Branchenmeldungen 03.06.2022
„Bei verschachtelten Zähnen geht mir das Herz auf“
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Leidenschaft für Ästhetik und Zahntechnik widersprechen sich! So dachte zumindest der heutige ZT Anthimos Maki Tolomenis, wurde aber schnell eines Besseren belehrt. Auf den Wunsch seiner Mutter – ein anständiges Handwerk zu erlernen und nicht auf der Straße zu landen – entsprang seine große Leidenschaft: die Zahntechnik. Im Interview beschreibt Maki Tolomenis diese Leidenschaft und stellt sich der einen oder anderen Frage, die über die technischen Aspekte hinausgeht.
Maki, ich habe dich zum ersten Mal auf der Zahntechnik plus als Referenten erlebt, und ich muss sagen: Jeden Skeptiker der Zahntechnik hättest du nach deinem Vortrag von deinem Fach überzeugt. Woher kommt diese Leidenschaft für die Zahntechnik?
Vielen Dank – so was hört man doch gerne! Es hat eigentlich nicht mit wirklich viel Leidenschaft begonnen: Meine Mutter war der ausschlaggebende Punkt. Als meine Eltern damals als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, war es ihre Angst, dass ich nach der Schule nicht von der Straße komme, groß. Denn je länger man da ist, desto mehr Dummheiten stellt man an. Meine Mutter kam dann auf die Idee: Du machst was mit Zahntechnik. Eine große Wahl hatte ich also nicht wirklich. Ich wollte eigentlich eher in die künstlerische Richtung, aber sie wollte, dass ich etwas Solides lerne, und was die griechische Mama sagt, wird gemacht. In der Zahntechnik ist es aber so, wenn du keinen hast, der dir wirklich etwas beibringt, dann entwickelst du auch keine Leidenschaft.
Ich hatte aber das Glück: Und zwar habe ich bei Thomas Sing einen Kurs besucht – ein grandioser Zahntechniker und heute auch einer meiner engsten Kumpels. Netterweise hatte mir den Kurs mein damaliger Chef finanziert, weil ich selbst nicht die Kohle dafür hatte. In diesem Kurs habe ich gesehen, was in der Zahntechnik wirklich möglich ist. Eindeutig der Startschuss für meine Leidenschaft! Ich dachte: Ich will genau das machen, was der auch macht. Ich will auch so gut sein wie die anderen. Ich kann jedem nur empfehlen, macht Kurse, bildet euch weiter und guckt euch an, was möglich ist. Es kann immer der eine Kurs dabei sein, der die ganze Sichtweise verändert – das war bei mir eindeutig der Kurs von Thomas Sing.
Wie sieht die erste Stunde im Alltag von Maki Tolomenis aus?
Ich bin eine superfaule Socke. Wenn der Wecker klingelt, mache ich den bestimmt noch mindestens sechsmal aus, bevor ich aufstehe. Wenn ich dann endlich mal aufstehe, dann ziehe ich Jogginghosen an. Ich gehe nie im feinen Zwirn aus dem Haus, und damit gehe ich auch erst recht nicht arbeiten. Im Auto starte ich dann erst mal mit Kaffee und einer Zigarette. Seitdem ich bei uns im Labor eingestiegen bin, habe ich ein Ritual etabliert: Mein Partner und ich, wir treffen uns vor jedem Arbeitsbeginn und starten den Tag – egal wie stressig es auch werden sollte – mit einer Umarmung. Das brauche ich einfach. Wir trinken dann zusammen einen Kaffee und besprechen den Tag. So sieht eigentlich immer mein normaler Start in den Alltag aus.
Du hast zusammen mit deinem Partner Anton Sawizki ein eigenes Dentallabor. Wie schafft ihr es, euch in Zeiten von Fachkräftemangel jeden Tag zu motivieren?
Anton ist ein überaus talentierter und präziser Techniker. Wir haben hohe Anforderungen, und es ist dann teilweise schwierig, gute Kräfte zu bekommen. In der Regel suchen wir aber nie wirklich nach fertig ausgebildetem Personal, sondern bilden lieber selbst aus. Wir sind ein kleiner Betrieb – viel mehr eine kleine Familie –, Michelle macht bei uns das Büro und Lea hat ihre Ausbildung bei uns absolviert und unterstützt uns als Zahntechnikerin. Aktuell suchen wir schon seit zwei Jahren einen neuen Auszubildenden. Das muss aber einfach passen, und zwar menschlich sowie technisch. Unsere Ansprüche sind hoch, und leider ist es aktuell unheimlich schwer, jemanden zu finden, der wirkliches Talent mitbringt. Wir hatten schon einige potenzielle Kandidaten, die aber mit ihrer Probearbeit nicht fertig geworden sind. Wir haben ihnen dann einen weiteren Tag zum Fertigstellen geschenkt, aber die geben dann einfach auf. Aktuell hat keiner den Biss, den wir suchen. Ich habe damals 14 Stunden an dem Block gesessen, um zu beweisen, dass ich der Richtige für die Ausbildung bin – so was suchen wir auch.
Bei uns ist noch etwas anders als in anderen Betrieben: Unsere Mitarbeiter entscheiden mit, wer eingestellt wird. Nur wenn alle einverstanden sind, stellen wir ein, denn es muss für uns als Team – als Familie – passen. Wir halten unseren Betrieb absichtlich klein und können dann die fehlende Arbeitskraft recht gut überbrücken. Ein weiterer Vorteil: Unsere Kunden sind enge Freunde. Die haben Verständnis, wenn es wirklich mal knapp werden sollte.
Wie wichtig ist dir die Kommunikation mit dem Patienten?
Für mich ist das das Allerwichtigste. Der Patient steht bei uns im Mittelpunkt, der Zahnarzt kommt erst später. Wir haben da auch unser eigenes Konzept: Der Patient wird von seinem Zahnarzt – nach Feststellung des Behandlungsbedarfs – erst mal zu uns geschickt, bevor diese Behandlung richtig startet. So kann vermieden werden, dass der Zahnarzt etwas umsetzen will, was aus zahntechnischer Perspektive gar nicht umsetzbar ist. In der ersten Viertelstunde unterhalten wir uns mit den Patienten immer erst über persönliche Dinge, um herauszufinden, was für ein Mensch da vor uns sitzt: Was sind seine Wünsche, wie können wir Funktion und Ästhetik für ihn miteinander verbinden. Beim zweiten Termin versuchen wir diese Wünsche mithilfe eines Mock-ups oder Ähnlichem umzusetzen, und erst, wenn der Patient mit dem Ergebnis einverstanden und glücklich ist, geht es zurück zum Zahnarzt.
Der Patient steht für mich an allererster Stelle, der Wunsch des Zahnarztes ist dabei erst mal völlig unwichtig. Am Anfang war es sehr schwer, Zahnärzte von dieser Arbeitsweise zu überzeugen, aber unsere Zahnärzte sind fein damit und kennen es auch nur so. Denn am Ende ist es für sie stressfreier, sie müssen nur noch schleifen.
Was war der schlimmste Job, den du jemals machen musstest, bevor du zur Zahntechnik kamst?
Das Geld war bei uns anfangs immer sehr knapp. Ich wollte meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen und habe deshalb mit 14 Jahren angefangen, in Supermärkten als Aushilfe zu arbeiten. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass das ein wirklich schlimmer Job war. Vielmehr hat es mir ein gutes Gefühl gegeben. Später lief das Restaurant meiner Eltern sehr gut und ich half dort regelmäßig aus – das war für mich viel schlimmer. Nicht, weil ich es zu anstrengend fand, sondern weil ich gesehen habe, wie sich meine Eltern kaputtgearbeitet haben. Das konnte und wollte ich mir nicht anschauen.
Wie hältst du eine gute Work-Life-Balance aufrecht?
Zunächst muss ich sagen, dass ich als Selbstständiger viel weniger arbeite, als ich es im Angestelltenverhältnis getan habe. Man kann in der Zahntechnik nicht wirklich viel planen, es gibt mal einen Monat, in dem man richtig Gas geben muss, und im nächsten ist dann wieder weniger los. Mittlerweile haben sich auch meine Prioritäten verändert. Ich bin jetzt 42 und achte mehr auf mich, meinen Körper und meinen Geist. Anfangs habe ich mehr Sport gemacht, aber dafür bin ich einfach zu faul. Deshalb habe ich das wieder eingestellt. Ich habe mir ein Motorrad zugelegt, verbringe viel Zeit mit meiner Familie und mit meinen Freunden. Und zwar mit Freunden, die zwar Zahntechniker und Zahnärzte sind, aber privat auch gut ohne Zähne auskommen. Ich bekäme die Krise, wenn ich auch noch in meinem Privatleben den ganzen Tag über Zähne reden müsste.
Wenn du nicht über Zähne reden willst, achtest du dann aber trotzdem auf die Zähne anderer?
Total. Das ist eine echte Berufskrankheit. Mir gefallen alle Zähne! Wenn jemand ganz verschachtelte Zähne hat, geht mir richtig das Herz auf – supergerade und weiße Zähne mag ich nicht. Das ist einfach langweilig. Grundsätzlich schau ich den Leuten nie in die Augen, sondern immer auf die Zähne. Meine Mama hat immer gesagt: Zähne sind der Spiegel eines Menschen. Das ist wirklich so, und dabei ist es mir egal, ob die gerade, schief oder sonst wie sind. Es fasziniert mich einfach.
Perfektionismus wird in eurem Labor großgeschrieben. Wer darf dir sagen, wenn du bei deinen Arbeiten etwas falsch gemacht hast?
Jeder! Grundsätzlich versuche ich, mich nicht zu messen, denn es wird immer bessere und schlechtere Arbeiten geben. In all den Kursen, an denen ich über die Jahre teilgenommen oder die ich auch selbst gegeben habe, gibt es immer jemanden, der etwas besser oder anders macht und von dem man wirklich etwas lernen kann. Deswegen glaube ich, sollte man auch denen zuhören, die vielleicht technisch nicht so versiert sind. Es geht um den Blickwinkel.
Wenn du einen Wunsch für den Zahntechnik-Markt frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Ich habe einen Rette-die-Welt-Wunsch, aber der ist wirklich ziemliches Wunschdenken. Ich würde mir wünschen, dass jeder das Recht auf geile Zähne hat. Nicht nur die Oberschicht sollte sich diese leisten können, denn leider bietet der Markt das Beste gerade nur zu horrenden Preisen an. Ich würde meinen Kunden gerne günstige Angebote machen, aber als Labor überleben wir leider nicht, wenn wir die Zähne an die Patienten verschenken.
Für die Zahntechnik an sich wünsche ich mir weitere digitale Entwicklungen, aber nur solche, bei denen der Techniker und dessen manuelle Skills nach wie vor gebraucht werden. Es ist ein Handwerk und sollte daher nicht nur von Maschinen beherrscht werden, da gehen das ganze Flair und die Schönheit der Schichtung verloren. Ich würde mir wünschen, dass sich der Trend wieder in Richtung Schichtung entwickelt, aber auch das ist Wunschdenken. Aber ich hoffe, dass es noch lange so bleibt, wie es jetzt ist, zumindest solange ich noch Zahntechnik mache.
Vielen Dank, Maki! Es hat sehr viel Spaß gemacht!
Hands GmbH
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Dieser Beitrag ist in der ZT Zahntechnik Zeitung erschienen.