Branchenmeldungen 06.02.2012
Patientenrechtegesetz: Kein großer Wurf!
Bürgerinitiative Gesundheit DGVP nimmt Stellung zum geplanten Patientenrechtesetz
Der Referentenentwurf zum Patientenrechtegesetz schreibt weitgehend
nur die höchstrichterliche Rechtsprechung fest. "Der große Wurf ist
nicht gelungen", so die Meinung des Präsidenten der Bürgerinitiative
Gesundheit DGVP e.V.,Wolfram-Arnim Candidus.
"Die Verankerung des Behandlungsvertrages im Bürgerlichen Gesetzbuch
(BGB) ist eine gute Maßnahme. Nach wie vor bleibt aber das Problem, dass
gerichtliche Entscheidungen durch das undurchsichtige Gutachtersystem
erschwert werden. Insofern hilft im Streitfall auch das BGB nicht viel
weiter."
Die geplante Ausweitung der Erfassung von Behandlungsfehlern hat nur
dann einen Sinn, wenn die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden",
so Candidus weiter. "Dazu gehört, die extreme Leistungsverdichtung und
den ständig zunehmenden Kostendruck zu reduzieren. In allen
Berufsgruppen der Versorgung, Behandlung und Betreuung benötigen wir
qualifizierte Mitarbeiter, die nicht unter Dauerstress stehen und
deshalb Fehler machen. Dazu bedarf es einer Vielzahl aufeinander
abgestimmter systemverändernder Maßnahmen.
Unklar ist die im Referentenentwurf aufgeführte Unterscheidung in grobe
und leichte Behandlungsfehler. Hier bedarf es einer exakten
Bewertungsvorgabe und Definition, um Irritationen und
Fehlinterpretationen zu vermeiden. Ansonsten werden die Probleme beim
Einklagen eines Behandlungsfehlers für den Patienten nicht weniger. Nicht zuletzt im Interesse der Beweisführung halte ich es für wichtig,
dass das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte nunmehr gesetzlich
verankert wird."
Die Forderung nach stärkerer Aufklärung über Behandlungsalternativen und
-risiken begrüßt Candidus und merkt doch kritisch an: "Das erfordert
jedoch Zeit und somit auch Geld. Es kann nicht erwartet werden, dass
diese zusätzliche Arbeit für ein Vergelts Gott geleistet werden. Deshalb
muss eine adäquate Vergütung für eine umfassende, dokumentierte
Information und Beratung der Patienten vorgesehen werden. Dazu steht im
Referentenentwurf aber nichts."
In Einzelfällen hält Candidus die vorgesehene Verpflichtung der Ärzte
für schwer erfüllbar, ihre Patienten über die Übernahme der
Behandlungskosten durch die Kostenträger aufzuklären. "Kein Arzt kann
alle kassenindividuellen Leistungen kennen. Dazu gibt es zu viele
Selektiv- und Rabattverträge oder Disease Management Programme. Will der
Patient zu seinem Schutz und zur Information erst seine Krankenkasse
befragen, kommt es zu Verzögerungen in der Behandlung. Dazu kommt ein
erneuter Arztbesuch, die Ausweitung der Bürokratie - und das alles bei
bestehender und sich ausweitender Finanznot."
Das Patientenrechtegesetz schließt sinnvollerweise neben der
Berufsgruppe der Mediziner explizit Heilpraktiker mit ein. Leider ist
die größte Gruppe der Versorgung/ Behandlung/ Betreuung, nämlich die
Kranken-, Kinder- und Altenpflege nicht berücksichtigt. "Schon jetzt,
aber erst recht in Zukunft muss diese Berufsgruppe sehr viel stärker in
die Versorgung, Behandlung und Betreuung einbezogen werden und somit
auch in die Wahrnehmung der Rechte der Patienten", bemerkt Candidus
kritisch.
Als wichtig würde der Präsident der Bürgerinitiative Gesundheit DGVP die
gesetzliche Verpflichtung ansehen, dass die Kostenträger den
Patientenschutz als oberste Priorität einstufen realisieren müssen.
Die zügige Bearbeitung von Anträgen für Leistungen durch die Kostenträger begrüße er ausdrücklich.
Candidus' Fazit: "Die Gesundheitsversorgung wird durch den
Referentenentwurf nur geringfügig geschützt oder verbessert. Einzelne
Aspekte sind sicherlich gut. Wir benötigen aber eine nachhaltige und
zügige strukturelle Veränderung zum Schutz der Versorgung/ Behandlung/
Betreuung und auch der Vergütung für die Berufsgruppen und
Institutionen."
"Das erfordert jedoch die Bereitschaft der Politik, sich einem
intensiven Veränderungsmanagement des Systems zu stellen. Dies ist viel
gefährlicher, wenn die eigene Position gesichert werden soll. Es ist
natürlich einfacher - wenn auch wenig sinnvoll - einen Referentenentwurf
für ein Patientenrechtegesetz zu erstellen, bei dem eine Vielzahl von
Willensbekundungen dargelegt werden. Da die Strukturen des
Gesundheitssystems das gar nicht zulassen können oder wollen, sind diese
Ideen aber faktisch kaum realisierbar."
Das Patientenrechtsgesetz ist nicht das All-Heilmittel. Vielmehr täuscht
es Aktivität vor, wo wenig ist und gefährdet das bestehende gute
Vertrauensverhältnis zwischen Mediziner und Patient. Dies kann nicht im
Interesse der Bevölkerung und damit auch nicht im Interesse der
Politiker und der gesetzlichen Krankenkassen sein. Anzuerkennen ist,
dass die Ärzteschaft - anders als früher - einräumt, dass es
Behandlungsfehler gibt, und sich bemüht, die Behandlungsqualität durch
Fehlertransparenz und Fehlerverhinderungsmanagement zu verbessern. Von
dieser noch auszubauenden Initiative verspreche ich mir mehr als vom
Patientenrechtegesetz", schließt Candidus.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP)