Branchenmeldungen 13.06.2025

„Der Freie Verband ist ein langfristiger und verlässlicher Partner auf Augenhöhe“  



Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) feiert seinen 70. Geburtstag. Seit 1955 vertritt er unabhängig und ungebremst die Interessen von Zahnärztinnen und Zahnärzten – für eine selbstbestimmte zahnärztliche Berufsausübung zum Wohle der Patienten. Der Bundesvorsitzende Dr. Christian Öttl wirft einen Blick zurück, in die Gegenwart und in die Zukunft. 

„Der Freie Verband ist ein langfristiger und verlässlicher Partner auf Augenhöhe“  

Foto: FVDZ/Jürgen Schwarz

Herr Öttl, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag des Verbandes und dass es den FVDZ auch nach so langer Zeit noch gibt! Wie hat 1955 alles begonnen? Warum brauchte es den Verband damals?  

Der FVDZ ist zunächst als Notgemeinschaft deutscher Zahnärzte entstanden. Gründungsvater war Dr. Wolfgang Mzyk, ein niederbayerischer Zahnarzt. Er hat den Verband 1955 mit ein paar Kollegen in Bingen am Rhein ins Leben gerufen, um allen Zahnärzten eine Kassenzulassung zu ermöglichen. Damals hatten sich nämlich die Krankenkassen Zahnärzte ausgesucht, mit denen sie zusammenarbeiten wollten. Wer nicht ausgewählt wurde, erhielt keine Zulassung. Und das wollten Mzyk und seine Mitstreiter nicht akzeptieren. Verständlich. Der Gründungsvater hat sich unerschrocken mit den Kassen und der Politik angelegt. Er galt als politisches Enfant terrible. 

Wie ging es dann weiter? Wofür hat sich der Verband seit der Gründung stark gemacht? Was waren die Herausforderungen? 

Der Freie Verband ist vom Erkämpfer der Kassenzulassung zum Verteidiger der vertragszahnärztlichen Freiheit geworden. Der FVDZ tritt für die freie Berufsausübung und Therapiefreiheit ein und hat immer versucht, den Zahnärzten so viele Freiheiten wie möglich zu verschaffen, damit sie frei von politischer Gängelei praktizieren können.  

Nach dem Kampf um die Zulassungen wurde in den 1970er Jahren der Zahnersatz in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen. Damals hatten die Kassen viel Geld zur Verfügung, bis in den 90er Jahren die Budgetierung eingeführt wurde. 1998 kam es zu einer weiteren Herausforderung: Plötzlich war Zahnersatz nicht mehr Teil des Leistungskatalogs, sondern musste rein privat bezahlt werden. Davon ist der Gesetzgeber aber bereits 1999 wieder abgerückt. Danach wurde das System der Festzuschüsse eingeführt. Der FVDZ hat auch für die bessere Honorierung von Alternativen zum Amalgam gekämpft und erreicht, dass sich Patienten gegen Aufpreis zum Beispiel auch Keramikfüllungen einsetzen lassen können, ohne den Sachleistungsanspruch zu verlieren. Der Verband hat dafür gesorgt, dass es bei Füllungen neben einer wirtschaftlichen einfachen Versorgung auch abgestufte bessere Versorgungen gibt. Zudem hat der FVDZ erreicht, dass 2007 die Zulassungssperren gefallen sind. Bei der Altersgrenze von 68 Jahren für Kassenzahnärzte hat der FVDZ sich dafür eingesetzt, dass sie aufgehoben wird – mit Erfolg. Seit 2009 können niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte so lange arbeiten, wie sie möchten und dazu in der Lage sind.  

Hat der FVDZ als Verband eine andere Schlagkraft als beispielsweise die Körperschaften? 

Durch die große Gemeinschaft hat der Verband Schlagkraft. Die Zahl der Mitglieder ist in den 1990er Jahren bis auf 30.000 angewachsen. Heute hat der Verband rund 16.000 Mitglieder, darunter sind auch immer mehr angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte. Nicht zu vergessen unsere zahlreichen studentischen Mitglieder. Dadurch, dass wir eine große Gruppe von Mitgliedern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Lebenssituationen aus dem gesamten Bundesgebiet haben, ist unsere Stimme vielschichtig und daher bedeutsam. 

Bild von einem Quotenzeichen

Hinzu kommt, dass der Verband komplett unabhängig ist. Alle Amtsträger arbeiten ehrenamtlich. Der FVDZ ist von Zahnärzten für Zahnärzte. 

Hat sich die Ausrichtung verändert, seitdem auch mehr Angestellte Mitglieder sind? Gibt es neue Schwerpunkte in der Verbandsarbeit?   

Junge angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte stehen oft an einem ganz anderen Punkt in ihrer Lebensplanung als niedergelassene ältere Kollegen – besonders, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Flexiblere Strukturen und weniger unternehmerische Verantwortung stehen dabei häufig im Mittelpunkt ihrer Planung. Damit müssen wir uns als Berufsverband auseinandersetzen und Wege für die Kolleginnen und Kollegen aufzeigen. Denn die Berufswelt hat sich verändert. Darauf haben wir mit unseren Fortbildungsseminaren und Kongressen reagiert und entsprechende Themen in die Programme mit aufgenommen.  

Was tut der FVDZ, um angestellte Zahnärzte und junge Approbierte für die Niederlassung zu gewinnen? 

Der FVDZ versteht sich als berufspolitische Interessenvertretung aller Zahnärztinnen und Zahnärzte, und wir wollen langfristiger Partner auf Augenhöhe sein. Jungen Kolleginnen und Kollegen im Angestelltenverhältnis, also auf dem Weg in die Selbstständigkeit, bietet der FVDZ als zentrales Element der Verbandsarbeit gezielt Hilfestellung bei der Niederlassung. Dazu gehört unser erfolgreiches Existenzgründerprogramm, das bis heute rund 850 Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner durchlaufen haben. Es ist passend zugeschnitten und bietet Angestellten und Examinanten fundierte Unterstützung bei der Gründung und auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Zudem unterstützen wir mit Rechts- und Steuerberatung sowie der direkten Beratung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen. Sehr hilfreich ist auch das Praxishandbuch, das es seit 30 Jahren gibt und das ich selbst auch nutze. Auch an Zahnärztestammtischen unterstützen wir bei der Praxisgründung und Praxisführung. Weiterhin sind wir mit den Universitäten vernetzt, um Examinanten den Weg in die Niederlassung schmackhaft zu machen. Wir nehmen ihre Sorgen und Nöte ernst. Ich persönlich bin der Meinung, dass Work-Life-Balance und Familienplanung in der Niederlassung sowieso viel besser gelingen als im Angestelltenverhältnis.  

Die Demografie ist nicht aufzuhalten. Rechnen Sie mit einem flächendeckenden zahnärztlichen Versorgungsmangel? Und falls ja, welche Lösungsvorschläge hat der FVDZ? 

Die Infrastruktur auf dem Land fehlt, zum Beispiel Kinderbetreuung, Schulen, der Ausbau digitaler Infrastruktur, Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten oder Arztpraxen und auch kulturelle Veranstaltungen. Dadurch ist es für Zahnärzte nicht attraktiv genug, sich in ländlichen Regionen niederzulassen. Häufig fehlen auch die Arbeitsmöglichkeiten für den Partner oder die Partnerin, die ja ebenfalls in den ländlichen Strukturen nicht zwangsläufig gegeben sind. Der Staat sollte für eine bessere Infrastruktur auf dem Land sorgen, wir können ihm nicht alles abnehmen.  

Ein weiteres großes Problem ist der Personalmangel: Für die Praxisinhaber ist es schwer, qualifiziertes Personal zu finden. Sie leiden außerdem unter überbordender Bürokratie, Honorarstillstand seit 37 Jahren und geringen Freiheitsgraden in der Gesetzlichen Krankenversicherung.  

Nun haben wir eine neue Bundesregierung. Was erwarten Sie von der Politik? 

Wir erwarten, dass sie den Punktwert in der GOZ endlich an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung anpasst, damit die Patienten nicht vom medizinischen Fortschritt abgehängt werden. Die neue Bundesregierung sollte keine weiteren Leistungen in den Katalog der GKV aufnehmen und alle Budgets abschaffen. Überdenken sollte eine neue Bundesregierung vor allem auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Sanktionierungspolitik hinsichtlich der ePA – diese halten wir in keiner Hinsicht für hilfreich. Wir fordern, dass es weiterhin keine Zulassungsbeschränkungen gibt und, dass für gesetzlich und privat Versicherte Therapiefreiheit gilt. Besonders wichtig ist der Abbau von Bürokratie. Mein größter Wunsch ist es, dass das im Koalitionsvertrag angekündigte Bürokratieentlastungsgesetz endlich Realität wird. Ich halte es durchaus für möglich, dass das passiert.  

Ein Blick in die Zukunft: Wie geht es mit dem Verband die nächsten 70 Jahre weiter? 

Wir arbeiten daran, dass wir auch künftig ein starker Verband mit starker Stimme sind. Heute haben wir einen pragmatischen Stil. Ich möchte niemandem ein Wolkenkuckucksheim versprechen. Meine Vision ist es, dass wir die Versorgung aufrechterhalten, aber mit verbesserten Rahmenbedingungen. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass der Freie Verband ein Ort zum Wohlfühlen bleibt. Hier gibt es Unterstützung, wo nötig, und Austausch mit Kollegen, wie und wo gewünscht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Informationen zum FVDZ gibt es hier: www.fvdz.de

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