Branchenmeldungen 02.06.2025

Prothesen sind kein neutrales Terrain: Wenn die Dritten das orale Mikrobiom verändern



Die Schleimhaut ist intakt, die Prothese sitzt, alles scheint in Ordnung. Doch auf mikrobieller Ebene läuft längst etwas aus dem Ruder. Eine neue systematische Übersichtsarbeit, veröffentlicht in Evidence-Based Dentistry, hat untersucht, wie sich das orale Mikrobiom bei zahnlosen und teilbezahnten Menschen unter dem Einfluss von Prothesen verändert. Die Auswertung von 32 Studien zeigte, dass Prothesenträger eine andere mikrobiologische Mundflora als Menschen mit natürlicher Bezahnung entwickeln.

Prothesen sind kein neutrales Terrain: Wenn die Dritten das orale Mikrobiom verändern

Foto: prostooleh – stock.adobe.com

Die Zusammensetzung der Mikroorganismen verändert sich nicht nur durch den Verlust der Zähne, sondern vor allem durch das Material und Design der Prothesen sowie durch deren tägliche Pflege oder den Mangel daran. Ein Beispiel ist Candida albicans. Der Hefepilz wird kurz nach dem Einsetzen einer Acrylprothese bei knapp zwei Dritteln der Patienten nachgewiesen. Neun Monate später liegt die mittlere Belastung um ein Vielfaches höher. Auch Streptococcus mutans vermehrt sich munter mit der Zeit, besonders auf digital gefertigten Prothesen. Die Studienlage deutet laut den Autoren darauf hin, dass diese Keime nicht nur parallel zunehmen, sondern sich auch gegenseitig stabilisieren. Im Biofilm verhalten sie sich wie ein eingespieltes Team. Anders reagiert Fusobacterium nucleatum. Dieser Bakterienstamm zeigt eine antagonistische Beziehung zu den dominierenden Arten. Das kann auf eine Verschiebung des mikrobiellen Gleichgewichts hinweisen. In Fällen von Prothesenstomatitis lässt sich das besonders deutlich ablesen. Dort dominieren pathogene Arten, während schützende Bakterien seltener werden.

Auch wenn sich aus der Analyse keine direkten Ursache-Wirkung-Beziehungen ableiten lassen, ist die Richtung klar. Hygiene, Materialien und Nutzungsdauer stehen in engem Zusammenhang mit der bakteriellen Besiedlung. Die Autoren raten zu individualisierten Reinigungsprotokollen und zu Prothesenmaterialien mit antimikrobiellen Eigenschaften. Derzeit sind die Studiendesigns allerdings sehr uneinheitlich. Für vergleichbare Aussagen brauche es mehr Standardisierung. Die Daten stammen aus einer sorgfältig durchgeführten Metaanalyse mit hohem Detailgrad. Gleichzeitig zeigt sie, wie komplex das Zusammenspiel von Mundflora, Tragegewohnheiten und Materialeigenschaften ist. Prothesen sind nicht neutral. Sie verändern das Milieu, das sich auf ihnen bildet. Wer sich darauf verlässt, dass tägliches Ausspülen genügt, unterschätzt das Potenzial dieser mikrobiellen Veränderungen.

https://doi.org/10.1038/s41432-025-01149-0

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