Branchenmeldungen 17.05.2022
Für mehr Azubis: ZFA-Ausbildung mit neuen Perspektiven
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Nach 21 Jahren wurde die Ausbildungsordnung für Zahnmedizinische Fachangestellte neu geordnet und tritt nun pünktlich zum Start der neuen Azubi-Verträge am 1. August 2022 in Kraft. Der Weg bis zur Novellierung war lang und steinig. Wenn man dann noch die zahnmedizinischen sowie technischen Entwicklungen und die sich daraus ergebenden neuen Anforderungen, Workflows und Vorgaben bedenkt, war es mehr als höchste Zeit!
Novelliert wurde, die Berufsbezeichnung Zahnmedizinische Fachangestellte ist geblieben. Viele Schwerpunkte wurden vertieft, einige andere Inhalte nicht mehr aufgenommen. Im Rahmen der aktuellen Novellierung sind neue Standardberufsfeldpositionen, wie zum Beispiel Umweltschutz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, in die Ausbildungsordnung eingeflossen. Es findet eine deutliche Aufwertung der Berufsfelder Patientenbetreuung, Kommunikation, Aufbereitung von Medizinprodukten und bildgebende Verfahren unter Beachtung der Strahlenschutzmaßnahmen sowie Abrechnung zahnärztlicher Leistungen statt.
Neue Standardberufsbildpositionen (BBP)
Zu den Ausbildungsverordnungen gehören ein Ausbildungsrahmenplan (ARP) als Ausbildungsgrundlage für Praxis, ebenso wie ein Rahmenlehrplan (RLP) für den beruflichen theoretischen Background. Genau hier spiegeln sich Veränderungen im Hinblick auf aktuelle berufliche sowie gesellschaftliche Anforderungen in einer novellierten Ausbildungsordnung wider.
Im Berufsbild und damit auch im ARP eines jeden Ausbildungsberufes gelten neben „berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten“ auch solche, die während der gesamten Ausbildung integrativ zu vermitteln sind. Bei den integrativ zu vermittelnden Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten spricht man auch von sogenannten Standardberufsbildpositionen, die für alle neu zu ordnenden Ausbildungsberufe seit 2021 verbindlich sind. Es handelt sich dabei um modernisierte und neue Mindestanforderungen für folgende Bereiche:
• Organisation des Ausbildungsbetriebes, Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht,
• Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit,
• Umweltschutz und Nachhaltigkeit
• Digitalisierte Arbeitswelt
Diese vier Standardberufsbildpositionen gelten für alle Ausbildungsberufe, die seit dem 1. August 2021 in Kraft sind. Die identisch formulierten Inhalte sollen sicherstellen, dass Auszubildende künftig berufsübergreifend innerhalb einer modernen und zukunftsgewandten Ausbildung Kompetenzen erwerben können, die sie als angehende Fachkräfte von morgen in einer sich verändernden Arbeitswelt benötigen, um breit gefächert – also nicht nur im ursprünglich erlernten Beruf – und dauerhaft beschäftigungsfähig zu sein.
Berufsbildpositionen (BBP) enthalten immer handlungsorientiert formulierte Inhalte, die jungen Menschen im Hinblick auf verantwortungsvolles Handeln innerhalb einer Gesellschaft das nötige Wissen vermitteln. In diesem Zusammenhang seien hier zwei Standardberufsbildpositionen zitiert:
Digitalisierte Arbeitswelt
„Informationen in digitalen Netzen recherchieren und aus digitalen Netzen beschaffen sowie Informationen, auch fremde, prüfen, bewerten und auswählen“
Wie und wo in digitalen Netzen erhält man mit einem gezielten Vorgehen die richtigen und seriösen Informationen und fällt nicht auf Fakes herein?
Um Informationen prüfen, bewerten und auswählen zu können, benötigt man theoretisches Hintergrundwissen bzgl. der Angelegenheit, die zu prüfen ist, aber auch die Fähigkeit, methodisch vorzugehen und zu analysieren, abzuwägen, kritisch zu hinterfragen und letztendlich auch die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Fähigkeiten sind bei jungen Menschen nicht gleich automatisch vorhanden, sondern müssen erlernt bzw. bereits vorhandene Fähigkeiten müssen gefördert werden.
Wertschätzung
„Wertschätzung anderer unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Vielfalt praktizieren“.
Was verbirgt sich hinter Wertschätzung?
Wertschätzung ist hierbei im Kontext zu den Rechten aller Menschen zu betrachten und meint den respektvollen Umgang mit dem Gegenüber.
Was verbirgt sich im Zusammenhang mit Respekt bzw. Wertschätzung hinter dem Wort „Vielfalt“?
Vielfalt innerhalb einer Gesellschaft, und damit natürlich auch im täglichen Berufsleben, wäre beispielsweise im Umgang mit Menschen ihr Geschlecht, ihre Herkunft, ihre Kultur, ihr Alter im positiven Sinne bzgl. des eigenen Handelns stets mit zu berücksichtigen.
Anhand dieser zwei Beispiele lässt sich erkennen, dass die nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelte Berufsausbildung im dualen System junge Menschen nicht nur zu einem existenzsichernden Berufsleben befähigen, sondern ihnen auch das Rüstzeug bieten soll, sich zu verantwortungsvoll handelnden Bürgern zu entwickeln. Gerade Deutschland darf diesen Teil von Bildung im Hinblick auf seine Vergangenheit und kollektive Verantwortung niemals vernachlässigen. Wenn man einmal auf die inzwischen kulturell vielfältig gewordene Gesellschaft und ihr hohes Gut der freien Meinungsäußerung blickt, sind die genannten Beispiele gerade in Zeiten von weltweiten Unruhen von großer Bedeutung.
Bildungsauftrag Persönlichkeitsentwicklung
Die berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten spiegeln die veränderten Anforderungen im angestrebten Beruf wider. So wurden in der neuen Verordnung über die Berufsausbildung für ZFA beispielsweise in den Bereichen Hygiene und Medizinprodukteaufbereitung, der individuellen Betreuung von Patienten sowie bzgl. der Organisation von Arbeitsprozessen – auch digitalen – und des Qualitätsmanagements neue Anforderungen formuliert. Allein um der Betreuung von Patienten gerecht zu werden, müssen ZFA auf Erwartungen und Wünsche dieser eingehen und dabei auch soziale, psychische sowie somatische Kontextfaktoren berücksichtigen können. Wir haben verschiedene Arten von Patienten, vulnerable Gruppen mit besonderem Behandlungsbedarf, auch Patienten mit einer Demenzerkrankung, Angstpatienten und natürlich unsere Kleinsten. Auf jeden Einzelnen muss die Zahnmedizinische Fachangestellte eingehen können und in der Lage sein, die Patienten zu betreuen und mit ihnen zu kommunizieren. Im Zeitalter der Digitalisierung ist und bleibt Kommunikation ein großes Thema – auch aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitsschritte. Im Übrigen muss auch in diesem Beruf in einer fremden Sprache – i.d.R. in Englisch – berufsbezogen kommuniziert werden können. Denn in einer internationalen Gesellschaft nehmen ein kultursensibler Umgang mit Patienten und berufsbezogene Sprachkenntnisse eine zunehmende Rolle ein.
Neue Prüfungsanforderungen
Neben den gestiegenen Anforderungen an unseren Beruf darf das ebenfalls erhöhte Prüfungsniveau nicht unberücksichtigt bleiben. In der Regel sind alle neugeordneten Ausbildungsberufe bzgl. der Anforderungen an die beruflichen Tätigkeiten sowie die Prüfungsanforderungen gestiegen. Einzelne Akteure fordern oft, das Niveau lieber zu senken, statt zu heben. Sie führen dafür den Grund an, dass für die Ausbildung in den Berufen des dualen Systems – also Ausbildungsberufe, die nach dem Berufsbildungsgesetz geregelt werden – kaum noch gute Schulabgänger zu finden sind. Sie vergessen dabei allerdings, dass die Ausbildungsordnung mit ihrem Ausbildungsberufsbild samt ihrem Ausbildungsrahmen und Rahmenlehrplan sowie den Prüfungsanforderungen zuallererst einmal den Sollstand darstellen muss – also das darstellt, was in dem jeweiligen Beruf verlangt werden muss. Wie am Ende die Wirklichkeit aussieht, ist der Ist-Zustand einer festgesetzten berufsqualifizierten Tätigkeit.
Wenn bei Azubis eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem liegt, was sie lernen sollen und was sie lernen können, dann kann nur durch die ausbildenden Betriebe sowie deren Berufsvertretungen gegengesteuert werden. In so einem Fall gäbe es z.B. die Möglichkeit, sich als Ausbildungsbeauftragte der Praxis mehr in arbeitspädagogischer Hinsicht zu bilden, um Auszubildende besser fördern zu können. Teilweise gehört dazu auch die Bereitschaft, den heute vermehrt vorkommenden Lese- und Rechtschreibschwächen von Azubis mit Eigenengagement entgegenzuwirken. Das bedeutet, mehr Zeit zu investieren und manchmal auch, keine zusätzlichen Kosten zu scheuen.
Neu in der Ausbildungsordnung ist die „gestreckte“ Abschlussprüfung: Nach ca. 16 Monaten findet der Teil 1 der Abschlussprüfung in den Schwerpunkten Hygienemaßnahmen, Aufbereitung von Medizinprodukten sowie Empfang und Aufnahme von Patienten statt. Besteht man Teil 1 mit der Note mangelhaft, wird es im zweiten Teil der Abschlussprüfung am Ende der Ausbildung umso schwieriger. Die Auszubildenden sind also vom ersten Tag an mit Lernen gefordert. Geblieben ist die praktische Prüfung mit 60 Minuten, die im 2. Teil der Abschlussprüfung ansteht.
Das leidige Thema Fachkräftemangel
Ein Blick zurück zeigt, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Schulformen verändert haben. Was vor 45 Jahren ein Hauptschulabschluss war, ist heute zum Realschulabschluss geworden. Viele Jugendliche, die früher einen Haupt- oder Realschulabschluss und eine anschließende Berufsausbildung wählten, entscheiden sich heute verstärkt für das Abitur, um im Anschluss ein Hochschulstudium aufzunehmen. Der demografische Wandel und diese veränderte Schul- sowie Berufswahl sorgen dafür, dass mit steigender Tendenz immer weniger Jugendliche zur Verfügung standen, um eine Ausbildung zu absolvieren. Ein bestimmter Schulabschluss für die Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten ist nicht vorgegeben, aber es sollte darauf geachtet werden, dass mindestens ein Realschulschulabschluss vorliegt.
Andererseits sollten bundesweit geltende, gute Tarifverträge für Zahnmedizinische Fachangestellte verwirklicht werden, um wieder auf bessere Schulabgängerinnen zurückgreifen zu können. Bisher hat unserer Gesellschaft und der Wirtschaft – hier in Gestalt der Zahnarztpraxen – stets die gute Mischung von Schulabgängerinnen geholfen, den Fachkräftebedarf zu decken.
Fazit
Jeder Praxisinhaber sollte sich für eine gute Ausbildung verantwortlich fühlen und gegebenenfalls die Unterstützung seiner Mitarbeiterinnen einfordern und in Anspruch nehmen. Auch für die Zahnmedizinischen Fachangestellten in jeder Praxis kann es eine neue Aufgabe sein, den Arbeitgeber in der Ausbildung der Auszubildenden zu unterstützen – möglich wäre z.B. eine Qualifikation zur Ausbilderbefähigung. Die Qualität in der Ausbildung muss auf jeden Fall verbessert werden, damit wir in Zukunft nur noch sehr gut ausgebildete Zahnmedizinische Fachangestellte in den Praxen zur Verfügung haben. Da der Beruf ZFA viele Möglichkeiten zur Weiterbildung bietet, müssen wir dafür sorgen, dass es viele Zahnmedizinische Fachangestellte in den Praxen gibt, die für die Administration und Betreuung der Patienten zuständig sind. Wenn diese Novellierung wieder 20 Jahre alle Ausbildungsinhalte adäquat wiedergibt und dann noch aktuell ist, hat es sich gelohnt.
Dieser Beitrag ist in der Publikation Zahnärztliche Assistenz erschienen.