Kappe vor der Zementierung mit Multilink Hybrid Abutment der Firma Ivoclar Vivadent mit der definitiven Krone ein wichtiger Aspekt. So lassen sich die Zementüberschüsse leichter entfernen und der Rand der finalen Kappe bedarf nicht der Bearbeitung betreffend der Zementüberstände (Abb. 15–18).
Fazit
Wöstmann et al. schrieb auf zm online 2020: „Aus heutiger Perspektive ist insgesamt davon auszugehen, dass die digitale Abformung mittel- und langfristig die konventionelle Abformung vollständig ersetzen wird. Für zahlreiche Indikationen, insbesondere kurzspannige festsitzende Restaurationen, Implantatversorgungen und zur Planung und Hilfsmittelherstellung, stehen verschiedenste Workflows und Möglichkeiten zur Verfügung, die eine echte Alternative und in vielen Fällen sogar eine Verbesserung gegenüber analogen Verfahren darstellen.7 Viele Zahnärzte [sehen] noch nicht die Notwendigkeit, ihr bisher ihrer Ansicht nach funktionierendes System zu verlassen, einen neuen Workflow zu erlernen und in die Praxis zu integrieren.8 So kam Anne Daszkowski in ihren Untersuchungen zu der Erkenntnis, „dass bei […] Zahnärzten kein selbst imitierter aktiver Informationsbeschaffungsprozess stattfindet. Die Thematik der Wissensentwicklung war für die befragten [Zahnärzte] offenbar keineswegs konkret. Die Fragestellung, wie neues Wissen in den Praxisalltag integriert wird, nimmt im Bewusstsein der Zahnärzte keinen zentralen Platz ein.9 In diesem Beitrag konnte gezeigt werden, dass trotz des Trends der Digitalisierung ein analoges konometrisches Konzept wie Acuris™ auf Interesse stößt und nach der entsprechenden Einführung in die Thematik mit begleiteter Erstanwendung und Rückkopplung in einer Fortbildungsgruppe seinen Weg in den Praxisalltag findet.
Der Vorteil der zementfreien Versorgung wird als Benefit geschätzt – die Retention durch Friktion. Die Lockerung der Verbindungsschraube zwischen Abutment und Implantat kann auftreten; je nach Statistik bzw. Untersuchung im Mittel zwischen 5 und 39 Prozent.10 Insgesamt sollte dem Gebrauch von Originalschraubendrehern im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung aufgrund vergleichsweise hoher erzielbarer Friktionswerte mit gering bis gar nicht entstehenden Verschleißerscheinungen am Schraubenkopf der Abutmentschraube Vorzug geboten werden, um […] Schraubenlockerungen weitestgehend zu minimieren.6 Bei Acuris™ kann im Falle einer auftretenden Schraubenlockerung die Krone mit einer speziellen Zange ohne Schaden wieder entfernt und ebenso refixiert werden. Dieser Vorteil wurde von Teilnehmern geschätzt.
Die Literaturliste können Sie hier herunteladen.
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Acuris™ – Anwendung und Blickwechsel in der zahnärztlichen Fortbildung“ im IJ Implantologie Journal erschienen.
Weitere Autoren: ZA Torsten Lohmann, Martin Gallikowski und Ralf Kretsch