Branchenmeldungen 08.02.2012
Elektronische Gesundheitskarte - ein Dilemma!
Die Anforderungen an die individuelle Versorgung/ Behandlung/ Betreuung
der Bürger in Deutschland steigen. Dabei wird es erforderlich, Daten zum
Gesundheitszustand des Einzelnen zu sammeln und zur Verfügung zu
stellen. So können Risiken für die Patienten und Behandler minimiert,
die Qualität verbessert und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile
erreicht werden. Der Gesetzgeber hat die Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte (eGK) als Ersatz für die bisherige
Krankenversicherungskarte (KVK) vorgeschrieben.
Nach Überzeugung des Präsidenten der Bürgerinitiative Gesundheit DGVP
e.V., Wolfram - Arnim Candidus, erfüllt die von der Politik initiierte
elektronische Gesundheitskarte nur in sehr beschränkter Weise die
eigentlich wichtige Anforderung: nämlich das Datendilemma im
Gesundheitssystem zu beenden.
Die eGK ist laut Gesetz in der Regel mit einem Lichtbild des
Versicherten zu versehen. Die Begründung dafür ist die angeblich weit
verbreitete betrügerische Inanspruchnahme von Leistungen der
Krankenkasse mit der bisherigen Versichertenkarte durch Personen, die
nicht versichert sind. Dem soll mit einer durch das Foto
personalisierten Karte Abhilfe geschaffen werden.
Personen, die behindert sind oder nicht mehr ausreichend mobil, bzw.
Kinder müssen jedoch kein Lichtbild in der eGK verankert haben. "Das
macht zwar für diese Personen absolut Sinn, lässt aber doch die Frage
nach der Gleichberechtigung stellen", so Candidus.
Die Krankenkassen handhaben die Foto-Forderung zudem sehr
unterschiedlich. In Bayern zahlt eine Kasse z.B. einen Zuschuss von 8
Euro bei Einsendung des Fotos. Candidus kritisiert: "Dies deckt aber
nicht die logistischen Kosten zur Erstellung und den Versand des
Lichtbilds. Der Versicherte zahlt erneut drauf."
"Dazu kommt: Eine Prüfung der Identifikation der Person auf dem
Lichtbild durch die Krankenkassen mit der Versicherungsnummer und dem
Namen des Versicherten ist unter den vorhandenen organisatorischen
Rahmenbedingungen faktisch unmöglich. Inwiefern ist da der Missbrauch
nicht wieder erleichtert?", fragt Candidus nach.
"Momentan kommt es außerdem immer wieder zu der Situation, dass die
neuen Karten in Praxen noch nicht gelesen werden können. Das
verunsichert den Patienten, der zur Sicherheit zwei Karten bereithalten
muss. Und es bedeutet einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand, der die
Mitarbeiter belastet und zu zeitlichen Verzögerungen führt.
Kurioserweise besteht keine Verpflichtung für Kassenärzte das System bis
zu einem bestimmten Termin ausgetauscht zu haben. Praxen und
stationären Einrichtungen können aber einen Zuschuss für die
Installation von Lesegeräten für die eGK erhalten."
Laut Candidus liegt der größte Mangel der Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte jedoch darin, dass es keinerlei Wertschöpfung gegenüber
der alten Versicherungskarte gibt: "Die diversen angedachten
Zusatzfunktionen sind bisher noch alle Zukunftsmusik."
Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte kostet über eine
halbe Milliarde Euro und muss aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werden.
Die aktuelle Version kann nur die Verwaltungsdaten von der Karte
ablesen. Geplant ist ein Online-Datenabgleich. Viele Bürger haben hier
Datenschutzbedenken.
Nach Vorgabe des Gesetzgebers sollen die Versicherten zukünftig selbst
bestimmen können, ob und welche medizinischen Daten auf ihrer Karte
gespeichert werden. So können notfallrelevante Informationen gespeichert
werden, wie z.B. zur bestehenden Medikation, zu Allergien, zu
Implantaten usw. Die wichtigen Daten zum generellen Gesundheitszustand
des einzelnen Menschen sollen dann zu einem späteren Zeitpunkt in die
Karte eingebracht werden können. In jedem Fall soll das Einpflegen der
Daten freiwillig sein. Ob und in welcher Anzahl dies dann von den
Versicherten wahrgenommen kann nicht abgeschätzt werden. Auch viele
praktische Fragen sind hier noch zu klären.
"Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ist eine
Fehlinvestition. Bei den knappen Ressourcen für die Versorgung/
Behandlung/ Betreuung der Versicherten, bei steigender verdeckter und
offener Rationierung von Leistungen für die Patienten und reduzierter
Vergütung für die Behandler, wünscht man sich einen besseren Umgang mit
dem Geld", fasst Candidus zusammen.
"Ein ganzheitlicher Ansatz zur Beseitigung des Datendilemmas im
Gesundheitswesen fehlt leider immer noch. Das wird zu weiteren
Kostensteigerung in der Versorgung bei sinkender Versorgungsqualität
beitragen."
Quelle: Pressestelle Bürgerinitiative Gesundheit DGVP e.V.