Branchenmeldungen 15.08.2011
Europäische Jahrestagung am Bosporus
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In einer der bevölkerungsreichsten Städte der Welt fand vom 19. bis 23. Juni der diesjährige Kongress der European Orthodontic Society (EOS) statt – im türkischen Istanbul. Und das laut Organisatoren mit einem Teilnehmerrekord – über 3.000 registrierte Anmeldungen konnten nach offiziellen Angaben verzeichnet werden. Ein Bericht von Cornelia Pasold.
Wissenschaftsprogramm
Bereits am Tag der feierlichen Eröffnung wartete das wissenschaftliche Programm mit ein paar Highlights auf. So informierte z.B. Prof. Dr. Hyo-Sang Park (Südkorea) im Rahmen eines Pre-Kongress-Kurses zum Thema skelettale Verankerung. Des Weiteren konnten bereits angereiste Teilnehmer am Abend dem Vortrag von Prof. Dr. Ravindra Nanda (USA) folgen, der die diesjährige Sheldon Friel Memorial Lecture „Biomechanics and aesthetics in contemporary orthodontics: a five decade perspective“ hielt.
Prof. Park war es dann auch, der das offizielle Wissenschaftsprogramm am nächsten Tag einleitete. Dieses war zunächst ganz dem Schwerpunkt „Bone anchorage and adjunctive surgery in orthodontics“ gewidmet. Park sprach über neue Horizonte in der kieferorthopädischen Therapie mit Minischrauben und erörterte dabei verschiedene Behandlungsmechaniken (z.B. Intrusion von Molaren, Schneidezähnen oder des kompletten Gebisses als Alternative zur orthognathen Chirurgie etc.). Sein Resümee: Minischrauben haben nicht nur die Grenzen kieferorthopädischer Behandlung erweitert, sondern zu einem Paradigmenwechsel in selbiger geführt.
Interessante Untersuchungsergebnisse stellte Dr. Maurten G. Laursen (Dänemark) in seinem Beitrag „A micro-computed tomographic evaluation of insertion sites for mini-implants“ vor. So führe eine Änderung des Insertionswinkels auf 45 Grad zwar einerseits zu einer besseren Implantatstabilität, jedoch im Bereich der oberen Molaren gleichzeitig zu einem erhöhten Risiko einer Sinusperforation. Werden die Miniimplantate jedoch mehr koronal perpendikular inseriert, könne dieses Risiko deutlich minimiert werden. Laursen empfiehlt, im OK und anterioren UK 8mm lange Pins zu inserieren und im posterioren UK Pins von 6mm Länge.
Ein minimalinvasives, chirurgisches Prozedere zur Reduzierung von Tragezeiten festsitzender Apparaturen zeigte Prof. Dr. Serge Dibart (USA). Hierbei erfolgt mittels PiezocisionTM eine gleichzeitige Augmentation von Hart- und/oder Weichgewebe, wodurch eine Stärkung des Parodontiums erreicht und ein Relapse vermieden werden könne.
Dem Thema „Contemporary dentofacial treatment modalities“ widmete sich ein zweiter großer Themenkomplex dieses EOS-Kongresses. Dr. Marco Rosa (Italien) stellte in seinem Vortrag „Why, how and when to correct some malocclusions without touching permanent teeth?“ eine neue Methode der Frühbehandlung vor. So würde bei Einsatz festsitzender Apparaturen im Milchgebiss dieses unterstützend hinsichtlich der wirkenden Kräfte agieren. Im Ergebnis dessen würden sich die Molaren und Schneidezähne des bleibenden Gebisses spontan in ihre korrekte Position bewegen bzw. sich selbst korrigieren, sobald deren Durchbruch erfolgt sei.
Einen wie immer brillanten Beitrag steuerte Prof. Dr. Tiziano Baccetti (Italien) bei. Er verglich die Effizienz einer frühen vs. späten Behandlung bei Tiefbiss-Fällen. Sein Resümee: In der
pubertären und postpubertären Phase des bleibenden Gebisses bei Einsatz festsitzender Apparaturen mittels Ein-Phasen-Therapie ist die Behandlung des Tiefbisses deutlich effektiver als in der vorpubertären Phase des Wechselgebisses bei einer Zwei-Phasen-Therapie. Ein dritter Themenkomplex widmete sich der dreidimensiona-len Bildgebung und wartete mit interessanten Beiträgen wie „3D treatment outcomes of orthognathic surgery“ (Dr. Lucia Cevidanes, USA) oder „Using 3D radiography in clinical orthodontics“ (Dr. Juan Martin Palomo, USA) auf.
Der letzte Kongresstag stand dann ganz im Zeichen von „TMJ“ mit Vorträgen wie „The differential diagnosis of TMD: the great challenge“ (Prof. Dr. Jeff Okeson, USA, welcher auch den Post-Kongress-Kurs absolvierte) oder „Association studies and their impact on diagnosis and treatment of mandibular retrognathism“ (Prof. Dr. Bakr Rabie, Hongkong) sowie freien Themen (z.B. Dr. Serdar Usumez, Türkei: „Recent advances in orthodontic bonding“).
Industrie
Hinsichtlich Industrieneuheiten gibt es an dieser Stelle – nur wenige Wochen nach dem AAO-Kongress – kaum etwas zu berichten. Die meisten Firmen zeigten ihre bereits zur IDS in Köln oder eben zur amerikanischen Jahrestagung in Chicago präsentierten Produkte. Mit „eCligner suisse“ wurde ein neues, von Prof. Dr. Tae-Weon Kim entwickeltes Alignersystem vorgestellt. Dieses sei laut Herstellerangaben gleichnamiger Firma noch dünner und somit fast vollständig transparent und leichter als vergleichbare Korrekturschienen am Markt. Das Besondere dieses Systems ist, dass während eines einzelnen Behandlungsschritts drei Aligner unterschiedlicher Schichtdicke (0,5mm [soft], 0,62mm [medium] und 0,75mm [hard]) in wöchentlichen Abständen getragen werden. eCligner-Schienen werden aus sehr weichem Kunststoff in einem vollständig digitalisierten Herstellungsprozess gefertigt (kein Set-up von Hand). Hierfür sei lediglich ein Abdruck erforderlich.
Das schwedische Dentalunternehmen Gestenco präsentierte in Istanbul die zweite Generation seines selbstligierenden phantomTM-Lingualbrackets. phantomTM 2.0 hybrid weist einige Neuerungen auf und wird voraussichtlich im September/Oktober 2011 erhältlich sein. So wird die zweite Bracketgeneration u.a. aus einem komplett neuen und wesentlich härteren Material gefertigt. Zudem ist mit dem System ein Keramiktube für Prämolaren und Molaren erhältlich.
Pyramid Orthodontics aus den USA zeigte das seit Kurzem erhältliche SL-Bracketsystem Control®. Dieses sei um bis zu 20% niedriger im Profil als vergleichbare Systeme am Markt und verfügt über einen Clip, welcher z.B. während des Finishings entfernt werden kann, um dann mithilfe von Ligaturen weiterzuarbeiten. Somit sei laut Angaben des Herstellers bis zum Behandlungsabschluss stets eine optimale Kontrolle gegeben, wie bereits der Name des Systems verdeutlichen soll.
Einen ersten Blick auf die ästhetische Variante des passiven SL-Brackets Nova konnten die Besucher des Standes von MEM Dental Technology mit Hauptsitz in Taiwan werfen. Dieses Bracket wird dann Ceram Nova heißen und voraussichtlich Ende des Jahres erhältlich sein.
Auf das erste orthocaps®-Anwendertreffen am 19. November 2011 in München machte die OrthoCaps GmbH aufmerksam. Referenten werden dann Prof. Dr. Hans-Peter Bantleon, Priv.-Doz. Dr. Benedict Wilmes, Dr. Yves Trin und Dr. Moschos A. Papadopoulos sein. Fast zur gleichen Zeit, nämlich am 18./19. November 2011, wird Dentaurum in der Goldstadt Pforzheim sein KFO Jubiläums-Symposium veranstalten. Ein hochkarätig besetztes Fachprogramm (u.a. Prof. Dr. Bert Braumann, Prof. Dr. Dieter Drescher oder Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke) wird zu Themenbereichen wie Management und Prophylaxe von Frontzahntraumen; kieferorthopädische Behandlung und juvenile, idiopathische Arthritis oder skelettale Verankerungskonzepte informieren.
Ausblick
Der nächste EOS-Kongress findet vom 18. bis 23. Juni 2012 in Santiago de Compostela (Spanien) statt. Tagungspräsident wird Dr. David Suárez Quintanilla sein.