Wissenschaft und Forschung 04.12.2020
Tubariusdrüse: Forscher entdecken neues Organ im Nasenrachen
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Man könnte meinen, der menschliche Körper sei mittlerweile weitgehend erforscht und alle Organe entdeckt. Allerdings hat jüngst ein niederländisches Krebsforschungsteam die Welt der Wissenschaft durch die Entdeckung eines neuen, bis dato unbekannten Speicheldrüsenpaars im Nasenrachenraum stutzig gemacht.
Das bekannte Speicheldrüsensystem besteht aus drei Hauptdrüsenpaaren: den Ohrspeicheldrüsen, den Unterkieferdrüsen und den Unterzungendrüsen. Zusammen mit ungefähr eintausend kleineren einzelnen Drüsen innerhalb der Mundschleimhaut produzieren sie etwa 90 Prozent des menschlichen Speichels und über einen Liter Speichel pro Tag. Ein Forscherteam des Niederländischen Krebsinstituts (NCI) entdeckte in Zusammenarbeit mit der Universität Amsterdam das neue Drüsenpaar durch Positronenemissionstomografie-Untersuchungen (PSMA-PET/CT) an einhundert Harnröhren- und Prostatakrebspatienten mit einem Alter zwischen 53 und 84 Jahren.
Bei allen Teilnehmern zeigte sich das neue, etwa vier Zentimeter große Organ im Nasenrachenraum als PSMA-positiver Bereich. Dieser erstreckte sich von der Schädelbasis abwärts, entlang der posterolateralen Rachenwand auf der pharyngealen Seite des Musculus constrictor pharyngis superior. Die Forscher tauften die Entdeckung, die durch histologische Untersuchungen an zwei Humanpräparaten bestätigt wurde, „Tubariusdrüse“ (aus dem Englischen: tubarial glands). Sie gilt als Zufall, da PET/CT-Untersuchungen mit dem radioaktiven F18-PSMA (Prostataspezifisches Membranantigen) normalerweise bei der Diagnostik zur Tumorerkennung zum Einsatz kommt.
Weiterhin wurde als Ergebnis einer Kohortenstudie festgestellt, dass es durch das neue, klinisch relevante Speicheldrüsenpaar zu Komplikationen bei der Radiotherapie (RT) kommen kann. In Zusammenarbeit mit der Universität Groningen wurden Daten von 723 Patienten, die an Kopf- und Halskrebs litten oder Tumore im Rachenraum oder Zungenbereich hatten, ausgewertet. Die Schlussfolgerung: Die Bestrahlung des entsprechenden Bereichs mit einer durchschnittlichen RT-Dosis über eine Dauer von zwölf Monaten führte bei einem Großteil der Patienten zu Mundtrockenheit (Xerostomie) und Schluckstörungen (Dysphagie). Kontrolluntersuchungen nach 24 Monaten bestätigten die Beobachtungen dieser multivariablen Regressionsanalyse. Das Forscherteam empfiehlt daher, Bestrahlungen des neu entdeckten Bereichs des Speicheldrüsensystems zu vermeiden, ähnlich wie dies bei den bekannten Drüsen auch bereits praktiziert wird, um die Lebensqualität von Patienten während der Strahlentherapie zu verbessern.
Die Entdeckungen wurden zunächst online unter dem Titel „The tubarial salivary glands: A potential new organ at risk for radiotherapy“ in The Green Journal publiziert.
Quellen: The Green Journal
Foto Teaserbild: Nurlan – stock.adobe.com