Implantologie 28.11.2025
(Sofort-)Versorgung – Anforderung, Umsetzung und Alltag
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Der atrophierte Unterkiefer bietet in der Regel ein nicht ausreichendes Lager. Die totalprothetische Versorgung des zahnlosen Oberkiefers bedingt stets eine gaumenbedeckende Konstruktion. „Der Platz, der dem implantologischen Chirurgen für die Positionierung der Zahnimplantate zur Verfügung steht, kann durch anatomische Gegebenheiten wie einen stark pneumatisierten Sinus maxillaris oder einen eher koronalen Verlauf des Canalis mandibularis eingeschränkt werden.“ Zudem kann das in vertikaler und horizontaler Ebene reduzierte krestale Knochenvolumen mit und ohne schlechte Knochenqualität den Therapieansatz noch weiter verkomplizieren. So ist seit 2000 das Konzept der schräginserierten Implantate entstanden und verfolgt worden.3 Eine von Zampelis et al. durchgeführte In-vitro-Studie hat bewiesen, dass eine schräge Insertion von prothetischen verblockten Implantaten nicht zu einer größeren Belastung führt als bei parallel gesetzten Implantaten.3 Die Digitalisierung der Zahnmedizin und -technik und der zunehmende Wunsch der Patienten nach festsitzenden Versorgungen führten zudem zu einer vermehrten Verbreitung dieses nach seinem Erstbeschreiber Maló benannten Konzeptes. Ebenso haben immer mehr Implantatanbieter die spezifischen abgewinkelten Aufbauelemente in ihr Portfolio aufgenommen. „In prothetischer Hinsicht ist es letztlich auf einer geringeren Anzahl von Implantaten einfacher, eine spannungsfreie Passung der Stege zu erreichen.“
4Dabei gilt zu berücksichtigen, dass sich Patienten in der Regel eine minimalinvasive Behandlung mit rascher Genesung, geringen postoperativen Beschwerden und einer möglichst schnellen Wiederherstellung der Gesellschaftsfähigkeit wünschen. Leider nimmt nur jeder vierte Patient entspannt im Behandlungsstuhl Platz. Fünf Prozent aller Patienten leiden sogar an einer echten Zahnarztphobie.3 Digitale Lösungen helfen uns heute dabei, den Ansprüchen der Patienten unter den oben genannten Aspekten gerecht werden zu können. Mit dem Datensatz des DVT, einem intelligent einsetzbaren digitalen Workflow und der Zusammenarbeit mit einem digital ausgerichteten zahntechnischen Labor kann der Wunsch nach schönen Zähnen bis ins hohe Alter erfüllt werden, ohne den Patienten bei der Behandlung unnötigem Stress auszusetzen.
Historie
Es war die Arbeitsgruppe um den Zahnarzt Paulo Maló und den Biomechaniker Bob Rangert, die das Konzept der angulierten Implantate zur Versorgung mit festsitzenden Brücken im Unterkiefer klinisch etablierten.4, 5 Der Ausgangspunkt dieser Methode ist eine großflächige Abstützung auf einem breiten prothetischen Polygon. Erzielt wird das durch die Angulierung der distalen Implantate. Die Arbeiten von Maló und Rangert demonstrierten eine kumulative Überlebensrate von über 96 Prozent bei einer prothetischen Überlebensrate von 100 Prozent und erbrachten damit den Nachweis, dass vier Implantate einer festsitzenden Brücke im Unterkiefer stabilen Halt geben. Behandlungsabläufe mit multiplen chirurgischen Eingriffen sind für Patienten anstrengend, beschwerlich und bedeuten eine Einschränkung der Lebensqualität. Die Methode von Maló und Rangert konnte durch die Nutzung des vorhandenen Knochenangebots und einer Sofortversorgung den gesamten Behandlungsablauf auf lediglich eine Sitzung reduzieren und folglich die Patientenakzeptanz deutlich erhöhen. Heute wird das Konzept der Sofortversorgung mit reduzierter Implantatanzahl oftmals um einen digitalen Workflow erweitert. Die Firma Dentsply Sirona bietet mit dem SmartFix-Konzept des Ankylos® C/X-Systems oder mit der EV-Prothetik der Systeme Astra Tech Implant System®, PrimeTaper® und OmniTaper® spezielle Aufbauten für diese Technik an.
Wie viele Implantate sind notwendig?
Die Fragestellung nach der angemessenen Implantatanzahl für implantatgetragenen Zahnersatz bei zahnlosen Kiefern wird immer wieder aufgeworfen. Das All-on-X-Konzept sieht eine festsitzende bzw. bedingt festsitzende Versorgung im zahnlosen Kiefer vor. Naujakat, Behrends und Wiltfang kommen 2018 zu folgender Feststellung: Beim zahnlosen Oberkiefer eignen sich in der Regel mindestens sechs Implantate und im Unterkiefer mindestens vier Implantate festsitzend.4 Wolfart und Kern vertraten 2016 die Ansicht, wünscht der Patient einen festen Halt seines Zahnersatzes oder liegt ein sehr ausgeprägter Knochenabbau in vertikaler Dimension vor, wird eine Versorgung aufStegen (vier bis sechs Implantate) oder Teleskopen (sechs Implantate) gewählt.5 Im Oberkiefer heißt es: „Wünscht der Patient eine starre Lagerung der Prothese, um wieder das Gefühl von festen Zähnen zu haben, sind vier bis sechs Implantate notwendig. Diese werden entweder mit Teleskopen (sechs Implantate) oder mit einem parallel gefrästen Steg (vier bis sechs Implantate) versorgt. […] Wünscht der Patient explizit eine festsitzende Restauration, so ist hierfür die Insertion von mindestens fünf Implantaten notwendig.“6 Retrospektiv berichten Maló et al. (2019) in ihrer Studie über das „All-on-4“-Konzept mit Sofortbelastung zur Rehabilitation des zahnlosen Oberkiefers bei insgesamt 1.072 Patienten mit einer Nachbeobachtung von fünf bis 13 Jahren über eine Überlebens- und Erfolgsrate der Implantate von 93,9 Prozent bei einer Nachbeobachtung von bis zu 13 Jahren. Die Schlussfolgerung für das All-on-4-Behandlungskonzept im Hinblick auf das Langzeitergebnis gilt als vorhersehbar und sicher.7 Zu diesem Schluss kam Heydecke in seiner Übersichtsarbeit bereits 2012.8
Die Fragestellung zur Implantatanzahl im Oberkiefer oder Unterkiefer ist oft sehr patienten- und behandlerspezifisch zu betrach-ten. Für Kostenträger ist die Frage oft von übergeordneter Relevanz. Für den Praktiker stellt sich die Frage nach der Umsetzbarkeit. Zudem sind auch das Knochenangebot und dessen Qualität für die Anzahl der Implantate und auch der Implantattypus maßgebend. Folgender Beitrag zeigt ein Fallbeispiel mit drei Implantaten, sechs Jahre in situ.
Konzeptumsetzung
Das hier vorgestellte Konzept wird in verschiedenen Zusammenarbeitsstrukturen umgesetzt. Es gibt Hauszahnärzte, die ein derartiges Konzept von der Chirurgie bis einschließlich der Prothetik umsetzen. Genauso werden diese Konzepte von Oralchirurgen und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen in einer Hand umgesetzt. Viel häufiger ist aber die Umsetzung in der Zusammenarbeit zwischen einem Hauszahnarzt und einem Oralchirurgen oder Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Hier stellt sich die Frage: Wer hat dieses Konzept in der Patientenberatung angeregt? In der Regel wird es aus chirurgischer Betrachtung heraus als Versorgungsalternative angeregt. Dann kommt das All-on-X-Konzept oft mit einer provisorischen Sofortversorgung zur Anwendung, und der Hauszahnarzt überführt die Arbeit oftmals in eine CAD/CAM-Stegarbeit. Genauso oft werden die Implantate klassisch mit typischer Einheilphase von im Unterkiefer zwei bis drei Monaten und im Oberkiefer vier bis sechs Monaten inseriert. Dann kommt es im Rahmen der Implanatfreilegung zur Versorgung mit Gingiva-/Sulkusformer. Oftmals werden vom Oralchirurgen oder Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen die speziellen geraden oder abgewinkelten Abutments eingebracht, in vielen Fällen ist das die Aufgabe des Prothetikers. Nach der normativen SAC-Einstufung gelten die All-on-X-Behandlungsfälle als komplex. „Ein Falltyp mit der Einstufung komplex wird für den unerfahrenen und für den erfahrenen Behandler gleichermaßen schwierig zu bewältigen sein. Der erfahrene Behandler besitzt die Kompetenz und das Wissen zur Bewältigung komplexer Fälle und möglicher Komplikationen.“9 Das Konzept ist techniksensitiv und nur in der Zusammenarbeit mit einem zahntechnischen Labor umsetzbar. Die CAD/CAM-Stegherstellung wird laborseits oftmals an einen Industriepartner, z. B. mit Atlantis™ Suprastrukturen, ausgesourct. Zudem konnte in einer Befragung gezeigt werden, dass bei zahnlosen Kiefern Zahnärzte mit und ohne Masterstudiengangausbildung nur zu 32 Prozent eine CAD/CAM-Versorgung in Erwägung ziehen,10 d. h. diese Versorgungsform gehört in einer Allgemeinzahnarztpraxis nicht zum Standartrepertoire.
Sheffield-Test
Der Sheffield-Test ist eine aussagefähige Überprüfungsmethode des passiven Sitzes von zahnärztlichen Mesostrukturen.11 Dabei zeigt er eindeutig die Passung oder Fehlpassung der Mesostruktur auf dem Modell und im Mund an. Mit einer Schraube wird die Mesostruktur auf dem Modell am distal positionierten Modellimplantat oder Abutment zur Kontrolle festgeschraubt.12 Dabei darf kein Spalt zwischen Mesostruktur und den restlichen Abutments bzw. Implantaten vorhanden sein. Wird eine Spaltbildung festgestellt, liegt eine Passungenauigkeit vor. Diese Passungskontrolle wird wechselseitig an der Mesostruktur vorgenommen. Dieser Test wird bei der Steg- oder Brückeneinprobe im Mund des Patienten wiederholt. Eine röntgenologische Überprüfung bei verschraubten Mesostrukturen reicht als Qualitätsmerkmal für einen passiven Sitz nicht aus, gibt aber einen ersten Hinweis.
Innerhalb der Befragung haben 99 Prozent der Zahnärzte diese Frage beantwortet. Nach dem Sheffield-Test wurde wie folgt gefragt: 36 Prozent der befragten Zahnärzte war der Sheffield-Test unbekannt. Zwölf Prozent der Zahnärzte war der Zusammenhang zwischen Stegversorgungen und Sheffield-Test nicht plausibel. Daraus darf geschlossen werden, dass der Sheffield-Test als Überprüfungsinstrument einer Stegversorgung auf Spannungsfreiheit nicht erfolgte. Bei den Zahnärzten mit einer postgradualen Masterausbildung in Implantologie hat keiner der Befragten festgestellt, dass der Sheffield-Test für die Stegversorgungen unwichtig ist. Dieses wurde aber von 16 Prozent der Zahnärzte ohne postgraduale Masterausbildung konstatiert.11
Abformtechnik
Seit Beginn der Implantologie befassen sich Studien mit der Abformtechnik in der Implantologie und deren Genauigkeit. Lee et al.12 fassten 2008 in ihrer Metaanalyse bis dahin erhobene Ergebnisse aus 17 Studien zusammen. Sie stellten die zwei existierenden Abformmethoden gegenüber:
- 1: Die indirekte geschlossene Abformung mittels Transferkappen, auch als Transfer-Methode oder Repositionsverfahren bezeichnet. Im Weiteren wird diese als indirekte Methode bezeichnet.
- 2a: Die einfache oder direkte Methode, auch als Pick-up-Methode oder offene Abformung bezeichnet. Im Weiteren wird diese als einfache direkte Methode bezeichnet.
- 2b: Die einfache oder direkte Methode mit Verblockung, auch als offene Abformung mit Verblockung bezeichnet. Im Weiteren wird diese als einfache direkte Methode mit Verblockung bezeichnet.
1. Indirekte Methode
Bei der indirekten Technik oder Repositionstechnik finden Implantatabformpfosten Verwendung, die eine konische oder zylindrische Form besitzen. Sie sind durch Schrauben mit den Implantaten fixiert und verbleiben dadurch nicht in der Abformung. Anschließend werden die Abformpfosten gelöst und für die Herstellung des Meistermodells mit Implantatanaloga verschraubt. Die Abformpfosten werden mitsamt der Modellreplika in den Abdruck reponiert.
1.1 Verwendung unterschnittiger Abformpfosten
„Bei diesem Verfahren verbleiben die unterschnittigen, verschraubten Implantatabformpfosten nach Entfernung des Abdrucks im Mund. Die Schrauben werden erst nach Entnahme gelöst und die Pfosten in die Abformung reponiert. Dies kann aber aufgrund der Unterschnitte zu extrem verfälschten Positionen der Implantatanaloga im Modell führen.“13, 19
1.2 Verwendung von Transfer-Caps
„Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Pick- up- und Repositionstechnik: Die in das Implantat eingeschraubten Abformpfosten werden mit je einem unterschnittigen Transfer-Cap aus Kunststoff versehen. Die Caps verbleiben nach Abformung in dieser. Anschließend wird zur Modellherstellung je ein Laboranalog in diese eingesteckt. Diese Technik weist gegenüber der herkömmlichen Repositionstechnik eine erhöhte Präzision auf.“14–16
2a. Einfache direkte Methode
Die einfache direkte Methode, auch Pick-up-Technik genannt, zählt zu den offenen Abformmethoden, bei welcher die unterschnittigen Abformpfosten in der Abformung verbleiben. Dieses ist von besonderer Wichtigkeit, da die Abformpfosten mit ihren Unterschnitten ihre Retention in der Abformmasse finden. Ähnlich wie bei der Repositionstechnik wird der Abformpfosten mittels einer Schraube am Implantat befestigt. Als Abformlöffel kann ein spezieller Implantatabformlöffel oder klassischerweise ein individueller Löffel mit Perforationen im Bereich der Implantate benutzt werden, wobei einige Anwender den Zugängen Verstärkungen hinzufügen, um die Abformpfosten zusätzlich zu stabilisieren.
2b. Einfache direkte Methode mit Verblockung
Eine Besonderheit ist die Verblockung der Abformpfosten untereinander mit Acrylatkunststoff und Zahnseide. Hierbei werden zunächst die Gingivaformer abgeschraubt und entfernt. Dann werden die Abformpfosten für die offene Implantatabformung aufgeschraubt. Im nächsten Schritt werden die Implantatabformpfosten mit Zahnseide in 8er-Ligaturen untereinander verblockt. Die Zahnseide wird mit schrumpfungsarmem Acrylatkunststoff (GC Pattern Resin™ LS) verstärkt.
Darstellung in der Literatur
Albert Franke hat in seiner Promotionsschrift aus dem Jahr 2014 die gesamte englischsprachige Literatur aufgearbeitet.17 Diese Zusammenfassung bezieht sich im Wesentlichen auf das systematische Review aus dem Jahr 2008 über alle verfügbaren Studien zum Thema Implantatabformtechniken, welche in den Jahren 1980 bis 2008 publiziert wurden.18
„Insgesamt hatten [Lee et al.] über allgemeine Recherchen 17 In-vitro-Studien ausfindig machen können, welche dieGenauigkeit zwischen geschienter und nicht geschienterAbformtechnik untersuchten. Von den 17 Studien befürworteten sieben die geschiente Implantatabformung mittels Kunststoffverblockung, während drei Studien bessere Ergebnisse bei den nicht geschienten Multi-Implantat-Abformungen vorfanden. Die übrigen Studien kamen zu dem Schluss, dass keine der beiden Methoden genauere Abformungen lieferte. Um […] zwischen geschlossener und offener Implantatabformung zu unterscheiden, analysierten Lee et al. auch diese Studien und fanden insgesamt 14 Studien […]. Fünf Studien stellten eine höhere Abformungspräzision der offenen Abformtechnik, zwei Studien stellten akkuratere Abformungen bei der geschlossenen Abformung fest. Die restlichen sieben Studien konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Methoden herausfinden.“17
In Fortführung der Übersichtsarbeit von Lee et al. konnte Franke 22 weitere Studien finden, die eine höhere Abformgenauigkeit bei verblockten Abformpfosten gegenüber unverblockten belegten.18 Laut Franke kamen fünf Studien zu anderen Resultaten. Zehn Studien kamen zu dem Ergebnis, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Methoden existierten. Franke kam aufgrund seiner Statistik zu der Erkenntnis, dass 60 Prozent der Autoren eine Verblockung bevorzugen, 27 Prozent diese ablehnen und 13 Prozent keinem dieser Abformverfahren einen Präzisionsvorteil zuschrieben. Franke bewertete das von ihm untersuchte Studienmaterial kritisch, da hier stets parallel ausgerichtete Implantatmodelle zur Anwendung kamen. In seiner Arbeit wurden Abutmentverblockungen für multiple Implantate im Oberkiefer mit deutlich unterschiedlicher Achsausrichtung, die der Praxisrealität viel näherkommen, nachuntersucht. Seine „Ergebnisse zeigten signifikante Abweichungen. Die verblockte direkte Abformtechnik erreichte die präziseste Imitation des Urmodells, gefolgt von der Transfertechnik. Die unverblockte direkte Technik erzielte im Vergleich die ungenauesten Werte.“18 Zudem hat die Wahl der Implantatabformungstechnik eine größere Auswirkung auf die Genauigkeit des Abformergebnisses als die Wahl des Abformmateriales.19, 20 Ebenso hat die Wahl des verwendeten Implantatsystems einen Einfluss auf die Abformgenauigkeit.21 Die Abformtechnik hat zusammenfassend den größten Einfluss. In der durchgeführten Befragung entschieden sich lediglich 37 Prozent der Zahnärzte für eine verblockte Abformung in Pick-up-Technik, die als einfache direkte Methode mit Verblockung beschrieben wurde. Die Befragten wurden in Generalisten und Experten eingeteilt. Als Experte wurden die Zahnärzte bezeichnet, die einer Peers-Gruppe oder einem ITI Study Club angehören. Die Verteilung Generalist : Experte betrug 4:3, die Altersverteilung war im Mittelwert 50 Jahre zu 47 Jahre bei identischer Standardabweichung. Die Pick-up-Technik mit Verblockung fand in der Expertengruppe eineum fast zehn Prozentpunkte höhere Anwendung. Die Verteilungsunterschiede zeigen aber im Chi-Quadrat-Test keine Signifikanz. Zusätzlich wurden in teilnehmenden zahntechnischen Laboren über ein Vierteljahr sämtliche Implantatabformungen untersucht, bei denen mindestens zwei benachbarte Implantate zur Abformung kamen. Nicht berücksichtigt wurden die Implantatabformungen, die sich aufgrund der Angulierungswinkel der Abformpfosten zueinander nicht verblocken ließen. Diese Implantatfälle wurden in ihrer Anzahl auch nicht erfasst. 69 Prozent der Abformungen erfolgten in Pick-up-Tech-nik ohne Verblockung. 31 Prozent der Abformungen waren in Pick-up-Technik mit Verblockung ausgeführt. Bezogen auf die Stegversorgungen zeigte sich ein anderes Verhältnis. 60 Prozent waren in der Pick-up-Technik mit Verblockung abgeformt. Diese Abformtechnik wurde bei Brückenversorgungen weniger als zu einem Viertel angewandt. Zusammenfassend verlangt das All-on-X-Konzept nach einer verblockten Abformung.22
Prothetischer Behandlungsablauf
Wenn die geraden und/oder angulierten Basisaufbauten (Ankylos® Balance C/schmal) in situ sind, werden diese mit den Schutzkappen für Balance Basisaufbau schmal für die Zeit zum Schutz versorgt. In dieser Situation erfolgt entweder eine Situationsabformung oder ein Situationsscan. Im zahntechnischen Labor wird aufgrund dieser Basis ein Pattern-Resin-Steg hergestellt, der die Retentionskappe für Balance Basisaufbau schmal einbindet. Dieser Steg wird der Zahnarztpraxis getrennt angeliefert. Die Retentionskappen werden in situ eingebracht und mit der Halteschraube okklusal M 1,6 mm Hex extralang fixiert. Der getrennte Pattern- Resin-Steg wird intraoral mit dem gleichen Material verblockt. Danach erfolgte die typische Implantatabformung auf Abutmentniveau mit z. B. Dentsply Sirona Aquasil Ultra+ über einen laborgefertigten individuellen Abformlöffel. Im zahntechnischen Labor wird dann das klassische Meistermodell mit dem Basisaufbau entsprechend der Implantatanzahl hergestellt. Dieses wird samt der Unterkieferwachsaufstellung und dem Gegenkiefer, der auch 3D-gedruckt sein kann, und einer Bißnahme versandt. Der Auftrag wird vom Zahntechniker in der ATLANTIS-WebOrder parallel eingegeben. Die Suprastruktur wird erst nach einer Überprüfung und der endgültigen Freigabe des Designs im ATLANTIS ISUS-Viewer gefertigt. Die Implantat-Suprastruktur wird an das Dentallabor geliefert, das daraus die fertige Prothetiklösung herstellt und diese dem Zahnarzt schickt.
Fertigungstechniken für Stege
„Die Herstellung eines Stegs erfolgte in der Vergangenheit über die konventionelle Gusstechnik. Da es aufgrund der Verfahrenstechnik jedoch kaum möglich ist, einen spannungsfreien passiven Sitz des gegossenen Stegs zu erzielen, wurden verschiedene Hilfswege genutzt, um ein Passive-Fit zu erzeugen. Das Trennen und Fügen (Löten und Lasern) eines Stegstrug das Risiko weiterer Fehlpassungen und/oder eines geschädigten Materialgefüges. Als gut funktionierende Alternative etablierte sich in den 80er-Jahren das Passivieren des gegossenen Stegs mit Funkenerosionstechnik (SAE Dental). Mit dem industriellen, für die Zahntechnik angepassten Verfahren wird ein echter spannungs- und spaltfreier Sitz auf den Implantataufbauten erzielt. Mittlerweile hat sich die CAD/CAM-Technologie gegen die Gusstechnik durchgesetzt und ist bei der Stegherstellung dem Gießen überlegen. Es kann eine äußerst hohe Präzision erzielt werden. […] Bis vor einigen Jahren wurde nur der Steg CAD/CAM-gefräst und der Stegüberwurf über die Gusstechnik gefertigt. Heute werden beide Komponenten im CAD/CAM-Prozess hergestellt.“23 Das hier verwendete System bietet primäre und sekundäre Suprakonstruktionen für herausnehmbare Lösungen an. Die Markteinführung war 2005. Die CAD/CAM-Technologie erzielt in der zahntechnischen Fertigung Ergebnisse, die frei von Kompromissen sind. Insbesondere in der Implantatprothetik ist die exakte Passung derSuprastruktur ein entscheidender Punkt für den Erfolg der Implantattherapie.
Schwierigkeiten im Behandlungsablauf
Wenn es zu Schwierigkeiten im Behandlungsablauf kommt, wird von den wissenschaftlichen Vorgaben dieses implantologischen Behandlungskonzeptes abgewichen, und zahnbasierte Vorgehensweisen werden auf die Implantologie übertragen.
Im ersten Beispiel erschien die Patientin nach prothetischerRehabilitation mit einem gegossenen Steg mit Schmerzen am rechten äußeren Implantat. Nach Lösung dieser Schraube kam es zur Besserung der Beschwerden. Der gegossene Steg wies kein Passive-Fit auf.
Im zweiten Beispiel lockerten sich die Basisaufbauten bei der Stegeinprobe. Die Abutments wurden refixiert und die prothetische Arbeit fortgesetzt. Nach einem Jahr Tragezeit kam es zum Implantatverlust und Implantatbruch bei den refixierten Abutments. Es wurden Implantate nachgesetzt und das Konzept der Stegversorgung verlassen. Es erfolgte eine Umstellung auf eine teleskopierende Arbeit sowohl im Oberkiefer und prophylaktisch auch im Unterkiefer, obwohl es in der S3-Leitlinie keine Empfehlung für diese Versorgungsform gibt. Bei der Refixierung der Abutments kam es zu Vernachlässigung der Passive-Fit-Anforderung. Bei einem indexfreien Abutment ist die 360° Drehbarkeit gegeben. Das lässt eine freie prothetische Gestaltbarkeit zu. Bei Abutmentlockerung ist dann der Steg neu anzufertigen, da die Passive-Fit-Passung der Suprastruktur nicht mehr möglich ist. Bei indexierten Abutments ist durch die chirurgische Implantatinsertion die prothetische Ausrichtung vorgegeben. Die indexfreien Abutments geben dem Prothetiker mehr Freiheiten.
Im dritten Beispiel erfolgte die Abformung nicht auf Abutmentniveau, sondern auf Implantatniveau. In diesem Beispiel wurden die Abutments mit dem CAD/CAM-Steglaborseits verklebt. Um die Eingliederung in der Mundhöhle zu ermöglichen, wurden die Abutments am Verbindungselement zum Implantat beschliffen. Das wirdseitens des Implantatherstellers nicht empfohlen. In einem vierten Beispiel kam es acht Wochen nach der prothetischen Versorgung zum Implantatbruch. Das Implantat zeigt an der Fraktur einen deutlichen Versatz. Der Steg zeigte auf den restlichen Implantaten eine spürbare und sichtbare Spannung. Hier liegt der Fehler sicherlich in der Abformung. Zumindest wurde die Spannung bei Insertion des Stegs auf die Implantatabutments vom Prothetiker nicht registriert. In einem fünften Beispiel kam es nach vier Jahren zur Implantat- und Abutmentfraktur. Hier ist das Geschehen auf den gleichen Mechanismus wie im Beispiel Vier zurückzuführen. Es zeigt sich eindeutig ein Anwenderfehler. Im Nachgang kann davon ausgegangen werden, dass der Steg von links nach rechts verschraubt und so die Spannung aufgebaut wurde, die für das Frakturgeschehen ursächlich ist.
Diskussion
Die All-on-X-Versorgungsform gilt als eine hochkomplexe Rehabilitationsleistung, wobei andererseits die eigentliche Umsetzung bei strikter Einhaltung der einzelnen Behandlungsschritte keine große Schwierigkeit darstellt. Der Schlüsselpunkt ist und bleibt die verblockte Abformung. Das Übertragen der typischen Behandlungsabläufe aus der zahnbasierten Zahnheilkunde auf dieses Verfahren ist im Abformbereich nicht möglich. Reiner Biffar gibt 2011 bereits den expliziten Praxistipp: „Man benutzt immer die direkte Methode mit der Verblockung, auch wenn nur zwei benachbarte Implantate abgeformt werden.“25 Dieser Praxistipp beschreibt die Conditio sine qua non der implantologischen Abformung. Die schriftliche Befragung von Zahnärzten einer Fortbildungsveranstaltung zeigte, dass lediglich 37 Prozent eine verblockte Abformung anwenden. Der Sheffield-Test war 57 Prozent bekannt. Die Onlinebefragung aus der gleichen Arbeit zeigt, dass nur 20 Prozent der Zahnärzte die verblockte Abformung nutzen, bei einem 50-prozentigen Bekanntheitsgrad des Sheffield-Tests. Diese Untersuchung zeigt einen Qualifizierungsbedarf auf, wobei vermutlich eher „fortbildungsaffine“ Zahnärzte erfasst wurden. Diese Ergebnisse sind für die Qualität und die Standards der implantatprothetischen Versorgung relevant.24 Da die Abformung seit Jahren im Umbruch zur digitalen Abformung ist, besteht hier eine Gelegenheit, Gewohnheiten in der Abformung zu überwinden. „Alle Intraoralscanner nutzen Formen der optischen Datenerfassung. Dies geschieht meist über ein Streifenlichtmuster, welches auf die Zähne projiziert wird. Die Kamera des Intraoralscanners erfasst das entstehende Muster und berechnet daraus ein 3D-Profil. So entstehen mehrere Abbildungen, die aneinandergelagert werden und so Aufnahmen von größeren Bereichen des Kiefers ermöglichen. Bei der Digital-Scan-Abformung wird für Full-Arch-Restaurationen mithilfe von Scanbodys oder modifizierten Scanbodys, welche oft erfolgsabhängig von der Scanstrategiemethode, der Geometrie der Scanbodys sowie dem Matchen der Scandaten sind, eine digitale Abformung erstellt.“25 Hier könnte zukünftig die Fotogrammetrie eine wegweisende Rolle spielen. „Fotogrammetriesysteme arbeiten extraoral, erfassen die Positionsmarker der Implantate gleichzeitig und messen, in welcher räumlichen Beziehung diese zueinanderstehen. […] Danach wird mit dem Intraoralscanner die Gingivaoberfläche mit den Implantatheilkappen erfasst.“ 26 Hierfür bedarf es noch weiterer Untersuchungen.
Ein immer viel diskutiertes Thema ist die Implantatanzahl beim All-on-X-Konzept. Diese ist von vielen Faktoren abhängig. Zu nennen sind der Implantattyp, der Implantatdurchmesser und die Implantatinnengeometrie. Im Weiteren sind die Knochenqualität und -quantität zu betrachten. Auch spielt die Gegenbezahnung zum All-on-X-Kiefer eine entscheidende Rolle, sodass hier keine einheitliche Linie für den Oberkiefer erkennbar ist. Es gelten in der Regel vier bis sechs Implantate als ausreichend. Im Unterkiefer sind es in der Regel vier. Wie dargestellt, reichen bei diesem Implantatsystem auch drei Implantate aus.
Zusammenfassung
Es ist ein Konzept, das die minimalinvasive Behandlung mit rascher Genesung, geringen postoperativen Beschwerden und einer möglichst schnellen Wiederherstellung der Gesellschaftsfähigkeit für zahnlose Patienten bietet. Das All-on-X-Konzept wird in der Regel im Oberkiefer auf vier bis sechs und im Unterkiefer auf vier Implantaten realisiert. Die Anzahl der Implantate ist nicht der entscheidendeAspekt. Die Conditio sine qua non ist die direkte und verblockte implantologische Abformung, die einzig eine spannungsfreie Passung der industriell gefertigten patientenindividuellen Suprastruktur gewährleistet. Das Verfahren wird nach SAC-Klassifikation als komplex eingestuft. Bei stringenter Einhaltung der Arbeitsschritte, insbesondere der Abformung, ist dieses Verfahren mit der seitens der Industrie kommunizierten Verfahrensbeschreibungen in jeder Zahnarztpraxis umsetzbar.