Branchenmeldungen 28.06.2015
Absolutes No-Go: Während der Narkose über den Patienten lästern
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Narkoseärztin mit verbaler Inkontinenz?
Das ging, im wahrsten Sinne des Wortes, wohl mächtig in die Hose: Weil eine amerikanische Ärztin bei der Durchführung einer Darmspiegelung scheinbar an verbaler Inkontinenz litt, musste sie sich nun vor Gericht verantworten. Denn sie rechnete nicht mit dem Handy des Patienten …
Dieses hatte der Patient eingeschaltet, um die späteren Anweisungen des Arztes aufzunehmen. Nach dem Eingriff stellte er schnell fest, dass aus Versehen die ganze Prozedur aufgezeichnet wurde – inklusive unschöner Bemerkungen und Pöbeleien seitens seiner Ärztin, denen sie während der Narkose ungefiltert freien Lauf ließ. Neben peinlichen Bemerkungen wie „Während unseres OP-Vorgesprächs wollte ich Dir nach fünf Minuten ins Gesicht schlagen und Dich ein bisschen aufmischen“ und unpassenden Kommentaren über sein Geschlechtsorgan, ließ die Medizinerin wirklich nichts aus, um verbal auszuteilen. Wie die Washington Post berichtet, habe die Narkoseärztin eine Krankenschwester zudem angewiesen, den Patienten anzulügen, um ihn später nicht erneut behandeln zu müssen.
Für ihre verbalen Ausuferungen musste die Medizinerin nun vor Gericht Stellung beziehen und die Schadensersatzsumme von 500.000 Dollar (ca. 445.000 Euro) hinnehmen – von der nachhaltig geschädigten beruflichen Reputation ganz zu schweigen. Ob am Behandlungsstuhl in der Zahnarztpraxis oder auf dem OP-Tisch: Ein guter, intelligenter Mediziner begegnet jedem Patienten mit Respekt!
ZWP online fragte im Zuge der Recherche in einer Bremer Zahnarztpraxis nach, ob es zu solchen Vorfällen öfter oder eher selten kommt. Zahnarzt und Experte für Angstpatienten Milan Michalides gab uns dazu ein Statement.
Im Rahmen der zahnärztlichen Sanierung wird immer häufiger – zu Recht – in den großen Zentren die Vollnarkose angeboten. Egal ob ein chirurgischer Eingriff oder eine umfangreiche Zahnsanierung bevorsteht: Die Vollnarkose hat ihren festen Platz in der zahnärztlichen Versorgung. Entscheidet sich der Patient und Kunde für einen solchen Eingriff, bedeutet das immer einen großen Vertrauensbeweis für das behandelnde Team.
Man darf nicht vergessen, dass die Patienten ihr Leben in unsere Hände legen. Das ist eine sehr große Verantwortung. Niemals darf man die allgemeinen Risiken außer Acht lassen. Deshalb achtet man sebstverständlich auf klare Indikationen bei der Entscheidung zur ITN. Die Risiken sind vielschichtig und keiner der Behandler möchte jemals eine Komplikation im OP. Umso wichtiger ist es, die Patienten nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln und ihnen natürlich auch mit Respekt begegnen.
Das Team um Zahnarzt Milan Michalides (mitte) ist spezialisiert auf Angstpatienten sowie Narkosebehandlungen.
Wie jetzt wieder aktuell geschehen, bedeutet das auch während der Narkose, die Patienten respektvoll zu behandeln. Egal, wie marode das Gebiss auch ist oder ob der Patient nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entspricht: Man darf sich nie dazu hinreißen lassen, im OP über den Patienten zu lästern.
Wir haben in unserer Praxis diesen Fall erlebt.
Bei mittlerweile über 5.000 Vollnarkosen in unserer Praxis hatten wir letztes Jahr eine Wachnarkose. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, haben unsere Helferinnen über das Gewicht der Patientin gelästert und sich über die Körperfülle lustig gemacht. Es war zu dem Zeitpunkt keiner von uns Behandlern im Zimmer, aber die Patientin hatte alles mitbekommen. Sie konnte detailliert die gesamten Arbeitsvorbereitungen und Gespräche der ersten halben Stunde wiedergeben. Erst nach 30 Minuten wurde dieser Umstand vom zuständigen Anästhesisten bemerkt und die ITN-Tiefe angepasst.
Für uns behandelnde Zahnärzte ist so ein Fall ein Supergau. Wie reagiert man auf so etwas? Was kann man tun, um das wieder gut zu machen? Kann man das überhaupt? Auch wenn kein Behandler beteiligt war, so stehen wir zumindest in der Verantwortung. Keine Entschuldigung kann das Vertrauen wiederbringen.
Auch, wenn man sich vermeintlich sicher ist, darf man sich niemals zu diskriminierenden oder beleidigenden Handlungen hinreißen lassen. Ist das alles selbstverständlich? Ja. Natürlich. Kann man es ganz ausschließen? Nein.
Selbst wir, die auf Angstpatienten sowie Narkosebehandlungen spezialisiert sind, immer Extremfälle auf dem OP-Tisch haben und davon überzeugt waren, ein super Team zu haben, waren nicht davor gefeit. Was bleibt, ist die klare Aufgabe unser Team über alle Maße für das Thema Verantwortung und Vertrauen zu sensibilisieren. Intensive Gespräche und Schulungen müssen immer wieder auf den respektvollen Umgang mit den Patienten hinweisen. Auch wenn wir den Einzelnen nicht permanent kontrollieren können, so müssen wir bei einem so sensiblen Thema zumindest dafür Sorge tragen, dass solche Dinge nicht passieren.
Denn unsere Patienten und vor allem das in uns gesetzte Vertrauen sind unser wertvollstes Gut.