Branchenmeldungen 28.09.2015
Zahnerkrankungen kosten jährlich 442 Milliarden US-Dollar
Ein internationales Forschungsprojekt unter Heidelberger Federführung wertete in einer groß angelegten Studie die weltweiten Behandlungskosten und Produktivitätsverluste infolge von Zahnerkrankungen aus. Die Ergebnisse sind jetzt im Journal of Dental Research erschienen.
Karies, Parodontitis und Zahnverlust verursachen weltweit jedes Jahr
Milliardenkosten und finanzielle Einbußen, wie ein internationales
Wissenschaftlerteam unter Leitung von Professor Dr. Dr. Stefan Listl,
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde des Universitätsklinikums Heidelberg,
nun ermittelt hat. Allein die Behandlungskosten liegen weltweit bei
rund 298 Milliarden US-Dollar (etwa 265,5 Milliarden Euro) jährlich. Dazu kommen pro Jahr sogenannte
Produktivitätsverluste am Arbeitsmarkt, z.B. bedingt durch Fehltage, in
einer Größenordnung von geschätzt 144 Milliarden US-Dollar (etwa 128,3 Milliarden Euro). Die
Ergebnisse sind jetzt im Journal of Dental Research erschienen. Zum
Vergleich: Im gleichen Berechnungszeitraum wurden die Behandlungskosten
für Herz-Kreislauferkrankungen auf 474 Milliarden US-Dollar (etwa 422,3 Milliarden Euro) und für
Diabetes auf 376 Milliarden US-Dollar (etwa 334,7 Milliarden Euro) geschätzt.
„Laut Weltgesundheitsorganisation zählen Erkrankungen der Zähne weltweit
zu den häufigsten chronischen Erkrankungen überhaupt. Abgesehen von
negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität ist die Behandlung sehr
teuer. Dabei wäre ein Großteil dieser Erkrankungen durch Prävention
vermeidbar“, erklärt der Zahnarzt und Ökonom Professor Listl. „Mehr und
bessere Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, Prävention und Früherkennung
von Erkrankungen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich sind daher weltweit
von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Der Mund- und Zahngesundheit muss
dringend mehr Beachtung geschenkt werden.“
Für die Studie werteten die Wissenschaftler aus Heidelberg, Dundee und
London, England, mehrere Datenquellen aus, darunter u.a. die Global
Health Expenditure Database der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und
die Global Burden of Disease Study 2010. Für Länder ohne Angaben zu
Behandlungskosten wurden diese anhand der Informationen aus
Nachbarländern geschätzt. Zur Ermittlung der Produktivitätsverluste
zogen die Wissenschaftler ein spezielles, von der WHO vorgeschlagenes
Verfahren heran, mit dem u.a. Fehlzeiten am Arbeitsplatz aufgrund von
Zahnschmerzen bzw. Zahnbehandlungen durch krankheitsbedingte Abschläge
vom Bruttoinlandsprodukt pro Kopf des jeweiligen Landes quantifiziert
werden können. „Unsere Ergebnisse sind freilich nur Schätzungen und bei
der Interpretation ist etwas Vorsicht angebracht“, erklärt Listl.
„Allerdings sind solche Schätzungen auch für andere Erkrankungen, wie
z.B. Krebserkrankungen, üblich.“
„Es gibt Bedarf an praktikablen Konzepten für eine noch mehr auf
Prävention ausgerichtete zahnärztliche Versorgung. Sinnvoll könnten z.B.
Überlegungen sein, in der zahnärztlichen Vergütung vermehrt Anreize für
Gesundheitsförderung und Vorbeugung zu setzen“, so der Zahnmediziner.
Mit dieser Problematik beschäftigt sich derzeit ein internationaler
Forschungsverbund (ADVOCATE), der von der Europäischen Union ins Leben
gerufen wurde und vier Jahre lang mit insgesamt sechs Millionen Euro
gefördert wird. Das Team um Professor Listl wertet in einem Teilprojekt
Routinedaten der zahnärztlichen Versorgung aus sechs europäischen
Ländern u.a. dahingehend aus, welche Ansätze zu mehr Prävention es
bereits gibt und wie sie sich bewähren.
Literatur:
Listl, S., Galloway, J., Mossey, P., Marcenes, W. (2015). Global
economic impact of dental diseases. Journal of Dental Research 94(10):
1355-1361. doi: 10.1177/0022034515602879 http://jdr.sagepub.com/content/94/10/1355
Quelle: Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
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