Branchenmeldungen 15.10.2025
„Ich war nie eine Quotenfrau“
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Frau Dr. Hanßen, was motiviert Sie, sich in diesem Maße in das standespolitische Tagesgeschäft einzubringen und welche Rolle spielt dabei das Thema Frauen in Führungspositionen?
Ganz einfach, ich wollte meine zahnärztliche Berufsausübung nicht von Menschen bestimmen lassen und mich nicht von Kollegen repräsentieren lassen, die ich selbst nicht gut gefunden habe. Damals gab es einige Kollegen in der zahnärztlichen Öffentlichkeit, die ich im Auftreten eher als schlecht für die Außenwirkung des Berufstands empfand. Frauen waren eher nicht vorhanden und haben mir auch nicht bei meinem Weg in die Standespolitik geholfen. Geholfen haben mir die heute so beschimpften alten weißen Männer!
Für mich selbst ist immer als erstes die Qualifikation entscheidend, ich war nie eine Quotenfrau und habe das auch nie gefordert. Ich sehe allerdings, dass es in den männlichen Netzwerken oft keinen Platz für Frauen gibt, da es die Männer irritiert, dass wir ihre Spielregeln nicht automatisch akzeptieren. Das macht für sie vieles unplanbar und anstrengend, wenn sie können, vermeiden sie sich den Stress.
Als Vorsitzende der Bezirksstelle Lüneburg und Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Niedersachsen sind Sie eine sichtbare weibliche Stimme in der Berufspolitik. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in dieser Funktion gemacht?
Ehrlich gesagt war das überhaupt kein Thema für mich. Ich habe immer gut mit Männern zusammenarbeiten können und war eigentlich nicht unglücklich, wenn ich den weiblichen Neidereien aus dem Weg gehen konnte. Natürlich trifft man ab und zu auf einen Ewiggestrigen, der ein Problem mit klaren Ansagen von einer Frau hat. Da wird dann auch versucht, mir Steine in den Weg zu legen. Aber ich versuche, das mit Freundlichkeit, Charme und Bestimmtheit im Handeln zu lösen.
Viele junge Zahnärztinnen suchen heute nach Vorbildern. Wie möchten Sie Frauen in der Zahnmedizin ermutigen, sich selbstbewusst in Praxisführung, Kammerarbeit und Standespolitik einzubringen?
Wir kochen alle nur mit Wasser, ich kann nur sagen: einfach machen. Ich habe mich früher auch oft nicht so getraut, wirtschaftlich größere Investitionen zu tätigen, und habe im Nachhinein oft bereut, dass ich dafür länger gebraucht habe. Wenn man nicht zwei linke Hände hat, kann man in der Zahnmedizin ein sehr selbstbestimmtes und zufriedenes Leben in der eigenen Praxis führen. Die Dankbarkeit und Wertschätzung unserer Patienten ist groß und gibt einem selbst ein gutes Gefühl zurück.
Genauso ist es in der Standespolitik. Dinge selbst zu beeinflussen und die Richtung vorzugeben, macht eine höhere Berufszufriedenheit. Natürlich kann man nicht alles, was uns in der Zahnmedizin stört, ändern – Stichwort Bürokratieabbau. Hier muss die Politik endlich liefern!
Welche Schritte halten Sie für notwendig, um die Frauenpower in der Zahnärzteschaft noch stärker sichtbar zu machen und nachhaltig zu fördern?
Es gibt unter den Kolleginnen viele tolle toughe Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Die können einen dann auch unterstützen und fördern. Wir müssen aufhören, uns mit Neidereien und Machtspielchen selbst auszubremsen. Das machen die Männer natürlich auch, aber nicht so dauerhaft, wie wir Frauen. Das ist schade und unnötig.
Es ist super, wenn wir nicht homogen und uniform sind, und so könnten wir unsere Fähigkeiten besser bündeln und zu guten Ergebnissen kommen. Viele müssen einfach noch mehr die Erziehung ihrer Mütter abstreifen, die ihnen sagt: Ein gutes Mädchen tanzt nicht aus der Reihe.
Ich denke, auf Dauer wird es einfach immer mehr engagierte Kolleginnen geben. So wie wir in der Praxis jetzt bald in der Mehrheit sind, wird es auch in der Standespolitik in einigen Jahren anders aussehen. Ich bin kein Fan von Quoten, finde aber die Versuche, sie jetzt zu umgehen auch traurig. Wenn die Politik uns Quoten aufgibt, sollten wir sie konstruktiv nutzen und den guten Kolleginnen helfen, in die Ämter zu kommen und dort gute Arbeit zu machen.