Branchenmeldungen 11.06.2025

Praktikumsplattform bereitet Studierende gezielt aufs Land vor



MiLaMed ist ein Kooperationsprojekt der Universitäten Leipzig und Halle-Wittenberg. Die Abkürzung steht für „Mitteldeutsches Konzept zur longitudinalen Integration Landärztlicher Ausbildungsinhalte und Erfahrungen in das Medizinstudium“. Welches Ziel das Projekt verfolgt und ob es auch für die Zahnmedizin angedacht ist, erläutert Projektleiter Dr. Tobias Deutsch von der Universität Leipzig im Interview.

Praktikumsplattform bereitet Studierende gezielt aufs Land vor

Foto: Hannes Hirche

Herr Dr. Deutsch, was war die ursprüngliche Idee für das Projekt MiLaMed und wie hat sich diese Vision seit dem Projektbeginn entwickelt?

Die Grundidee bestand darin, Studieninhalte und Praktikumsmöglichkeiten zur medizinischen Versorgung in Kleinstadt und Land längsschnittlich und fächerübergreifend im Medizinstudium zu verankern und darüber möglichst viele Studierende für entsprechende Praxiserfahrungen zu gewinnen. Aus der internationalen Fachliteratur ist bekannt, dass diese zur Erhöhung der Bereitschaft zur späteren ländlichen Tätigkeit beitragen. Im Sinne eines möglichst niedrigschwelligen Zugangs für alle Studierenden sollten die neuen Angebote in das normale Pflicht- und Wahlpflichtcurriculum integriert werden. Zusätzlich wurde ein zielgruppengerechtes Kommunikationskonzept zur Sichtbarmachung konkreter ländlicher Regionen und ihrer Praktikumsangebote etabliert. Darüber hinaus sollten wichtige Hürden adressiert werden, vor allem durch die Möglichkeit zur Übernahme entstehender Kosten für Fahrt und Unterkunft bei Praktika in größerer Entfernung zum Studienort. Wir hatten in dem initial vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Projekt zunächst ein Jahr Zeit, um Befragungen durchzuführen und die notwendigen Strukturen inner- und außerhalb der Uni zu entwickeln und aufzubauen. Danach schloss sich eine durch das aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen extern evaluierte Erprobungsphase an. Die beiden kooperierenden Universitätsstandorte Leipzig und Halle-Wittenberg sind dabei mit jeweils zwei damals drohend unterversorgten Modellregionen gestartet, den Landkreisen Nordsachsen und Vogtlandkreis in Sachsen und den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Die Landkreise haben das Projekt ihrerseits organisatorisch und im Hinblick auf lokale Mobilität sowie Freizeitangebote unterstützt. Die Vision ist aufgegangen und nach anfänglichen Startschwierigkeiten aufgrund der damaligen pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen war das Projekt unter den Studierenden schnell bekannt und es fanden zahlreiche Praktika in den Partnerregionen statt. Am Standort Leipzig wird MiLaMed mittlerweile durch die Fakultät finanziert und wir haben zum Beginn des Sommersemesters 2025 mit dem Landkreis Leipzig die erste neue Region aufgenommen, um das Angebot für die Studierenden zu erweitern.

Bild von einem Quotenzeichen
„Die Vision ist aufgegangen und nach anfänglichen Startschwierigkeiten aufgrund der damaligen pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen war das Projekt unter den Studierenden schnell bekannt und es fanden zahlreiche Praktika in den Partnerregionen statt.“ – Dr. Tobias Deutsch

Warum haben Sie das Projekt an zwei Standorten gleichzeitig absolviert?

Mit der gleichzeitigen Etablierung von MiLaMed an zwei Medizinfakultäten in zwei Bundesländern wollten wir vor allem zeigen, dass das Konzept übertragbar ist und an Standorten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der jeweiligen Studienordnung, gleichermaßen funktionieren kann. Darüber hinaus haben wir versucht, Synergieeffekte zu nutzen, zum Beispiel über den Austausch von Lehrinhalten und Referierenden oder die gemeinsame Nutzung erstellter Online-Lehrinhalte. Ein länderübergreifender Austausch von Studierenden hinsichtlich ländlicher Praktika fand aus Gründen von Finanzierung, Verwaltung und Evaluation bisher leider kaum statt. An dieser Stelle könnte unser Konzept noch weiterentwickelt werden.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den teilnehmenden Studierenden, und wie fließen diese in die Weiterentwicklung ein?

Das Evaluationskonzept zur Erprobungsphase von MiLaMed war sehr umfangreich. Es fanden Befragungen der Studierenden aller Jahrgänge und beider Uni-Standorte zu Beginn und nach zwei Jahren statt. Es wurden nach Möglichkeit alle Lehrveranstaltungen und alle Praktika evaluiert und zusätzlich Interviews mit Studierenden sowie beteiligten Ärztinnen und Ärzten geführt. Die Rückmeldungen sind aus allen Richtungen vor allem positiv, sowohl im Hinblick auf die Wahrnehmung des Projekts insgesamt als auch hinsichtlich der Bewertung von Lehrinhalten und Praxiserfahrungen. Wichtige Anregungen fließen selbstverständlich in unsere Überlegungen ein, das Konzept weiter zu verbessern. Zum Beispiel braucht es noch Ideen, um die insbesondere bei längeren Praktika in größerer Entfernung zum Studienort von einigen Studierenden empfundene Einsamkeit außerhalb der Arbeitszeiten zu adressieren. Hier könnten vielleicht lokale Vernetzungsangebote oder das Angebot von Gruppenpraktika weiterhelfen.

Wie bewerten Sie die bisherigen Erfolge von MiLaMed?

Es ist uns gelungen, das Thema ländliche Versorgung allgemein sowie konkrete Landkreise im Einzugsgebiet der Universität als mögliche spätere Arbeitsorte im Studium deutlich sichtbarer zu machen. In einem Zeitraum von drei Semestern nach Beendigung der Lockdown-Maßnahmen waren allein in den beiden sächsischen Modell-Landkreisen mehr als 300 kürzere und längere Praktikumskontakte zu verzeichnen. Natürlich mehr im näher gelegenen Nordsachsen, aber auch in substanziellem Umfang im wirklich weit entfernten Vogtlandkreis. Das ist insgesamt viel. Und wie schon gesagt, gibt es eine breite Evidenz, dass positive Praxiserfahrungen mit ländlicher Versorgung im Studium die Bereitschaft zur späteren Tätigkeit im ländlichen Raum erhöhen. Davon können wir ausgehen, und das bestätigen auch die Ergebnisse unserer Evaluation, in welcher die überwiegende Mehrheit der Studierenden nach entsprechenden Erfahrungen einen positiven Einfluss auf die Motivation, später im ländlichen Umfeld zu arbeiten, beschreibt. Studierende wie beteiligte Ärztinnen und Ärzte begrüßen das Projekt und wünschen sich mehrheitlich dessen Fortführung und Erweiterung. Der Nachweis eines direkten Effekts auf die aktuelle ländliche Versorgung kann aufgrund der bisherigen Laufzeit noch nicht erfolgen. Ich persönlich bin mir aber sicher, dass MiLaMed ein wichtiger Baustein im Kontext unterschiedlicher Maßnahmen in Studium, Weiterbildung und fachärztlicher Tätigkeit ist, die im Zusammenwirken die Nachwuchsgewinnung deutlich verbessern werden. Für die Zukunft birgt sicherlich eine noch stärkere Verzahnung der unterschiedlichen Maßnahmen unterschiedlicher Akteure weiteres Potenzial. In diesem Zusammenhang sehe ich MiLaMed auch als wichtige Schnittstelle, beispielsweise um Studierende mit den verschiedenen Förderangeboten überhaupt effektiv zu erreichen. Abschließend muss ich erwähnen, auch wenn ich als Wissenschaftler hier mit Kausalbehauptungen zurückhaltend sein muss, dass sich im Rahmen der zentral von unserer Leipziger Medizinfakultät durchgeführten Absolventenbefragung im Jahr 2023 insgesamt 48,8 Prozent der Befragten eine Tätigkeit als Landarzt vorstellen konnten, davon mehr als zwei Drittel auch in Sachsen. Im Jahr 2010 waren es nur 33,3 Prozent. Mich stimmt das hoffnungsvoll.

Könnte das Projekt auch in der Zahnmedizin umgesetzt werden?

Ein bundeslandübergreifendes Projekt wie MiLaMed zur Stärkung der landzahnärztlichen Versorgung ist aktuell nicht geplant. Nach meinem Kenntnisstand wurde jedoch die Idee einer Landzahnärztequote von der Regierungskoalition in Sachsen aufgenommen. Die medizinischen Fakultäten Leipzig und Dresden sollen hierzu wohl bereits in der detaillierten Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium sein. Darüber hinaus habe ich gehört, dass ein gemeinsames Programm mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Zahnärztekammer Sachsen geplant sei, um die Niederlassung auf dem Land bereits im Zahnmedizinstudium mehr in den Fokus zu rücken.

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