Branchenmeldungen 14.08.2012

Kammern – Bürokratien ohne echte Funktion



Kammern – Bürokratien ohne echte Funktion

Foto: © XtravaganT - Fotolia.com

Im Rahmen der Bemühungen um Deregulierung und Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte in Europa zur Wettbewerbsöffnung und Stärkung des Wirtschaftswachstums versucht die EU-Kommission immer wieder im Rahmen von Richtlinien (Berufsanerkennungs-, Dienstleistungs-, Patientenrichtlinie), zuletzt ­jener zur Revision von Verfahren beruflicher Abschlussprüfungen, in das deutsche Kammersystem einzugreifen. Dabei sollen Kernbereiche der ­bisherigen „freiberuflichen Selbstverwaltung“ im deutschen Zwangskammersystem ausgehebelt werden. So soll ­unter anderem die Ausübung der Berufsaufsicht nicht mehr durch Kammern, sondern durch Behörden in den einzelnen Ländern erfolgen.

Bisher ist es den Heilberufskammern immer gelungen, das den „Freien Berufen“ angeblich „innewohnende Konzept“ der beruflichen Selbstverwaltung in Zwangsmitgliedschaft als sogenannten Dritten Weg in Europa durchzusetzen. Außer blumigen Floskeln und einem Beharren auf dem Standpunkt „Kammern hat’s immer gegeben“, alles sei vor allem im Interesse der Patienten und vor allem, wohin mit den Büro­kratie- und Selbstverwaltungsgremien (Vorstände, Kammerversammlungen, Ausschüsse), kommt keine stichhaltige Rechtfertigung einer Daseinsberechtigung. Übrigens eine Frage, die sich nicht nur aus europäischer Sicht, sondern vor allem im Interesse der betroffenen zur Zwangsmitgliedschaft verurteilten Zahnärzte stellt.

Die Philosophie vom „Freien Beruf“ fußt mit der daraus abgeleiteten Schutzfunktion in der Kammergemeinschaft auf dem Einzelkämpfer-Prinzip in der Praxis und bei Ärzten auch noch der „heilenden Unabhängigkeit“ des angestellten Arztes. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte haben längst weitgehend die Formel „Freier Beruf“ hinter sich ge­lassen und sich zu Beratungs-Dienstleistungsunternehmern in Sozietäten und Konzernen entwickelt. Solche ­Entwicklungen bahnen sich auch bei Zahnärzten und Ärzten an. Gebührenverzeichnisse wie bei Zahnärzten eine GOZ, die keine „freie Vereinbarung“ erlauben, sind diesen „Unternehmen“ ein Gräuel und längst überholt.

Dass eine Kammer zur Sicherung der PKV-Interessen, die in der Politik Vorrang vor den Belangen des „Freien Berufes Zahnarzt“ haben, in einer Gebührenordnung keinerlei zeitgemäßes Abbild einer medizinisch-wissenschaftlichen State of the Art-Zahnheilkunde schaffen kann, haben wir gerade mit der GOZ-BEMAtisierung erlebt. Gute Zahnärzte könnten ohne amtliche Gebührenordnung wahrscheinlich besser leben. In der fachlichen Weiterentwicklung kommt aus den Kammern auch nichts Besonderes, da stehen sie im Konzert mit zahllosen Berufsverbänden und Fachgesellschaften, in einzelnen Fachgebieten gleich mehrere Konkurrierende, wie in der Fortbildung noch viele andere, so Industrie- und Handel als Mitspieler dazukommen. Universitäre Weiterbildung zum Fachzahnarzt wird aus der Hoheit der Kammern heraus beschränkt.  Was bleibt, ist die Berufsaufsicht. Bedarf es hier für „Freie Berufe“ einer besonderen, selbst stringent dominierten? Ich rede nicht der Abschaffung  der Kammern an sich – als Zwangs­körperschaften schon – das Wort. Einer Zukunftsorientierung ohne Scheuklappen bedarf es aber dringend. Zahnärzte kommen sonst auch gut ohne „ihre“ (eine) Kammer aus,

toi, toi, toi, Ihr J. Pischel

Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper