Branchenmeldungen 03.11.2014
Projektfinanzierung unklar: Aus für Obdachlosen-Zahnarztpraxis?
Seit 1999 existiert in Berlin die erste Zahnarztpraxis für Obdachlose im Bezirk Lichtenberg. Im Jahr 2002 kam die zweite Praxis im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hinzu. Diese fand 2013 in dem sozialen Dienst GEBEWOpro einen kompetenten Träger, der Berliner Bischof Dr. Droege übernahm die Schirmherrschaft. Menschen, die sich nicht in „normale“ Zahnarztpraxen trauen oder keine Krankenversicherung haben, können sich dort kostenlos behandeln lassen.
Für die Menschen, die diese Praxis besuchen, ist sie oft der einzige Anlaufpunkt für Zahnprobleme. Ab dem nächsten Jahr könnte diese Möglichkeit verwehrt bleiben. Die Einrichtung, zu der neben der Zahnarztpraxis auch eine Hausarztpraxis sowie eine Essenausgabe und Kleiderkammer gehören, wurde bislang jährlich mit 38.000 Euro durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt. Diese Gelder sollen nächstes Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen, denn der Bezirk musste eine Haushaltssperre erlassen, die automatisch dazu führt, dass freiwillige Leistungen gestrichen werden. Für die Einrichtung bedeutet das den Verlust eines Drittels ihres Budgets.
Ein Projekt wie dieses wird nichtsdestotrotz gebraucht. Die Praxis wird seit ihrer Gründung gut in Anspruch genommen. Dafür, dass es diese Praxis gibt, hat sich Dr. Christian Bolstorff, ehemaliger Präsident der Berliner Zahnärztekammer, maßgeblich eingesetzt. „Jedem Asylsuchenden steht ein Obdach zu, das darf aber nicht dazu führen, dass die Menschen ohne festen Wohnsitz das bisschen Obdach verlieren, das wir ihnen bislang gewähren konnten“, sagt Dr. Christian Bolstorff. 2001 gründete er das „Berliner Hilfswerk Zahnmedizin e.V.“ und leitet es bis heute. Für dieses und andere Engagements wurde er 2007 vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler sogar mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Das Hilfswerk unterstützt alle sozialen zahnärztlichen Projekte in Berlin.
Die Betriebskosten für die Zahnarztpraxis sind bereits auf das Nötigste reduziert. Neben einer Zahnarzthelferin und einer Minijob-Stelle arbeiten Bolstorff und seine Kolleginnen ehrenamtlich. Geräte und Ausstattung konnten immerhin aus Spenden der Industrie gewonnen werden. Über 100.000 Euro Gesamtbudget für die gesamte Einrichtung lässt sich jedoch nicht allein durch Spenden und großzügige Unterstützung aufbringen. Das Geld wird benötigt für Miete, Gehälter für Arzt- und Zahnarzthelferinnen, Helfer in Küche und Kleiderkammer, Nebenkosten etc. „Die einzige Möglichkeit, Obdachlosen und mittellosen Personen eine (zahn-)medizinische Grundversorgung zu bieten, muss auch staatlich mit den notwendigen Mitteln unterstützt werden, das ist eine selbstverständliche gesellschaftliche Verpflichtung! Fragwürdige Bezirkspolitik in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg darf nicht zulasten der Ärmsten der Armen gehen!“
Wer das Projekt unterstützen und sich gemeinsam mit den Berliner Zahnärzten gegen eine Schließung einsetzen möchte, kann sich gerne an das „Berliner Hilfswerk Zahnmedizin e.V.“ und Dr. Christian Bolstorff, Zahnärztekammer Berlin, Stallstraße 1 in 10585 Berlin wenden.