Implantologie 12.05.2011
Implantatprothetisches Troubleshooting
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Wenn Zahntechniker und Zahnärzte ins Schwitzen kommen
Eine funktionierende „Schnittstelle“ Zahnarzt–Zahntechniker ist nicht nur bei der Anfertigung von Suprakonstruktionen auf Implantate von großer Bedeutung. Heute rückt vor allem die Zusammenarbeit in der präimplantologischen Planungsphase in den Vordergrund. Mitunter ist diese „Schnittstelle“ zu einem recht späten Zeitpunkt gefordert, dann nämlich wenn die eigentliche Behandlung abgeschlossen ist, jedoch Komplikationen auftreten.
Implantatprothetisches Troubleshooting beginnt in der Regel in einem fortgeschritten Stadium einer Versorgung, nämlich dann, wenn Implantate bereits inseriert sind und die Versorgung der künstlichen Zahnpfeiler mit Zahnersatz ansteht. Dieser Zeitpunkt ist in mehrerer Hinsicht extrem ungünstig, zum einen weil aufgrund der bereits komplett abgeschlossenen chirurgischen Phase keine Möglichkeit zur Intervention und Änderung von Implantatplatzierung mehr besteht und zum anderen, weil der Patient sich kurz vor dem Abschluss einer geglückten Behandlung wähnt und ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst ist, dass nun Schwierigkeiten auftreten können, die im Extremfall bis zum Scheitern der Gesamtbehandlung führen können. Gegenseitige Schuldzuweisungen und forensische Auseinandersetzungen sind oftmals Folge einer solchen Entwicklung.
„Unbestechlich“ – das zahntechnische Meistermodell
Im ungünstigsten Falle wird erst bei der Erstellung des zahntechnischen Meistermodells durch den Zahntechniker nach erfolgter Abformung oder spätestens nach der Bissnahme ersichtlich, dass die inserierten Implantate aufgrund ungünstiger Platzierung im Kiefer nicht, oder allenfalls nur unter erschwerten Bedingungen zahntechnisch versorgt werden können. „Gips ist unbestechlich!“ – diese Erkenntnis, die dem Freiburger Kieferchirurgen Professor Dr. Dr. Eschler zugeschrieben wird, ist zwar bewusst banal gehalten, wiederum jedoch auch schlicht und ergreifend wahr. Das zahntechnische Meistermodell zeigt schonungslos die Realitäten auf, was Platzierung des Implantates, dessen Achse, auch im Vergleich zu Nachbarzähnen, und den Übergang zur Gingiva betrifft.
Exemplarische Patientenfälle
An dieser Stelle sollen einige exemplarische Patientenfälle Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, jedoch auch Grenzen des implantatprothetischen Troubleshootings darstellen – dies vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erzielung eines nachhaltigen Ergebnisses für Patienten, Zahnarzt und Zahntechniker.
Die nicht erkannte Kieferfehlstellung
Das Problem
Vor zwei Jahren wurden bei einem Patienten (etwa Mitte 70) zwei Implantate im Oberkiefer inseriert und mit Teleskopen und einer Teilprothese versorgt. „Von Anfang an“, so der Patient, sei er „mit der Arbeit nicht zurechtgekommen“, neben funktionellen Problemen hätte ihn zudem gestört, dass man selbst bei mittlerer Mundöffnung keinerlei Oberkieferfrontzähne gesehen hätte. Bereits bei der Betrachtung der Oberkieferprothese fallen die durchscheinenden Metallanteile in der Prothese auf, die extrem palatinalwärts platziert sind. Bei der intraoralen Betrachtung zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen Implantatplatzierung und der Achse der Kunststofffrontzähne!
Die Lösung
Ein Wax-up stellte den Beginn der eigentlichen Behandlung dar, dieses wurde solang modifiziert, bis der Patient mit dem Stand der Zähne und seinem Aussehen zufrieden war. Die Ergebnisse dieser „Zielplanung“ ermöglichten die Beurteilung, an welcher Position und in welcher Ausrichtung zwei weitere Implantate (distal der bisherigen) gesetzt werden könnten. Dies wiederum führt zur Anfertigung einer Bohrschablone, die während der Insertion der beiden zusätzlichen künstlichen Zahnpfeiler zur Anwendung kam. Nach Osseointegration der beiden Implantate Regiones 14, 24 wurde die neue Teilprothese (nunmehr auf vier Implantaten, auf zwei bestehenden und zwei neuen abgestützt) mit den üblichen Teilschritten angefertigt und eingegliedert.
Losgelöst von solchen Fällen, die in der Regel auf Planungsfehlern und/oder -mängeln fußen, gibt es auch ein weiteres, anders geartetes implantatprothetisches Troubleshooting – hier seien vor allem Implantatfrakturen oder das Scheitern einzelner Implantate innerhalb einer umfangreichen Suprakonstruktion genannt. Auch diese im Vergleich zur Gruppe der erwähnten Planungsfehler deutlich kleinere Fraktion implantatprothetischer Problemfälle soll in diesem Beitrag Erwähnung und Wertung finden. Wir möchten darstellen, wie Lösungswege gefunden werden können, solchermaßen betroffenen Patienten eine modifizierte Arbeit zukommen zu lassen und den Bestand der bestehenden, einstmals sehr teuren Arbeit zu gewährleisten.
Implantatverlust durch Periimplantitis
Das Problem
Zehn Jahre lang hatte eine Brückenkonstruktion im zweiten Quadranten einer gut fünfzigjährigen Patientin „ohne Probleme“ gute Dienste geleistet. Recall- und Kontrolluntersuchungen wurden demnach von ihr nur unregelmäßig wahrgenommen. Die Problemfreiheit änderte sich schlagartig mit dem Auftreten einer Schwellung und eines Aufbissschmerzes in der linken Oberkieferhälfte. Eine Panoramaschichtaufnahme ergab radiologische Hinweise auf einen profunden knöchernen Defekt um das mesiale Implantat, welches am selben Tag entfernt werden musste. Nun stand die gesamte Suprakonstruktion zur Disposition. Die Patientin wünschte diese unbedingt zu halten, eine komplette Neuanfertigung nach Nachimplantation war ihr definitiv aus finanziellen Belangen nicht möglich.
Die Lösung
Nach Abheilung der Weichteile und des Knochens an der Stelle, an der das verloren gegangene Implantat einstmals seine Position innehatte, wurde ein weiteres Implantat inseriert. Die am verbliebenen Implantat temporär befestigte Brückenkonstruktion wurde als „Zielhilfe“ für die Incorporation des Ersatzimplantates verwendet und dann für den eigentlichen Implantationsvorgang abgenommen. Nach Osseointegration des künstlichen Zahnpfeilers wurde ein Kunststoffabutment aufgebracht und mittels Polyätherabformmasse eine Überabformung mit der eingegliederten Brückenkonstruktion durchgeführt. Dieses „individuelle“ Abutment wurde in Metall überführt und die Brückenkonstruktion nach einer Probetragephase definitiv zementiert.
Fraktur eines Implantates
Das Problem
Durchmesserreduzierte Implantate ermöglichen oftmals eine Implantation auch im reduzierten knöchernen Lager und können zur Vermeidung von Augmentationen beitragen. Bei deren Markteinführung wurden durchmesserreduzierte Implantate oftmals jedoch auch bei anderen Indikationen eingesetzt, einige Autoren empfahlen gar, diese als nunmehriges Standardimplantat zu verwenden. Aufgrund von Überlastungsphänomenen mussten in der Folge eine erhebliche Anzahl von Implantatfrakturen verzeichnet werden, was zu einer deutlichen Indikationseinschränkung für durchmesserreduzierte Implantate führte. Der hier vorgestellte Fall spiegelt einen typischen Verlauf einer solchen „frühen Phase“ wider. Eine rein implantatgestützte (zwei Pfeiler) Extensionsbrücke wurde im vierten Quadranten eingegliedert; trotz einer auch für ein Standardimplantat ausreichende orovestibuläre Knochendimension kam ein durchmesserreduziertes Implantat zum Einsatz. Die Folge: Nach acht Jahren Tragezeit brach das distale Implantat.
Die Lösung
In einem chirurgischen Arbeitsschritt wurde sowohl das im Knochen verbliebene Implantatfragment durch Osteotomie entfernt als auch ein weiteres distalständiges Implantat inseriert. Nach dessen Osseointegration erfolgte die komplette Neuversorgung mit einer Brücke, unter Einbeziehung des bestehenden mesialständigen Implantates. Die hier gewonnenen Ergebnisse können dazu beitragen, aus Planungsfehlern zu lernen und für künftig Fälle eine andere Vorgehensweise zu wählen, dann kann es auch gelingen, Patienten zu versorgen, die das Scheitern einer umfangreichen Sanierung mit Zahnersatz erleben mussten. Unser abschließender Fall soll dies verdeutlichen.
Die gescheiterte „konventionelle Versorgung“ – die geglückte „durchgeplante“ implantologische Vorgehensweise
Das Problem
Abschließend dürfen wir eine „Kuriosität“ vorstellen: Eine missglückte konventionelle Versorgung, die durch eine in enger Abstimmung zwischen Zahntechniker und Zahnarzt durchgeführte implantologische ersetzt wurde. Während der prothetischen Versorgungsphase (Ziel war eine teleskopierende Teilprothese, abgestützt auf den Zähnen 43, 33 mit Erhalt der – bis dato karies- und füllungsfreien – Frontzähne 42–32 und Ersatz der Zähne 47–44 und 34–37) traten erhebliche Komplikationen auf. Zuerst brach Zahn 33 ab und musste, obschon bereits präpariert und abgeformt, entfernt werden. Nach diesem Ereignis erfolgte eine Umplanung und es wurden die Zähne 42, 41, 31, 32 ebenfalls präpariert (Ziel teleskopierende Kronen). Kurz vor Eingliederung der Arbeit musste auch Zahn 43 entfernt werden, die exakten Gründe konnte die Patientin nicht nennen. Somit blieben die vier mit je einem Teleskop versehenen Zähne 42, 41, 31 übrig. Die Verankerung der Teilprothese war dürftig, der Patientin gelang es, diese bereits mit leichtem Zungedruck zu lösen, auch die ausgeprägte Einsinktendenz der Prothesensättel führte zu Komplikationen im Sinne multipler rezidivierender Druckstellen. In dieser Phase begab sich die Patientin in unsere Obhut. Grund des Wechsels war die Aussage ihres Zahnarztes, dass Implantate, nach denen sich die Patientin erkundigt hatte, aufgrund des schmalen und atrophischen Kieferkammes weder im erweiterten Frontzahn- noch im Seitenzahnbereich möglich seien.
Die Lösung
In der Tat waren die Alveolarkämme, beidseits beginnend in der Eckzahnregion und bis in die Gegend der früheren Molaren reichend, recht spitz verlaufend, zudem sank der Verlauf des knöchernen Limbus alveolaris distal der ehemaligen Prämolarenzone deutlich ab. Somit lagen erhebliche knöcherne Defizite sowohl in orovestibulärer als auch in horizontaler Dimension vor. Um die grundsätzlichen Möglichkeiten einer oralen Implantation zu prüfen, entschieden wir uns zur Durchführung eines dreidimensionalen bildgebenden Verfahrens, welches uns bei diesem komplexen Patientenfall sehr hilfreich war.
Nach Darstellung der knöchernen Situation ergaben sich Hinweise, dass eine Implantation auch ohne Durchführung augmentativer Verfahren möglich sein könnte. Somit folgte eine virtuelle Implantatplanung, deren Ergebnisse in die Anfertigung einer Bohrschablone führte, Hilfreich war hier der frontale Restzahnbestand, auf dem die Schablone sicher verankert werden konnte, Durch die Wahl einer reduzierten Zahnreihe mit je einem Implantat in der Region der ehemaligen Sechsjahresmolaren und je einem zweiten künstlichen Pfeiler in der früheren Eckzahnregion konnte die Schablone auch in recht geringen Dimensionen gehalten werden. Nach Insertion der vier Implantate Regiones 46, 43, 33, 36 und deren Osseointegration erfolgte die Versorgung mit Suprakonstruktionen, wobei hier zwei rein implantatgetragene Brücken 46–43 und 33–36 und vier Frontzahneinzelkronen gewählt wurden. Die Restaurationen waren ein halbes Jahr provisorisch befestigt, später dann mit einem definitiven Zement.