Branchenmeldungen 28.02.2011
Das kleinstmögliche Eingreifen sichert den größtmöglichen Erfolg
Die Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie e.V. (ADT) ist vom 21. bis zum 23. Mai 2009 zu ihrer 38. Jahrestagung in Stuttgart zusammengekommen. Das Motto des dreitägigen Fachprogramms lautete "Restaurative Zahnheilkunde für jung und alt". Im Zentrum der Vorträge, Diskussionen und Workshops standen demzufolge die minimalinvasiven Behandlungsmethoden.
Welch vielseitige Herangehens- und Betrachtungsweisen aus der Forderung nach jenem minimalen Eingreifen der Zahnmedizin und Zahntechnik erwachsen können, verdeutlichten mehr als 20 namhafte nationale und internationale Referenten. Nicht unerwartet beschäftigten sich zahlreiche Fragen mit der Verwendung von Zirkoniumdioxid. Mehrfach wurde dessen beispielhafte Biokompatibilität bei der Heilung zuvor traumatisierter Gingiva hervorgehoben. ZTM Enrico Steeger betonte den Vorteil von Arten dieses Werkstoffes, die inzwischen keinerlei Abrasion an natürlichen Zähnen verursachen. Dennoch sieht die Fachwelt in dem Material keineswegs ein ultimatives Allheilmittel. Stellvertretend lobte ZTM Bernhard Egger das Abflauen der Euphorie rund um Zirkoniumdioxid, was seit geraumer Zeit zu einer kritischeren Auseinandersetzung geführt habe.
Planung noch aufwendiger
Noch vor der Frage nach den verwendeten Werkstoffen entscheidet etwa eine auf jeden einzelnen Patienten individuell ausgerichtete Planung über den Erfolg der kompletten Behandlung. Minimalinvasives Vorgehen verlangt nach einer enormen Informationsmenge in Bezug auf die Ausgangssituation. So kann beispielsweise eine elektronische Registrierung der Kiefergelenksbewegungen wichtige individuelle Parameter ermitteln, die in den folgenden Schritten entsprechend Beachtung finden. Neben der Erfassung von Daten spielt deren Übermittlung an den richtigen Adressaten eine wesentliche Rolle. Hier kommt es vor allem auf die Qualität des Zusammenspiels von Zahnärzten und Zahntechnikern an. So verglich Dr. Albrecht Schmierer die Beziehung zu seinem Zahntechnikmeister mit einer Paar-Beziehung, die ähnlich empfindsam sei und vergleichbare Pflege brauche. Wie professionelle Zusammenarbeit zwischen beiden Beteiligten heute aussehen kann, führte Dr. Friedhelm Heinemann während seines Auftritts vor. Per Internet und Telefon ließ er sich mit seinem Partner ZTM Eike Erdmann verbinden, der gerade auf Mallorca im Urlaub weilte. Beide demonstrierten mit Hilfe einer interaktiven Fernsteuerungs-Software, wie flexibel die Kooperation zugunsten der Patienten gestaltet werden kann.
Dr. Friedhelm Heinemann demonstrierte während seines Vortrages, wie eine interaktive Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker aussehen kann.
Technologischer Wandel hält an
Flexibilität und Feinabstimmung sind auch wichtige Anforderungen an moderne Fertigungsverfahren bei der Herstellung von Zahnversorgungen. Die ersten Vorträge auf der ADT zur CAD/CAM-Technologie in den 1990er Jahren ließen weite Teile des Publikums kopfschüttelnd zurück. Mittlerweile ist das Kürzel fester Bestandteil des dentalen Berufsalltags. Und schon bald kommt vielleicht eine ebenso selbstverständliche Abkürzung hinzu. Diese Vermutung äußerte zumindest Prof. Dr. Daniel Edelhoff. Er nahm das Auditorium mit auf seinen Weg zum „digital workflow“, der sich seiner Meinung nach über kurz oder lang um das Computer Aided Imaging (CAI) erweitern wird. Diese Entwicklung werde das Berufsbild des Zahntechnikers entscheidend verändern, ohne ihn jedoch aus der gesamten Fertigungskette zu verdrängen.
Ältere Patienten gewinnen in Zukunft an Bedeutung
Warum der Schwerpunkt der diesjährigen ADT auf den minimalinvasiven Maßnahmen und der Prävention lag, unterstrich Prof. Dr. Ingrid Grunert aus Innsbruck mit ihrem Referat zur Geroprothetik. Aufgrund des jahrelangen Geburtenrückgangs und der sich kontinuierlich verlängernden Lebenserwartung kommen immer mehr ältere Patienten mit immer mehr festsitzenden Zähnen auf Ärzte und Techniker zu. Bereits heute erweist sich eine Differenzierung in junge „Alte“, alte „Alte“ und sehr alte „Alte“ als sinnvoll. Neben dem Alter an sich unterscheiden sich die Gruppe inter- und intraindividuell durch ihren allgemeinen Gesundheitszustand, ihren sozialen Status, ihr geistiges Vermögen, ihre Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit sowie ihre Wünsche nach einer prothetischen Versorgung. Ähnlich vielfältig ist entsprechend die Wahl zwischen festsitzenden und herausnehmbaren Lösungen bzw. Hybridformen.
Obwohl auch Grunert betonte, dass festsitzender implantatgetragener Ersatz bisher weniger als fünf Prozent der gesamten Versorgung ausmache, wurde auch in Stuttgart die Frage der Langzeitstabilität von Implantate mehrfach angesprochen. Prof. Dr. Christoph Bourauel präsentierte Ergebnisse einer Studie, die verdeutlichte, dass etwa Feinstrukturen in Form von Gewinden am Implantatkopf eine spätere Auslenkung des Implantats deutlich einschränken können. Und auch im Vorfeld des Einsetzens der permanenten Versorgung auf dem Implantat steht Patienten eine weitere Option offen. So können Provisorien für Sofort-Implantate ihren Wunsch nach einer sofortigen festsitzenden Versorgung erfüllen. Dr. Thomas Prieshoff präsentierte dafür seine Entwicklung einer semipermanenten Sofortversorgung auf Grundlage einer Kunststoff-Krone. Die ermögliche dem Labor zusätzlich ein wirtschaftlicheres Arbeiten.
Das ist in Zeiten der Krise auf den nationalen und internationalen Märkten dringend geboten.
Festredner fordert Umdenken in der Krankenversorgungen
Das sah nicht nur Lothar Späth (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, so. In seinem Festvortrag wollte der ausgewiesene Wirtschaftsexperte aber ganz bewusst Zuversicht verbreiten. Schließlich sei Gesundheitswesen insgesamt ein bedeutender Beschäftigungsmotor, der die Automobilbranche um das Fünffache übertreffe. Ihr Motor müsse aber am Laufen gehalten werden. Dafür forderte Späth mehr Flexibilität in der Krankenversorgung. Anstelle des Gesundheitsfonds befürwortete er ein Drei-Säulenmodell aus privater und gesetzlicher Vorsorge, das um Einzelprogramme mit weiteren Einsparmöglichkeiten ergänzt werden könnte. Seit der Einführung des Fonds zum Jahresbeginn hätten die Bürger rund 1,4 Millionen Zusatzversicherungen abgeschlossen. Dies zeige deutlich, welches Potenzial derzeit brach liege. Die Wirtschaftskrise sei aber nur eine Herausforderung neben anderen. Die Veränderungen in der Alterspyramide in Deutschland würden die Gesellschaft wesentlich nachhaltiger treffen.
Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Lothar Späth (CDU) riet dem Zahntechniker-Handwerk, auch in Zeiten der Wirtschaftskrise Mut zum Anpacken zu zeigen.
Ehrungen für langjährige Verbündete der ADT
Zu Beginn der 38. Jahrestagung der ADT, die gleichzeitig den 30. Geburtstag des Vereins bedeutete, hatte am Donnerstag Prof. Heiner Weber. 1. Vorsitzender der ADT, zwei Auszeichnungen vergeben. Wolfgang van Hall wurde für seine langjährigen Verdienste im Zusammenhang mit der Organisation der Jahrestagung die Ehrenmitgliedschaft der ADT zu teil. Er habe als Vordenker geholfen, das Sponsorensystem mit ins Lebens zu rufen. „Sie sind als Vertreter eines internationalen Unternehmens das beste Beispiel für den gegenseitigen Wissensaustausch und damit den beiderseitigen Gewinn von Industrie und Wissenschaft“, sagte Weber. Van Hall freute sich sichtlich über die Aufnahme in den erlesenen Kreis. „Ich werde die ADT auch künftig unterstützen, wenn möglich, noch mehr als bisher“, versprach van Hall.
Wolfgang van Hall, Geschäftsführer der SHOFU Dental GmbH, wurde die Ehrenmitgliedschaft der ADT verliehen.
Anschließend erhielt ZTM Günter Rübeling den Preis der ADT für sein Lebenswerk. Der Inhaber des goldenen Meisterbriefes habe nicht nur die Technologie der Funkenerosion für die Zahntechnik nutzbar gemacht und international verbreitet, sondern sich auch als einer der ersten dem Problem der Belastbarkeit von Suprakonstruktionen gewidmet. „Da hast als umtriebiges Mitglied der ADT mehr Vorschläge für Vorträge eingereicht, als wir berücksichtigen konnten und bist trotzdem nie beleidigt gewesen, wenn wir dir absagen mussten“, so Weber. Rübeling dankte dem gesamten Vorstand für die Ehrung und erinnerte an seinen ersten Vortrag zur Funkenerosion auf der ADT 1982. „Damals und auch in den Jahren danach habe ich hier stets ein sehr interessiertes Publikum gehabt.“
ZTM Jochen Birk (li.) und Dr. Heiner Weber (re.) überreichen ZTM Günter Rübeling den "Stein des Weisen" für sein Lebenswerk.
Nächste Tagung wird für Weber die letzte
Am Rande der Auszeichnungen gab Weber bekannt, nur noch im kommenden Jahr die ADT als Organisator mitzugestalten. Er werde bei den nächsten Vorstandswahlen nicht erneut für den Vorsitz kandidieren. In Zukunft wolle sich Weber verstärkt anderen Dingen zuwenden. Die 39. Jahrestagung der ADT wird 2010 voraussichtlich vom 3. bis zum 5. Juni stattfinden.
Quelle: OEMUS MEDIA AG, 26.05.2009