Branchenmeldungen 10.05.2011
Mit Biss ins hohe Alter
Zahnmedizin und Zahntechnik: Auf die Bedürfnisse von betagten Patienten einstellen
Die Mundgesundheit von Senioren ist oft besonders gefährdet. Denn im
Alter lassen die Beweglichkeit der Hände sowie das Tast- und Sehvermögen
nach, was es den älteren Menschen erschwert, Zähne und Zahnersatz zu
Hause gründlich zu reinigen. „Aufgrund des stetig wachsenden Anteils der
älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung sollten sich alle, die im
Umfeld der Senioren zu deren Wohl tätig sind, auf die Ansprüche, die
Einschränkungen und die Erkrankungen der betagten und hochbetagten
Menschen einstellen“, so Professorin Ina Nitschke vom Wissenschaftlichen
Beirat des Kuratoriums perfekter Zahnersatz (KpZ), und erklärt: „Weil
sich die Altersstruktur der Gesellschaft deutlich verschiebt, wird sich
auch das Anforderungsprofil an Zahnärzte und Zahntechniker verändern.“
Mit zunehmendem Alter steigen zwar die Kontakte zum Arzt oder Physiotherapeuten – doch Statistiken belegen, dass die Besuche von älteren Patienten beim Zahnarzt gleichzeitig immer seltener werden. Professorin Ina Nitschke, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Kuratoriums perfekter Zahnersatz (KpZ) und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin, kennt den Grund: „Viele Termine bei Ärzten und Fachärzten werden zuerst wahrgenommen, da die regelmäßigen Verschreibungen der Medikamente notwendig sind. Anfahrtsweg, Begleitung suchen, Wartezeit: Für viele Senioren wird mit zunehmender Gebrechlichkeit der regelmäßige Besuch bei den Ärzten und beim Zahnarzt beschwerlicher. Da rückt der halbjährliche Kontrollbesuch beim Zahnarzt in den Hindergrund und wird ausgelassen. Im Gegensatz zur allgemeinen Gesundheit werden Mundraum und Zähne dann schnell vernachlässigt.“
Das Problem: Viele Menschen wissen nicht, dass eine Verschlechterung der
Mundgesundheit auch mit einer Verschlechterung der allgemeinen
Gesundheit einhergehen kann. Dabei haben kranke Zähne gleich einen
doppelt schlechten Einfluss auf die menschliche Allgemeingesundheit,
erklärt die Expertin für Alterszahnmedizin: "Einerseits stellen kranke
Zähne und krankes Zahnfleisch
im Mund eine stete Entzündungsquelle dar. Über den Blutkreislauf können
die Keime auch an lebenswichtige Organe wie Herz, Lunge oder Niere
gelangen. Andererseits verändert sich bei älteren Menschen durch
Schmerzen im Mundraum oder Problemen mit dem Zahnersatz
oftmals auch das Essverhalten zum Schlechteren", warnt Nitschke. Wer
nur unter Schmerzen kauen kann, der greift statt zu Vollkornbrot lieber
zu weichem Weizenbrot, statt Möhren werden Joghurts gegessen. Damit kann
oftmals eine Unterversorgung von Mineralien und Nährstoffen
einhergehen, die sich negativ auf die Gesamtgesundheit der Senioren
auswirkt.
Herausforderung für Zahnmedizin und Zahntechnik
Und auch Zahnmedizin und Zahntechnik sollten umdenken: "Um Senioren
optimal behandeln zu können, brauchen Praxis- und Laborteam neben einem
hohen Fachwissen auch viel Geduld und Verständnis für die Bedürfnisse
und Einschränkungen ihrer älteren Patienten", erklärt Professorin
Nitschke. Da die Senioren zu einer Generation gehören, der nicht
lebenslang die modernen, vorbeugenden Aspekte der Zahnmedizin zugänglich
war, beginne die Aufgabe des Zahnarztes bereits zunächst oft damit, älteren Patienten die Möglichkeiten einer wirkungsvollen häuslichen Mundhygiene und Notwendigkeit regelmäßiger professioneller Zahnpflege nahe zu bringen.
"Das Bewusstsein, dass betagte Patienten spezielle Angebote auch in der
zahnärztlichen Versorgung benötigen, ist noch nicht sehr alt", erklärt
Expertin Nitschke. Doch inzwischen hätten viele Zahnärzte
und Zahntechniker die Zeichen der Zeit erkannt und sich auf die
Behandlung von älteren Patienten spezialisiert. Die Praxen der
Seniorenzahnmediziner sind besonders leicht zugänglich und auch mit
öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Kurze Wartezeiten sorgen
darüber hinaus dafür, dass der Gang zum Zahnarzt
für Senioren so einfach wie möglich wird. Oftmals verfügen diese Praxen
auch über speziell geschultes zahnmedizinisches Personal, das neben den
älteren Patienten selbst auch die Angehörigen oder die Pflegenden von Senioren mit der richtigen Technik zur Zahn- und Zahnersatzpflege
vertraut macht. Darüber hinaus bieten inzwischen viele zahntechnische
Meisterlabore spezielle Angebote für die seniorengerechte Praxis an.
Schwieriger ist die Situation dagegen für Patienten in Pflege-
und Seniorenheimen. "Hier kämpfen wir noch immer gegen eine
zahnmedizinische Unterversorgung an", zeigt sich Professorin Nitschke
besorgt. Regelmäßige Reihenuntersuchungen oder systematische
zahnärztliche Untersuchungen bei der Neuaufnahme gehören in diesem
Bereich noch nicht zur Routine. Und nicht selten wird auf die
konsequente Nutzung von Teil- oder Totalprothesen ganz verzichtet.
Patienten wie auch Personal und Angehörigen ist häufig die Wichtigkeit
der Kaufunktion nicht bewusst. Zu wenig Personal und ein straffer
Zeitplan machen die gründliche Mund- und Prothesenhygiene darüber hinaus zu einer Herausforderung für die Pflegenden.
"Doch aufgrund des Einflusses der Mundgesundheit auf die allgemeine
Gesundheit ist eine regelmäßige zahnmedizinische Betreuung durch das
zahnärztliche Team vor allem bei allgemein geschwächten Personen umso
wichtiger", argumentiert Nitschke.
Je früher, desto besser
Ob Patient, Angehöriger oder Pflegepersonal:
"Grundsätzlich sollte man sich so früh wie möglich mit dem Thema
Mundgesundheit im Alter auseinandersetzen", erklärt die Professorin. Für
Gesundheit und Wohlbefinden der Patienten sei es wichtig, dass sich in
jedem Alter der Mund, die Zähne und das Zahnfleisch in einem guten Zustand befinden und der Zahnersatz
voll funktionstüchtig sei. "Auch plötzlich auftretende
Allgemeinerkrankungen können den Alltag so erschweren, dass eine
Neuversorgung mit Zahnersatz nicht mehr möglich ist. Ist der Zahnersatz aber zu jedem Zeitpunkt in Ordnung, muss der Zahnarzt,
zum Beispiel bei einem Schlaganfall oder einer Demenz, das Vorhandene
erhalten und nicht völlig neu versorgen." Oftmals kann so komplizierten
Eingriffen unter erschwerten Bedingungen wirksam vorgebeugt werden.
Abschließend rät Ina Nitschke: "Ältere Patienten sollten sich in kurzen Intervallen dem Zahnarzt
vorstellen und mit einer professionellen Zahnreinigung möglichen
Putzdefiziten vorbeugen. Regelmäßige professionelle Reinigungen der Prothesen
durch den Zahntechniker sollten dabei nicht vergessen werden. Bei den
regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen können kleinere Probleme außerdem
schnell und ohne viel Aufwand behoben werden, größere entstehen durch
die regelmäßigen Besuche oft gar nicht erst."
Quelle: Kuratorium perfekter Zahnersatz