Branchenmeldungen 14.09.2025
Die neue Approbationsordnung ist eine Chance!
Frau Dr. Hillebrecht, Seniorenzahnmedizin als Lehrstoff. Wie kann man dem Gegenstand praxisnah und kompetenzorientiert gerecht werden?
Mit der neuen Approbationsordnung ist erstmals der Querschnittsbereich „Medizin und Zahnmedizin des Alterns und des alten Menschen“ verbindlich verankert – das ist eine Chance, die Seniorenzahnmedizin nachhaltig in die Ausbildung zu integrieren. Die Personengruppe mit reduzierter Therapiefähigkeit bzw. mit Pflege- und Unterstützungsbedarf sollte bei allen Lehrveranstaltungen mitgedacht werden, zum Beispiel wenn es um Präventions- und Zahnerhaltungsstrategien, aber auch wenn es um prothetische Konzepte geht. Wir sollten jetzt auch innovative Lehrformate longitudinal in das Curriculum einbinden: Hospitationen in Pflegeeinrichtungen, Simulationen altersassoziierter Einschränkungen, digitale Lernmodule oder interprofessionelle Lehrveranstaltungen gemeinsam mit Pflege und Medizin. So lernen Studierende nicht nur die klinischen Grundlagen, sondern auch Kommunikation, rechtlich-ethisches Handeln und Teamarbeit. Entscheidend ist, dass diese Kompetenzen nicht abstrakt bleiben, sondern in realen oder simulierten Situationen erlebbar gemacht und geprüft werden.
Haltung lässt sich schwer in Lehrpläne schreiben und eher über Erleben und Reflektion erlangen – wie können dennoch Studierende dafür sensibilisiert werden?
Haltung entsteht vor allem durch Erleben, Reflektion und Begegnung. Deshalb ist es so wichtig, dass Studierende frühzeitig direkten Kontakt zu Menschen mit Unterstützungsbedarf haben: sei es in Hospitationen in Pflegeeinrichtungen und Schwerpunktpraxen oder durch den Austausch mit Betroffenen und Angehörigen sowie mit Zahnmedizinern, die dieses Patientinnenklientel professionell versorgen. Simulationen, zum Beispiel mit behinderungssimulierenden Lehrformaten, machen erfahrbar, wie es sich anfühlt, mit Einschränkungen zu leben und schaffen damit ein Verständnis für die zahnmedizinische Relevanz und mögliche zahnärztliche Unterstützungsangebote. Das Ziel ist, dass Studierende die Mundgesundheit nicht isoliert betrachten, sondern als Teil von Lebensqualität, Ernährung und sozialer Teilhabe.
Seniorenzahnmedizin erfordert interdisziplinäre Teamarbeit – wie kann dieser Ansatz schon im Studium integriert werden?
Eine gute zahnmedizinische Versorgung von Personen mit Unterstützungsbedarf gelingt nur im Team – Zahnmedizin, Geriatrie, Angehörige, Pflege und gegebenenfalls weitere Gesundheitsberufe müssen auf Augenhöhe zusammenarbeiten. In der Praxis bedeutet das: Wir brauchen feste Versorgungsstrukturen, klare Kommunikationswege und gemeinsame Verantwortung.
Um die Zahnmedizinstudierenden bestmöglich auf die Herausforderungen vorzubereiten, benötigen wir klare Lernziele und motivierte Lehrpersonen. Zahnmedizinstudierende sollten frühzeitig in interprofessionelle Lehrformate eingebunden werden, etwa durch gemeinsame Seminare mit Pflege- und Medizinstudierenden, durch Fallbesprechungen, Hospitationen auf geriatrischen Stationen oder direkt in Pflegeeinrichtungen. Wichtig ist dabei auch das gegenseitige Verständnis: Zahnmedizinstudierende sollten lernen, die Expertise von Pflegefachpersonen wertzuschätzen, genauso wie Pflege und Geriatrie die Bedeutung der Mundgesundheit für Allgemeingesundheit und Wohlbefinden kennen müssen. Wenn wir diese Brücken schon in der Ausbildung bauen, schaffen wir die Grundlage für echte Teamarbeit auf Augenhöhe in der späteren Versorgung.