Branchenmeldungen 05.07.2024

Zwei Brüder, eine Praxis & 'ne Menge Herausforderungen



Zwei Brüder, eine Praxis & 'ne Menge Herausforderungen

Foto: Dr. Alexander Kusch

Während sich manche Brüder nicht grün sind, kommen andere nicht nur gut miteinander aus, sondern wollen auch gleich noch zusammenarbeiten – konkretes Beispiel: die Helmstedter Zahnärzte Dr. Alexander und Christian Kusch. Wie sich der Gründungsprozess der gemeinsamen Praxis zutrug, verrät Alexander Kusch im df-Interview.

Alexander, stand das Gründen schon immer auf deiner Agenda?

Schon während meiner Assistenz- und kurzen Angestelltenzeit, die ich in meinem Heimatort Helmstedt und im Nachbarort Königslutter absolviert habe, war mir klar, dass ich mich auf jeden Fall mit einer eigenen Praxis selbstständig machen wollte. Mein damaliger Arbeitgeber wäre auch an einer Zusammenarbeit interessiert gewesen, doch für mich stand fest: ich werde das zusammen mit meinem Bruder machen. Durch Kontakte meines Vaters, der in Helmstedt das größte Dentallabor betrieb, erfuhr ich von einer Praxisinhaberin, die aus Altersgründen ihre Praxis aufgeben und sogar verschenken wollte. Leider entsprach diese Praxis überhaupt nicht den heute geltenden Anforderungen, auch die Vermieterin hatte keinerlei Interesse, die Praxis umzubauen. Zudem stellte sich heraus, dass diese Praxis ursprünglich nie eine Zulassung als Zahnarztpraxis hatte und somit keinen Bestandsschutz gehabt hätte.

Wie ging die Standortsuche weiter?

Die Suche nach Räumlichkeiten stellte sich in Helmstedt als sehr schwierig heraus, da einige Gebäude, die infrage gekommen wären, unter dem hier sehr verbreiteten Denkmalschutz standen. Das schien uns zu kompliziert. Ein Freund meines Vaters bot mir dann Räumlichkeiten in einem Gewerbegebiet mit vielen Discountern an, die Umbaukosten aber sollte ich zu 100 Prozent übernehmen, was an die 300.000 Euro bedeutet hätte. Das und auch die Lage begeisterte uns Brüder nicht. Auf der Plattform Immobilienscout24 sind wir dann auf einen Investor gestoßen, der neue Praxis- bzw. Büroräume bauen wollte. Die Lage war genau die, die wir uns vorgestellt hatten, zentral, in einem Mischgebiet, mit Nähe zu einem größeren Wohngebiet. Da ihm die Bau- und Investitionskosten jedoch für eine Zahnarztpraxis letztlich zu hoch waren, verlief diese Option im Sand. Schlussendlich hat uns der Zufall geholfen: Unsere Mutter erfuhr über einen Mitarbeiter der Stadt Helmstedt, dass die Stadt genau in diesem Gebiet noch Grundstücke verkauft, und so war unser Entschluss zum Neubau besiegelt.

Hättest du dir auch ein Gründen fernab der Heimat vorstellen können?

Ich habe in Frankfurt am Main studiert, mein Bruder in Kiel, aber ich hätte mir nie vorstellen können, mich in einer Großstadt wie Frankfurt niederzulassen. Aufgrund meiner Vorliebe für den Wassersport und die Ostsee hätten wir uns auch eine Praxis an der Küste vorstellen können, aber bekanntermaßen ist die Zahnarztdichte in den Großstädten eine andere als auf dem „Land“. In einer Großstadt hätten wir uns spezialisieren müssen, und das war nicht unbedingt unser Ziel. Ich habe mich an die Wortemeines Vaters erinnert, der damals auch sein Dentallabor dort gegründet hat, „wo die Arbeit ist“, und in den ländlichen Regionen fehlen nun mal die Zahnärzte. Darüber hinaus haben mein Bruder und ich uns natürlich auch mit den ökonomischen Aspekten beschäftigt, ein Grundstückskauf war hier noch erschwinglich und hinsichtlich der Zahnarztdichte je 100.000 Einwohner liegen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt im Ranking auf den hinteren Plätzen. Zudem haben wir uns auch mit der Altersstruktur der hier praktizierenden Zahnärzte befasst, und die lag im Schnitt bei 58 Jahren. Außerdem wollten wir in der Nähe unserer Familie sein, und durch meinen Vater war hier auch ein entsprechendes Netzwerk bereits vorhanden. Ich konnte mir schon nach kurzer Zeit einen guten Patientenstamm erarbeiten, sodass aufgrund des Arbeitsaufkommens mein Bruder, der damals noch seine Assistenzzeit in einer Praxis in Peine absolvierte, im November letzten Jahres dazukommen musste, da das Patientenaufkommen auch durch die Schließung mehrerer Praxen, u. a. auch im angrenzenden Bundesland Sachsen-Anhalt, immer größer wurde. Die bestehende Angst, die viele vor einer Neugründung haben und die auch bei mir anfangs bestand, war damit schnell vergessen.


„Trotz meiner Gespräche mit Bürgermeister und Landrat, bei denen ich (...) auch die künftige Ruhestandswelle der ansässigen Kollegen ansprach, erhielten wir eine Ansage. Angeblich auch, weil es noch ‚genügend Zahnärzte in Helmstedt gibt‘. Mit Weitblick und Nachwuchsförderung hat so eine Einstellung leider nichts zu tun!“ – Dr. Alexander Kusch


In Helmstedt gibt es derzeit noch neun weitere Zahnarztpraxen, Tendenz schwindend – warum finden Ihrer Meinung nach immer weniger Praxen einen Nachfolger?

Ich denke die Gründe sind vielfältig. Eventuell spielt für jüngere Leute die fehlende Infrastruktur eine Rolle, und auch die Tatsache, dass es natürlich weniger kulturelle Angebote gibt und der Lifestyle einfach ein anderer ist als in größeren Städten und Metropolen. Das größere Problem sehen wir aber hier: Von den Landkreisen und Kommunen wird zwar immer gerne kommuniziert, dass sie jungen Ärzten bei der Ansiedlung behilflich sein wollen, Zahnärzte sind aber leider davon ausgeschlossen. Obwohl der Kreistag Helmstedt, um die ärztliche Versorgung im Landkreis Helmstedt langfristig zu sichern, eine Richtlinie verabschiedet hatte, die Ärzten eine finanzielle Unterstützung in Form einer Zuwendung von bis zu 30.000 Euro bei Neugründung oder Übernahme einer Arztpraxis oder Gründung einer Zweigpraxis im Landkreis Helmstedt zusichert, führte für uns kein Weg zu einer solchen Unterstützung. Trotz meiner Gespräche mit Bürgermeister und Landrat, bei denen ich auf die viel höheren Investitionskosten für eine moderne Zahnarztpraxis im Vergleich zu einer Haus- oder Facharztpraxis hinwies und auch die künftige Ruhestandswelle der ansässigen Kollegen ansprach, erhielten wir eine Absage. Angeblich auch, weil es noch „genügend Zahnärzte in Helmstedt gibt“. Mit Weitblick und Nachwuchsförderung hat so eine Einstellung leider nichts zu tun!


„Ich schätze das Arbeiten und Wohnen in einer Kleinstadt; es ist uns aber auch wichtig, zu wissen, dass wir schnell mal rauskommen: Helmstedt hat eine direkte Anbindung an die A2 und Städte wie Braunschweig, Hannover und sogar Berlin sind gut erreichbar. Das spielt für unsere Generation eine große Rolle!“ – Dr. Alexander Kusch


Haben Sie einen oder mehrere Mentoren, die Sie unterstützen?

Wir hatten großes Glück, dass unsere Eltern uns unterstützt haben, unser Vater mit seiner jahrelangen Leitungserfahrung in einem großen Dentallabor und unsere Mutter durch ihr betriebswirtschaftliches und juristisches Wissen. Mein Bruder und ich tauschen uns natürlich auch fachlich eng miteinander aus und wir haben uns zudem ein Netzwerk zu regionalen Fachzahnärzten aufgebaut. Außerdem arbeiten wir auch sehr erfolgreich mit dem neuen Besitzer des väterlichen Dentallabors zusammen. Das matcht alles sehr gut.

Weitere Informationen zur Praxis gibt es auf: www.kusch-zahnarztpraxis.de

Dieser Beitrag ist in der dentalfresh 2/24 erschienen.

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