Abrechnung 17.05.2013
Analogabrechnung
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Vorbemerkungen
Die Analogabrechnung erfreut sich – zu Recht – rasch steigender Aufmerksamkeit. Das gilt infolge der jahrzehntelangen Nichtanpassung der GOZ, insbesondere des Punktwerts, an die wirtschaftliche Entwicklung schon für die Normalbehandlungen. Im Bereich der ästhetischen und kosmetischen Leistungen kommt man um Analogien seit Langem nicht herum. Nun hat auch die Bundeszahnärztekammer zum ersten Mal eine Analogieliste veröffentlicht, allerdings ohne konkrete Empfehlungen zur Abrechnung zu geben.
Die Analogabrechnung trifft in der Praxis auf drei Probleme:
1. Die Anwendung der gesetzlichen Regeln ist nicht einfach.
2. Die Kostenerstatter wehren sich oft „mit Händen und Füßen“.
3. Es gibt kaum Hinweise, die man einfach umsetzen kann: Welche Gebührenziffer soll man nehmen?
Im GOZ-Kompendium 2012 haben die Autoren die gesetzlichen Regelungen ausführlich kommentiert und erste praktische Anwendungshinweise gegeben. Zur IDS ist eine Liste mit 295 konkreten Abrechnungsempfehlungen veröffentlicht worden (BDIZ EDI), berechnet für einen erforderlichen Stundenhonorarumsatz von 250 € . Die 250 € -Praxis als Leitbild entspricht den heutigen Erfordernissen. Nimmt man den in der Stellungnahme der Bundesregierung vom 05.10.2007 (BT-Drs. 16/6577, S. 5) für eine kleine Einzelpraxis genannten erforderlichen Honorarumsatz von 194,38 € /Std., dann sind daraus im Jahre 2013 schon 224,74 € geworden.
Für den vermehrten Einsatz der Analogabrechnung spricht, dass sie ein flexibles Instrument zur laufenden Anpassung der Zahnarzthonorare an die allgemeine Kostenentwicklung bietet. Sie ist auch insofern flexibel, als Zeit- und Kostenaufwand keine normierten Standardgrößen, sondern im Rahmen des § 6 Abs. 1 GOZ praxisinviduell abbildbar sind.
Praxis A muss deshalb nicht dieselbe Analogleistungsziffer wählen wie Praxis B. Aber es ist hilfreich, wenn die generelle Richtung stimmt und man sich über die Beschreibung der analog abzurechnenden Leistungen im Berufsstand einig ist; denn die Analogabrechnung wird durch die Rechtsprechung nicht einfach gemacht, da, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 15.04.2011 – 14 ZB 10.1544 – ausdrückte, „der Zahnarzt bei der Analogberechnung zahnärztlicher Leistungen nicht willkürlich eine Position heranziehen [darf], die ihm im Ergebnis als angemessen erscheint“. Andererseits billigt die Rechtsprechung dem Zahnarzt einen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Analogziffern zu (OLG München, 07.12.2004 – 25 U 5029/02 –).
Aufgabenstellung im Allgemeinen
Die Aufgabe der Analogabrechnung besteht der Sache nach darin, anstelle des Verordnungsgebers, also des Bundesministeriums für Gesundheit, faktisch eine neue Gebührenziffer zu schaffen. Dazu gehört deren Leistungsbeschreibung, die dann auch in der Abrechnung entsprechend erscheinen muss. Eine Gebührenziffer ist der Sache nach eine abstrakte Rechtsnorm, die Analogziffer im Ergebnis also auch, nur mit dem Unterschied, dass sie durch den Zahnarzt selbst geschaffen werden darf.
Für die Frage nach dem Ob der Analogabrechnung weist der BGH in seiner Entscheidung vom 13.05.2004 – III ZR 344/03 – auf einen entscheidenden Punkt hin: „Dem Arzt kann nicht angesonnen werden, sich in Fällen, in denen die Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte wegen eines möglichen Regelungsdefizits Zweifel aufwirft, durch Abschluss einer Vereinbarung ein angemessenes Honorar zu sichern.“ Das gilt insbesondere für die in den Gebührenordnungen bisher überhaupt nicht abgebildeten Aufklärungsleistungen, wie sie seit dem 26.02.2013 auch in den §§ 630c und 630e BGB enthalten sind.
Allgemeines Prüfschema
§ 6 Abs. 1 GOZ erfordert (vereinfacht) fünf Prüfschritte:
(1) Handelt es sich um eine selbstständige Leistung, die in der GOZ oder im direkt geöffneten Abrechnungsbereich der GOÄ nicht enthalten ist?
(2) Mit welcher bestehenden Leistung ist die neue Leistung nach ihrer Art vergleichbar?
(3) Welche Kosten sind mit der neuen Leistung verbunden?
(4) Wie viel Zeit erfordert die neue Leistung?
(5) Welche Gebührenziffer ist danach als Grundlage für die Analogberechnung auszuwählen?
Die Hauptkriterien Art, Kosten und Zeit (2–4) sind gleichwertig (BGH, 23.01.2003 – III ZR 161/02 –). In der Praxis kann man diese Schritte nur ergebnisbezogen nachvollziehbar machen:
Man ermittelt zuerst die angemessene Vergütung in Euro für den Regelfall (Steigerungsfaktor 2,3), rechnet diese durch Division mit dem Punktwert nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ (gesteigert ebenfalls mit dem Faktor 2,3) in die Punktmenge um und sucht dann nach geeigneten Gebührenziffern für die Analogie.
Eine (neue) selbstständige Leistung kann auch dann vorliegen, wenn sie in GOZ oder GOÄ beschrieben ist, aber heute ganz anders ausgeführt wird als zu Zeiten ihrer Aufnahme, Beschreibung und Bewertung im Gebührenverzeichnis (BGH, 13.05.2004 – III ZR 344/03 –; OLG Düsseldorf, 27.09.2001 – 8 U 181/00 –). Da die Zahnheilkunde in den zweieinhalb Jahrzehnten seit der GOZ 1988 große Fortschritte gemacht hat, könnte man heute – streng genommen – nahezu alle zahnärztlichen Leistungen analog abrechnen. Als besonders prägnante Beispiele seien die Fortschritte in der Endodontie genannt – oder eben die Fortschritte im Bereich ästhetischer und kosmetischer Zahnheilkunde.
Manche Inhalte ästhetischer und kosmetischer Zahnheilkunde sind auch in der GOZ 2012 abgebildet, so etwa die Nrn. 2220 und 2197 für das Veneer. Andere, wie externes oder internes Bleaching, sind nicht abgebildet. In der genannten Analogliste wird für das „normale“ interne Bleichen die Abrechnung analog GOZ-Nr. 2350 (290 Punkte = 37,51 € bei Faktor 2,3) und bei stark entstellend verfärbten Zähnen die Abrechnung analog GOZ-Nr. 2120 (770 Punkte = 99,60 € bei Faktor 2,3) empfohlen.
Bei der Art der Leistung steht „das Ziel der Leistung oder der Ablauf der Behandlung im Vordergrund“ (BGH, 23.01.2003 – III ZR 161/02 –). Konservierende Leistungen sind ihrer Art nach am ehesten mit den Leistungen aus Abschnitt C der GOZ vergleichbar (LG Saarbrücken, 12.02.2004 – 11 S 246/01 –). Aber es spricht nichts dagegen, ggf. auf Leistungspositionen in allen anderen, also auch den prothetischen oder kieferorthopädischen Abschnitten auszuweichen, wenn sonst das Gebot der Vergleichbarkeit bei Zeit- und Kostenaufwand nicht zu erfüllen ist und auch das Gebührenverzeichnis zur GOÄ keine sinnvollen Gebührenziffern enthält.
Wichtiger als die Art der Leistung sind Zeit- und Kostenaufwand. Unter Kostenaufwand sind die Praxiskosten, die mit der Leistung zwangsläufig verbunden, aber nicht gesondert abrechenbar sind, zuzüglich des sog. Unternehmerlohns und eines Gewinnanteils i.S. einer Vollkostenrechnung zu verstehen. In diese Kostenberechnung gehen nicht die Kosten von 1965 bzw. 1987, sondern die aktuellen Kosten, d.h. die Kosten der Jahre 2013 und später ein. Damit bietet die Analogabrechnung die Möglichkeit der laufenden Anpassung der Vergütung an die Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Zeitaufwand ist der Aufwand an Gesamtbehandlungszeit. Dazu zählen neben der Erbringung der eigentlichen Leistung auch die damit zusammenhängenden nicht gesondert abrechenbaren Nebenleistungen, z.B. Vorbereitungsleistungen, Hygienezeit, eingriffstypische Beratungsleistungen etc.
Für die Auswahl der Gebührenziffer orientiert man sich an Ziffern, welche in etwa dieselbe Punktmenge ergeben, die nach den Berechnungen zu Kosten- und Zeitaufwand erforderlich ist. Die Ziffernsuche erstreckt sich zunächst nur auf die GOZ und, wenn man darin nicht fündig wird, auf die im Gebührenverzeichnis zur GOÄ nach § 6 Abs. 2 GOZ eröffneten Leistungsbereiche.
Zusammenfassung
- Alle zahnärztlichen Leistungen, die in dem Gebührenverzeichnis zur GOZ enthalten sind, sind nach GOZ abzurechnen.
- Alle zahnärztlichen Leistungen, die im nach § 6 Abs. 2 GOZ eröffneten Umfang im Gebührenverzeichnis der GOÄ enthalten sind, sind – mit denselben Einschränkungen – nach GOÄ abzurechnen.
- Alle zahnärztlichen Leistungen, die in keinem dieser Gebührenverzeichnisse enthalten sind, sind analog abzurechnen.
- Die Analogieabrechnung muss nach dem Gebührenverzeichnis zur GOZ erfolgen, sofern sich darin für die Analogie geeignete Gebührenziffern finden.
- Die Analogieabrechnung muss nach dem Gebührenverzeichnis zur GOÄ erfolgen, sofern sich im Gebührenverzeichnis der GOZ keine für die Analogie geeigneten Gebührenziffern finden. Dabei ist die Auswahl auf die in § 6 Abs. 2 GOZ genannten Abschnitte und Ziffern der GOÄ beschränkt.
Vorschlag
Eine möglichst komplette Zusammenschau der im Bereich der ästhetischen und kosmetischen Zahnmedizin erbrachten Leistungen gibt es nicht. Es wäre sehr hilfreich – und würde von mir auch ausgewertet –, wenn es aus dem Leserkreis dazu Anregungen/Hinweise gäbe. Vielleicht gelingt es dann, in absehbarer Zeit auch für den Bereich der ästhetischen und kosmetischen Zahnheilkunde, konkrete Abrechnungsempfehlungen für den Analogiebereich zu bringen. Jeder für sich nach eigenem Gusto hat zwar seinen Reiz, bedeutet aber aus der Sicht der Kostenträger divide et impera, nur dass sich die Zahnärzteschaft mit dieser Einstellung selbst vereinzelt.