Branchenmeldungen 12.02.2014
Ohrakupunktur in der Zahnheilkunde
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Die Ohrakupunktur ist keine neue Erfindung – bereits in den 1950er-Jahren fand Dr. Paul Nogier (1908 – 1996), ein Allgemeinmediziner aus Lyon, die ersten Punkte am Ohr. Er entwickelte später zusammen mit Dr. Frank Bahr eine Karte der Ohrlokalisationen. Lange als rein empirische Methode betrachtet, brachte eine Studie an der Universität Paris vor einigen Jahren sensationelle Erkenntnisse – die Ohrreflexzonen sind direkt mit den zu den Organen gehörenden Zonen der Hirnrinde verbunden, nachgewiesen im funktionellen MRT.1 Diese Bilder gehen seitdem um die Welt.
Fallbeschreibung
Eine 35-jährige Lehrerin kommt wegen heftiger Rückenschmerzen in meine Sprechstunde. Die Schmerzen seien den ganzen Tag zu spüren. In meiner naturheilkundlichen Allgemeinarztordination mit Schwerpunkt Orthopädie sind Rückenschmerzen der Alltag. Mit Chirotherapie, Neuraltherapie und vor allem Ohrakupunktur kann ich sie in den meisten Fällen gut behandeln und lang anhaltende Schmerzfreiheit erzielen. Über die Ohrreflexzonen kann man, entsprechende Übung vorausgesetzt, genau und schnell herausfinden, wo jemand blockiert ist, woher Schmerzen genau kommen, welches Kiefergelenk involviert, welches Organ in Schwäche ist (z.B. die Galle sehr oft bei Migräne). Auf der Ohroberfläche ist der ganze Körper als Reflexzone abgebildet (Abb. 1).2,3 Bei der genannten Patientin konnte ich sehr genau über die Ohrreflexzonen mittels Punktsuchgerät bzw. RAC (syn. VAS, Nogierreflex) feststellen, wo sie blockiert war. Exakt gesetzte Nadeln (in diesem Fall Laser, da die Patientin empfindlich war) konnten die Blockaden jedes Mal lösen und die zugehörigen Muskeln entspannen (Abb. 2). Die Patientin stand – wie es nach einer lege artis ausgeführten Ohrakupunktur üblich sein sollte – schmerzfrei auf. Das Ganze hielt aber immer nur einige Stunden, dann setzte das alte Schmerzdrama wieder ein.
Störherde
Manchmal verhindern sogenannte Störherde den Erfolg einer Behandlung. „Störherde“ oder „Störfelder“ sind unterschwellige Prozesse im Körper, die schwächen und auch krank machen können.4 Diese Prozesse sind nicht leicht zu erkennen. Ihre unklaren Symptome stehen oft in keinem eindeutigen Zusammenhang mit den eigentlichen Ursachen. Mit den üblichen schulmedizinischen Kontrollen lässt sich oft nichts feststellen – der Patient ist scheinbar gesund. Am Ende glauben verzweifelte Patienten sogar selbst, dass sie sich ihre Beschwerden „nur einbilden“. Alle chronischen Entzündungen im Körper können zu Störherden werden. Eine Narbe kann zum Störherd werden, wenn sie z. B. den Energiefluss eines Akupunkturmeridians stört (sowohl Operations- als auch Unfallnarben). Weitere mögliche Krankmacher sind Zahnersatzmaterialien, Zahnfüllungen, diverse Schadstoffe oder bestimmte Nahrungsmittel. Ich führte bei der Patientin eine Störherdsuche über die Ohrreflexzonen durch. Hierbei lässt sich sehr genau erkennen, welche der vorhandenen Narben stört und an welcher Stelle sie problematisch ist (eine Narbe stört niemals in voller Länge). Diese Narben lassen sich über sehr exaktes Nadeln der zugehörigen Stellen an den Ohrreflexzonen wieder durchgängig machen. Bei der Testung fand ich den Zahn 27 als störend. Laut mitgebrachtem Röntgenbild war der Zahn wurzelbehandelt, zeigte auch bereits deutliche Veränderungen an der Wurzelspitze im Sinne einer Zyste (Abb. 3). Interessant war, dass die Patientin durchaus noch andere avitale Zähne hatte, die aber im Test nicht als Störherd erschienen. Ich empfahl die Entfernung des Zahns. Die Patientin lehnte das mit dem Argument ab, dass der Zahn ja nicht weh tue. Es ist immer dieselbe Antwort, die man in solchen Gesprächen hört. Der Mensch assoziiert einen Herd mit Schmerzen, alles andere erscheint ihm unwahrscheinlich. Häufig wird auch ein weiteres Argument angeführt, den Zahn nicht extrahieren zu lassen: Vor nicht allzu langer Zeit wurde gerade eine kostenintensive Behandlung (Krone, Brücke, Inlay, Onlay o. Ä.) an diesem Zahn durchgeführt. Daraufhin veranlasste ich eine Computertomografie vom Oberkiefer, um das wirkliche Ausmaß der Störung für die Patientin sichtbar zu machen. Das CT zeigte eine Zyste von 0,5 cm Ausdehnung (Abb. 4). Ich empfahl erneut die Extraktion des betroffenen Zahnes und lehnte weitere Ohrakupunktur-Behandlungen ab, die der Patientin nur unnötig Geld und Aufwand kosten würden. Die Patientin willigte schließlich ein. Als sie nach der Extraktion wieder in die Sprechstunde kam, war sie einigermaßen fassungslos, denn der Rückenschmerz verschwand sofort nach der Zahnentfernung. Sie würde jetzt erst erkennen, wie stark der Schmerz ein ganzes Jahr lang gewesen sei, und überhaupt – sie sei ein ganzes Jahr lang einmal in der Woche wohl umsonst zur Krankengymnastik gegangen. Das Ergebnis erstaunt den Akupunkteur nicht. Dass Zähne so einen engen Bezug zum Körper haben und im Falle einer Beherdung ein hartnäckiges Symptom unterhalten können, weiß man seit vielen Jahrzehnten. Unklar ist jedoch immer noch, warum der Körper eine Sprache spricht, die nur wenige Therapeuten lesen können. Ein endodontologisch arbeitender Zahnarztkollege hatte hierzu letztlich einen sehr guten Vorschlag: Am besten wäre es gewesen, bei der Erschaffung des Menschen die Zähne ohne Nerven auszustatten ...
Abb. 1: Ohrreflexzonen. – Abb. 2: Nadeln in Ohrreflexzonen. – Abb. 3: Röntgenbefund 27. – Abb. 4: CT-Befund bei 27.
Zahnärztliche Indikationen für die Anwendung der Ohrakupunktur
Für den geneigten Zahnarzt seien noch die speziellen zahnärztlichen Indikationen aufgeführt, die er während der laufenden Sprechstunde am Stuhl hervorragend durch Ohrakupunktur behandeln kann:
- Würgereiz
- Ängstlichkeit/Angst
- Kiefergelenksblockaden/-schmerzen
- Alveolitis Sicca
- Aphten
- Gesichtsschmerz
- Allgemeine Entzündungen im Mund
- Zahnfleischprobleme.
Zunehmend lassen sich Behandler in Akupunktur ausbilden. Sie haben erkannt, dass sich die Patienten dank dieser Methode auf dem Behandlungsstuhl besser entspannen können und weniger Angst und Schmerzen haben. Das erleichtert beiden – Patient und Arzt – die notwendigen Therapieschritte. Kurse für interessierte Zahnärzte finden Sie für Deutschland unter www.akupuktur-seminare.de. In der Schweiz werden spezielle Ohrakupunkturkurse für Zahnärzte u.a. von der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Akupunktur, Chinesische Medizin und Aurikulomedizin (SACAM) oder von der fortbildung ROSENBERG durchgeführt. In Österreich besteht die Möglichkeit der Ausbildung über die Österreichische Gesellschaft für Kontrollierte Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (ÖGKA).