Branchenmeldungen 30.07.2015
Zahnklinik Aachen macht fit für die Zukunft
Interview mit Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel
Mit jungen Professoren und einer neuen Einrichtung möchte die Uniklinik RWTH Aachen ein zeitgemäßes Zahnmedizinstudium ermöglichen. Deshalb werden auch Themen wie Ergonomie, die den späteren Berufsalltag erleichtern sollen, in die Lehre einbezogen. Im Interview mit dentalfresh erklärt Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel, Lehrstuhlinhaber Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde, das Konzept und die Besonderheiten der Zahnklinik Aachen.
Herr Prof. Dr. Meyer-Lückel, der Studiengang Zahnmedizin wird seit 1982 an der Uniklinik RWTH Aachen angeboten und umfasst heute rund 400 Studierende. Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte des Studiums und welche Besonderheiten hat die Uniklinik RWTH Aachen Studierenden zu bieten?
Wir haben das Glück, dass wir relativ junge Professoren haben. Drei Lehrstühle wurden in den letzten fünf Jahren neu besetzt. Wir versuchen im Rahmen unserer gesetzlichen Möglichkeiten – die Approbationsordnung gibt uns ja doch einiges vor – auch moderne Dinge einzuführen. Wir sind zum Beispiel gerade dabei, ein synoptisches Behandlungskonzept zu etablieren. Das bedeutet, dass wir aktiv Patienten von der einen Abteilung in die andere bewegen. Außerdem haben wir auf eine ausschließlich computergestützte Patientendokumentation umgestellt. Wir versuchen, da wo es möglich ist, moderne Lehrmethoden einzubinden.
Im November letzten Jahres hat die Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde Räume und Arbeitsplätze für ihre Zahnmedizinstudenten erneuert. Welchen konkreten Anlass gab es hierfür?
Die Einrichtung war 32 Jahre alt. Aufgrund der erhöhten Reparaturanfälligkeit haben sich die Kosten so summiert, dass man lieber in etwas Neues investierte. Es ist auch der übliche Turnus, dass eine Zahnklinik alle 20 bis 30 Jahre neu ausgestattet wird. Nach der Erstausstattung 1982 war das die erste Erneuerung, die anstand, um wieder einen modernen Arbeitsplatz zu schaffen.
Bei der Ausschreibung entschied man sich für Behandlungseinheiten der Firma XO CARE aus Dänemark. Warum fiel die Wahl auf diese Einheiten?
Hier handelte es sich um eine europaweite Ausschreibung. Da ist eine Abwägung zwischen der Qualität des Produktes, dem Preis und dem, was der Anwender gern möchte, notwendig. Sicherlich hat man als Hochschullehrer auf die Entscheidung einen gewissen Einfluss. Doch der Preis und die Qualität müssen stimmen, was wiederum von der Verwaltung beurteilt wird. So wurde entschieden, dass XO CARE im Gesamtpaket das beste Angebot hatte.
Mit den vier neuen Behandlungseinheiten nutzen Sie als eine der ersten Hochschulen nun ein Schwingbügelsystem. Welche Vorteile hat diese Geräteeigenschaft für Studierende und Zahnärzte allgemein?
Aus meiner Sicht ist der größte Vorteil, dass man der Hauptproblematik eines Zahnarztes – der Rückenerkrankung – damit effektiv vorbeugen kann. Denn der Grund dafür, warum man als Zahnarzt eine Berufsunfähigkeit beantragt, ist, dass der Rücken einfach kaputt ist. Hauptsächlich kommt das System dem Behandler zugute. Aber dadurch, dass man den Patienten günstig lagert, hat es auch die Assistenz einfacher, etwas zu sehen. Der Patientenstuhl ist in dem Bereich, wo man sitzt, relativ grazil gestaltet, sodass man sehr nah am Patienten sitzen kann. Dass auch der Patient mehr Komfort hat, ist ein zusätzliches Plus und war im Vergleich zu vielen Mitbewerbern ein ausschlaggebender Punkt. Die Arbeitsweise mit Schwingbügelsystem ist nichts Neues. Das Prinzip, dass man die Instrumente sehr nah am Patientenkopf und dadurch sehr kurze Greifwege hat, gab es schon in den 1970er-Jahren. Aber die Firma XO CARE hat das, wenn man so will, perfektioniert, weil sie im Gegensatz zu den Mitbewerbern nur dieses Schwingbügelsystem anbietet. Es ist eher ungewöhnlich, dass eine Firma nur auf ein Pferd setzt. Daran sieht man, dass sie sehr davon überzeugt ist. Ich finde es sehr sympathisch, dass man sich für etwas entscheidet und dann so gut weiterentwickelt, dass man den Mitbewerbern wirklich überlegen ist.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Ergonomie im Hochschulbereich und auch im zahnärztlichen Praxisalltag? Wie wichtig ist es, schon Studenten ein ergonomisches Arbeiten nahezubringen?
Die Beschwerden mit zunehmendem Alter machen es deutlich: Was man nicht gleich am Anfang lernt, wird man nicht mehr erlernen oder nicht sein ganzes Leben lang umsetzen. Ich denke, deswegen ist die Hochschule da sehr gefragt. Der Punkt stand in den letzten Jahrzehnten zu wenig im Vordergrund, als dass man frühzeitig darauf geachtet hätte. Es ist eine Entwicklung der letzten 20 Jahre: Man hat heute mehr Möglichkeiten, verschiedene Dentaleinheiten zu kaufen, und jetzt erst machen sich die Hochschullehrer Gedanken darum. Früher war das wahrscheinlich einfach gar kein Thema. Uns ist der Gesichtspunkt Ergonomie sehr wichtig. Wir wollen in Zukunft auch ein Lehrmodul mit interaktiven Lehrvideos anbieten. Wir denken, so etwas eignet sich gerade in Echtzeit beim Behandeln im klinischen Kurs, aber auch bereits vorher während der Phantomkurse. Dann kann man sich mit dem Film noch einmal Dinge in Erinnerung rufen, die einem vielleicht nicht so geläufig sind. Das ist auch für die Assistenten nützlich. Im prothetischen Bereich gibt es schon ausgereifte, interaktive Lehrmodule, und das möchten wir jetzt auch für die Ergonomie schaffen.
Welche Vorteile hat die Neuausstattung der Räume für die Studierenden und wie ist die bisherige Resonanz der Studenten auf die Neuerungen?
Durch die neuen Einheiten haben wir vor allem mehr Behandlungsplatz gewonnen. Der Bereich um die Einheit ist größer geworden, weil die Einheit kleiner ist. Dadurch hat man mehr Bewegungsfreiheit und kann in mehreren Positionen um den Stuhl herum sitzen. Wir haben gleichzeitig die Wände um die Dentaleinheiten für mehr Intimsphäre der Patienten in die Höhe gezogen. Mit diesen „Boxen“ haben wir den Platz für den Patienten und auch für die Studierenden angenehmer und schöner gestaltet. Wichtig ist außerdem, dass man die XO4-Einheiten so einfach wie keine andere mir bekannte Einheit auf Linkshänder umbauen kann. Nur der Sauger muss auf die andere Seite umgesteckt werden und innerhalb von zwei Minuten ist es eine perfekte Linkshändereinheit, ohne Kompromisse. Das ist meiner Meinung nach einmalig.
Bei dieser Einheit ist außerdem für große Behandler – ich bin selbst 1,93 Meter groß – eine enorme Beinfreiheit gegeben. Man hat ab einer Größe von 1,85 Meter immer Probleme, den Fußanlasser zu positionieren, da normalerweise der Fuß vom Stuhl im Weg ist. Wenn man relativ groß ist, kann man an den allermeisten Einheiten gar nicht mehr gerade sitzen. Durch den freischwebenden Stuhl bei der XO4 geht das. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Geht mit der räumlichen Erneuerung auch eine gewisse inhaltliche Modernisierung der Behandlungskurse an der Uni Aachen einher?
Wir haben schon durch die Neubesetzung der Lehrstühle in den letzten fünf Jahren angefangen, viel zu erneuern. Unsere Grundkonzepte sind, dass wir minimalintervenierend, also sehr schonend, behandeln und synoptisch – das bedeutet, dass wir beispielsweise sehr eng mit der Prothetik zusammenarbeiten. Hier planen wir im 9. oder 10. Semester einen integrierten Kurs. Das wird interessant, denn dann wird es eventuell Streit um die Stühle geben (lacht). Die Studierenden müssen sich dann aufteilen, einige müssen an die andere Basiskonzept-Einheit und manche kommen hierher zu uns.
Vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: dentalfresh 2/2015