Branchenmeldungen 20.04.2022

Kostentragung durch GKV für Implantate bei Würgereiz



Kostentragung durch GKV für Implantate bei Würgereiz

Foto: Towfiqu barbhuiya – unsplash.com

Rechtfertigt der Würgereiz eines Patienten die Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine implantologische Versorgung? Was gilt als Ausnahmeindikation und ab wann? Ein Streitfall aus Berlin-Brandenburg.

Bekanntermaßen übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung nur in bestimmten Ausnahmefällen die Kosten für eine implantologische Versorgung. Einen solchen Ausnahmefall sah ein Patient als bei ihm gegeben an, da er nach eigenem Bekunden an einem sehr ausgeprägten Würgereiz litt. Mit dieser Argumentation verklagte er seine gesetzliche Krankenversicherung.

Keine muskuläre Fehlfunktion

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte in zweiter Instanz zu entscheiden. In seiner Begründung zu seinem Urteil vom 15.04.2021 (Az. L 9 KR 540/17) führte das Landessozialgericht Berlin- Brandenburg aus: „Zur Überzeugung des Senats greift indessen auch die Ausnahmeindikation nach Buchstabe d) nicht. Denn der Würgereiz, unter dem der Kläger nach eigenen Angaben leidet, ist keine ‚nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktion im Mund- und Gesichtsbereich‘, sondern als vegetativ bzw. psychomotorisch bedingte Störung der Rachenmuskulatur einzuordnen. Ein Würgereiz oder Rachenreflex des Menschen ist primär ein normaler Abwehrmechanismus, der das Eindringen von Fremdkörpern in den Rachen (Pharynx), den Kehlkopf (Larynx) oder die Luftröhre (Trachea) verhindern kann und der durch ein taktiles Stimulieren des weichen Gaumens, der Zunge und von Teilen des Rachens ausgelöst wird. Dieser physiologische Reflex wird durch den Parasympathikus des vegetativen Nervensystems kontrolliert und ist dem Nervus glossopharyngeus und dem Nervus vagus zugeordnet. Über diese beiden Nerven werden intraorale Reize in die Medulla oblongata (Hirnstamm) geleitet und das Brechzentrum gereizt. Dies führt zu einem reflektorischen Anheben der Zunge und einer Kontraktion der Rachenmuskulatur. Folglich ist der Rachen betroffen und gerade nicht der Mund- und Gesichtsbereich, wie es bei Spastiken der Fall sein kann; vom Würgereiz ist nicht der Mund- und Gesichtsbereich, sondern der Schlundbereich, also der Halsbereich betroffen.“

Bezug auf medizinisches Gesamtziel

Demnach rechtfertigt ein Würgereiz des Patienten alleine nicht die Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine implantologische Versorgung. Darüber hinaus stellte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil fest, dass es sich bei einer implantologischen Versorgung nicht um eine – die Kostentragung durch die gesetzliche Krankenversicherung begründende – „medizinische Gesamtbehandlung“ handele. Eine Implantatversorgung sei nicht Teil einer „medizinischen Gesamtbehandlung“ im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V bzw. Abschnitt B. VII. Nr. 1 der Behandlungsrichtlinie. Eine solche setze sich aus verschiedenen human- und zahnmedizinisch notwendigen Bestandteilen zusammen, ohne sich in einem dieser Teile zu erschöpfen. Nicht die Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Gesamtkonzepts, sondern ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel müsse der Behandlung ihr Gepräge geben. Zur Begründung nimmt das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4.03.2014 (Az. B 1 KR 6/13) Bezug, in welchem aus dem Wortlaut der Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V abgeleitet wird. Der Anspruch bestehe danach nicht bereits dann – so das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg weiter –, wenn Implantate zahnmedizinisch geboten sind. Eine medizinische Gesamtbehandlung läge nicht schon dann vor, wenn dem Behandlungsplan des Zahnarztes ein Gesamtkonzept zur Wiederherstellung der Kaufunktion des Patienten zu entnehmen ist. Wenn die Ermöglichung der Abstützung von Zahnersatz durch Implantate das einzige oder das hauptsächliche Behandlungsziel seien, seien die Kosten des Implantats vielmehr vom Versicherten nach den allgemeinen Regelungen eigenverantwortlich zu tragen. Ausgehend davon diene die Implantatversorgung, die der Kläger begehrt, in seinem Fall allein der Wiederherstellung der Kaufunktion. Sie sei nicht in eine medizinische Gesamtbehandlung eingebettet.

Fazit

Diese Entscheidung bestätigt wieder einmal, dass die Kosten für eine implantologische Versorgung nur in wenigen Ausnahmefällen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden.

Dieser Beitrag ist im Oralchirugie Journal erschienen.

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