Branchenmeldungen 23.04.2013
Zwei-Klassen-Versorgung beim Zahnersatz?
Die zahnärztliche Grundversorgung in Deutschland ist nach Auffassung von Krankenkassen und Zahnärzten gut. Doch beim Zahnersatz zeigt sich eine zunehmende Kluft zwischen gesetzlich und privat Versicherten.
Zahnersatz wird nach Einschätzung der Krankenkasse Barmer GEK zunehmend zum privaten Luxus. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass die Kosten für Kronen, Brücken und Implantate steigen. Zugleich müssen Patienten einen größeren Anteil der Kosten selbst tragen. Das ist das Fazit des Zahnreports 2013, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach betrugen die Durchschnittskosten für Zahnersatz im Erhebungsjahr 2009 etwa 1400 Euro pro Person. Das entspricht einem Anstieg von 18 Prozent seit 2005. Über die Hälfte der Kosten – im Durchschnitt 776 Euro – mussten Patienten selbst aufbringen.
„Die aktuellsten Zahlen zum Zahnersatz stammen von 2009. Für 2013 rechnen wir mit einem privaten Kostenanteil von nahe 60 Prozent. Der Rest wird über den Festzuschuss der Krankenkassen beglichen“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker.
Die Gründe für den stetigen Aufwärtstrend sieht Schlenker vor allem in der mangelhaften Transparenz der zahnärztlichen Behandlung. Zahnersatz sei so teuer, weil die Beratung der Zahnärzte häufig auf höherwertige Materialien wie Keramikfüllungen abziele. Nirgendwo sonst im Gesundheitswesen sei die Aufspaltung in eine Basisversorgung und privat zu zahlende Premiumbehandlungen weiter fortgeschritten. „Es muss den Versicherten klipp und klar gesagt werden, was an Kosten auf sie zukommt“, so Schlenker.
Die Bundeszahnärztekammer sieht in den steigenden Kosten ein wachsendes Qualitäts- und Gesundheitsbewusstsein der Deutschen. „Der Patient entscheidet, welche Erwartungen und Ansprüche er an seinen Zahnersatz hat“, erklärte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Peter Engel. Neue technische Entwicklungen in der Zahnversorgung würden eine größere Bandbreite an Möglichkeiten ergeben. Eine höherwertige Versorgung bedeute zugleich höhere Material- und Laborkosten. Diese machten etwa 60 bis 70 Prozent der Gesamtkosten aus.
Dem Zahnreport zufolge haben sich 2009 etwa 11,5 Prozent der Deutschen einer Zahnbehandlung unterzogen, bei der entweder neuer Zahnersatz eingesetzt oder vorhandener repariert wurde. Die Analyse basiert laut Barmer auf den Behandlungsdaten von etwa 1,7 Millionen Versicherten der ehemaligen GEK-Krankenkasse. Die Ergebnisse sind damit repräsentativ.
Quelle: dpa
Versorgung mit Zahnersatz auf hohem Niveau – Patienten können zwischen einfacher und anspruchsvoller Versorgung wählen
Patienten stehen viele Wahlmöglichkeiten beim Zahnersatz zur Verfügung, resümiert die Bundeszahnärztekammer anlässlich der Daten des aktuellen BARMER GEK „Zahnreports“.
„Von einer kostengünstigen Versorgung über die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (mehr als zwei Drittel aller Fälle) bis zur Zuzahlung in mehreren Abstufungen bei höherwertigen und höchst ästhetischen Lösungen hat der Patient eine breite Palette an Optionen“, erklärt der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel. „Hier kann weniger von einer Kostenbelastung gesprochen werden – denn hier entscheidet der Patient, welche Erwartungen und Ansprüche er an seinen Zahnersatz hat - als von wissenschaftlich anerkannten Therapieoptionen.“
Eine
höherwertige Versorgung zieht in der Regel auch höhere Material- und
Laborkosten nach sich, immerhin 60 bis 70 Prozent der Gesamtkosten. Das
veränderte Entscheidungsverhalten der Patienten aufgrund neuer
wissenschaftlicher und technischer Möglichkeiten ist ein Indiz für ein
gestiegenes Gesundheits- und Qualitätsbewusstsein.
„Eine
qualitativ hochwertige Behandlung und Teilhabe am wissenschaftlichen
Fortschritt sollte für Patienten der privaten und gesetzlichen
Krankenversicherungen nach ihrer eigenen Entscheidung möglich sein“, so
Engel.
Offizielles Statement der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)
Zahnmedizinische Prävention gemeinsam verbessern
In Berlin ist jüngst der „Barmer GEK Zahnreport 2013“
vorgestellt worden. Dazu erklärt der Vorsitzende des Vorstandes der
Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Jürgen Fedderwitz:
„Es
ist gut, wenn sich gesetzliche Krankenkassen verstärkt mit Fragen der
zahnmedizinischen Versorgung auseinandersetzen und Berichte
veröffentlichen. Dann können wir die Ergebnisse mit unseren eigenen
Untersuchungen in den Zahnärzteorganisationen abgleichen, z.B. unseren
regelmäßigen deutschlandweiten Mundgesundheitsstudien. Der Barmer GEK
Zahnreport deckt sich in vielen Punkten mit den Analysen der
Zahnärzteschaft. Er bestätigt, dass es Betreuungs- und
Versorgungsbereiche gibt, in denen wir alle gefordert sind noch besser
zu werden. Das gilt für die Zunahme von frühkindlicher Karies, die auch
wir mit Sorge beobachten. Wir erarbeiten derzeit ein Versorgungskonzept,
das eine präventive zahnmedizinische Betreuung der 0- bis 3-Jährigen
gewährleistet. Das gilt aber auch für die zahnmedizinische Versorgung
von alten Menschen, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung, für
die wir bereits ein Versorgungskonzept vorgelegt haben. Hier haben wir
schon ein Etappenziel erreicht, denn seit 1. April sind Haus- und
Heimbesuche von Zahnärzten einfacher geworden. Ohnehin ist für uns die
Forderung nach einer Ausweitung zielgerichteter Präventionsmaßnahmen für
alle Bevölkerungsgruppen eines der wichtigsten Ergebnisse des
Zahnreports. Lösungen im Sinne der Patienten können wir hier nur
gemeinsam umsetzen. Deswegen laden wir die Barmer GEK und alle anderen
Krankenkassen zu einer offenen Diskussion über die Betreuung von
zahnmedizinischen Risikogruppen ein.
Nicht einverstanden sind wir
mit einigen Schlussfolgerungen des Zahnreports 2013 im
Versorgungsbereich Zahnersatz: Es gibt keine anhaltende Tendenz zur
Privatisierung der vertragszahnärztlichen Versorgung. Und wir können
auch keine finanzielle Überforderung der Patienten feststellen. Das
Honorar für private Zusatzleistungen bei Füllungen und Zahnersatz hat im
Jahr 2011 nur rund zehn Prozent des Gesamthonorars für die Behandlung
von gesetzlich Krankenversicherten ausgemacht. Die Eigenanteile der
Versicherten haben sich auch ausweislich des Barmer-Reportes seit 2006
kaum verändert.
Das seit 2005 geltende Festzuschusssystem für
Zahnersatz funktioniert sehr gut und ist bei den Patienten akzeptiert.
Es ist sozial sensitiv und verhindert durch eine Härtefallregelung
übermäßige finanzielle Belastungen. Patienten können sich darauf
verlassen, dass die Regelversorgung dem aktuellen wissenschaftlichen
Standard entspricht und die Teilnahme am wissenschaftlichen Fortschritt.
Denn das Festzuschusssystem ist als lernendes System angelegt. Die
Regelversorgung wird vom Gemeinsamen Bundesauschuss turnusmäßig geprüft
und bei Bedarf angepasst. Leistungen, die über die Regelversorgung
hinausgehen, dienen meistens der Ästhetik und dem Komfort. Dass
Patienten dafür selbst aufkommen sollen, halte ich für legitim – zumal
sich der Eigenanteil über eine Zahnzusatzversicherung deutlich
reduzieren lässt. Nicht legitim ist die alte Forderung der
Krankenkassen, private Leistungen kontrollieren zu wollen. Ich habe den
Eindruck, unsere Patienten sehen das genauso.“