Branchenmeldungen 03.09.2024

LandZahnWirtschaft: Dorfzahn­ärztin gründet am Kindheitsort

LandZahnWirtschaft: Dorfzahn­ärztin gründet am Kindheitsort

Foto: Christian Schwier – stock.adobe.com

Dass Heimat eine besondere Sogkraft hat, beweist einmal mehr Alexandra Schumacher – sie ließ sich mit ihrem Praxisneubau genau dort nieder, wo sie idyllisch aufgewachsen ist: Im nordrhein-westfälischen Hille. Im Januar 2023 eröffnete die Zahnärztin ihre Praxis „Zahnlokal“ und kann sich seitdem vor Patienten „kaum retten“. Ein tolles Gegenbeispiel zum Trend der Praxisschließungen im ländlichen Raum!

Am 2. Januar 2023 war es so weit: Meine Praxis für Zahnheilkunde im Ortskern von Hille begrüßte die ersten Patienten. Den Praxisneubau hatten wir – mein Ehegatte Mario und ich – genau nach unseren Vorstellungen entworfen. Die Planungsphase begann mit der ersten Idee im Frühjahr 2019 – zu diesem Zeitpunkt entschlossen wir uns, einen „familiären Probelauf“ zu starten. Mein Mann begann, seine Wochenarbeitszeit zu reduzieren, damit ich Vollzeit arbeiten konnte. Da wir zwei Kinder haben, wollten wir prüfen, ob diese Familienaufstellung für uns funktioniert.

Vergangenheit und Zukunft an einem Ort

Im Frühjahr 2021 begannen wir, nach einer geeigneten Praxis in der Großgemeinde Hille Ausschau zu halten. Übernahme, Umbau einer Bestandsimmobilie oder Neubau – alles war für mich denkbar. Je länger wir schauten, desto mehr kristallisierte sich Hille-Dorf zum Favoriten und eine unbebaute, direkt im Zentrum gelegene Fläche, die ausreichend Platz für Praxis und Parkplatz bot und zudem nur 300 Meter Luftlinie von unserem Eigenheim entfernt war. Dass ich genau an diesem Stück Land als Kind und Jugendliche tausendfach vorbeigegangen war, machte die Vorstellung, hier meinen neuen, modernen Arbeitsmittelpunkt setzen zu können, umso einmaliger.

Das Team von Zahnlokal mit Alexandra Schumacher (Mitte) und Dr. Gerd Becker (angestellter Zahnarzt, links) sowie Praxismanager Mario Schumacher (rechts). © Alexandra Schumacher – Zahnlokal

Dorfzahnärztin mit Vertrauensvorschuss

War der Standort meiner Niederlassung von vornherein klar? Irgendwie schon. Für mich kam nie ein Umzug in eine größere Stadt infrage, und durch meine Kindheitsprägung entschied ich mich relativ schnell und intuitiv für den Standort Hille und vor allem die ortsansässigen Menschen. In einem so kleinen Ort kennt man sich und steht füreinander ein. Die Menschen organisieren sich in Vereinen, Nachbarn sind einander nicht fremd, und man lebt ein echtes „Wir“-Gefühl. Dies spiegelt sich auch im Arzt-Patienten-Verhältnis wider. Für mich macht das den Job der Dorfzahnärztin ganz besonders schön und auch einfach, weil man in der Regel einen kleinen Vertrauensvorschuss bekommt. Mit diesem Vorschuss muss man – im Umkehrschluss – verantwortungsvoll umgehen und den Menschen ehrlich begegnen! Es gibt keinen Spielraum für Zweideutigkeiten – etwas, was ich sehr begrüße und meiner Art als Mensch und Zahnärztin vollkommen entspricht.

Natürlich schließt ein solcher Standort auch einen gewissen Lifestyle aus: Um 18 Uhr auf die Idee zu kommen, um 19 Uhr frisches Sushi essen und danach noch ins Musical gehen zu wollen, funktioniert nicht. Auch das Angebot an Gastronomie und Kultur ist auf dem Land reduziert, dafür aber findet man hier echte Perlen! In Bezug auf Praxisgründung und -führung sehe ich nur Vorteile im Standort: Ich muss nicht um Patienten konkurrieren, kann mich täglich über viele dankbare und treue Patienten freuen und erlebe weniger Probleme mit dem Fachkräftemangel, als ich es aus großstädtischen Kontexten höre.

Hille: Zwei Praxen vor Ort

In Hille-Dorf gibt es noch eine zweite Zahnarztpraxis, geführt von einem Kollegen, der sich hier seit vielen Jahren etabliert hat und, wie ich, für die Menschen vor Ort da ist. Weitere Praxen findet man in der Großgemeinde Hille – gänzlich unterversorgt ist die Region somit (noch) nicht. Mit nur zwei Praxen vor Ort, ist die Nachfrage der Patienten natürlich hoch. Leider kann ich nicht alle Patienten aufnehmen, da ich mit meiner Wochenstundenzahl am Limit bin. Glücklicherweise werde ich ab dem Sommer von einer neuen Kollegin unterstützt. Das fühlt sich wie ein Sechser im Lotto an, denn ich hatte nicht wirklich mit einer Bewerbung gerechnet.

Alexandra Schumacher im Patientengespräch. © Alexandra Schumacher – Zahnlokal

Provinz, ohne provinziell zu sein

Im Umgang mit dem Praxisteam ist mir absolut wichtig, dass sich meine Kollegen und Mitarbeiter mit der Praxis identifizieren, Verantwortung übernehmen und sich für unsere Patienten zu 100 Prozent ins Zeug legen. Das sind hohe Ansprüche, für die ich einstehe und die ich eins zu eins lebe. Zum Glück habe ich entsprechende Leute gefunden, die, wie ich, Harmonie und ein konstruktives Miteinander wünschen und gerne zur Arbeit kommen. Als Praxis obliegt uns die Verantwortung, moderne Rahmenbedingungen für ein solches Miteinander und Wertschätzung zu schaffen: Wir bieten eine besondere Vergütung, verwenden anonyme, interne Umfragen zur Praxisoptimierung und führen engmaschige Feedbackgespräche. Wir positionieren uns als moderne Praxis und schreiben Stellen in zeitgemäßen Formaten wie Instagram und Facebook aus. Unser Standort schränkt uns hier in keinster Weise ein, ganz im Gegenteil. Wir genießen das entschleunigte Umfeld und bestimmen sehr genau, wo wir moderne und zukunftsweisende Akzente setzen. Beispielsweise geben wir unseren Followern Einblicke in unsere Praxis, sind nahbar und zeigen, dass wir mit Freude füreinander und unsere Patienten da sind.


Bester Support: Ehemann und Praxismanager in einer Person

„Die Entscheidung zur Niederlassung haben meine Frau und ich gemeinsam getroffen, und waren auch in den Folgeschritten gleichermaßen involviert. Dadurch hatte ich von Anfang an Lust, Teil des Ganzen zu sein und aktiv mitzuwirken. Ich habe Informatik studiert und war als Datacenter Analyst und Projektmanager tätig. Diesen Beruf habe ich gerne gemacht und mir gefielen meine Arbeitsstätte und besonders das dortige Team. Perspektivisch hätte ich dort alt werden können! Doch als das Arbeitspensum meiner Frau nach dem Praxisstart immer größer wurde, zeigte sich, dass es genug Aufgaben gab, die meinen Kompetenzen entsprachen. Als auch diese Aufgaben in kürzester Zeit rasant zunahmen, war meine Situation kaum noch tragbar: Ich konnte der Rolle meines „eigentlichen“ Jobs, der des Hausmanns und Vaters zweier Kinder nicht mehr gerecht werden. So entschied ich mich, komplett in der Praxis meiner Frau als Praxismanager einzusteigen. Und obwohl es mir nicht leicht fiel, meinen bisherigen Job dafür zu kündigen, habe ich mich auf die neuen Heraus- forderungen gefreut. Noch dazu sehe ich meine Frau jetzt wieder häufiger und wir sind stolz, zusammen mit unserem Team etwas Tolles auf die Beine gestellt zu haben. meinen Aufgaben zählen das Festlegen von Abläufen, Personal, Finanzen, Social Media, Haus und Hof und natürlich die IT, wobei Letzteres ein Heimspiel ist!“ – Mario Schumacher


Autor: Alexandra Schumacher

Dieser Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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