Abrechnung 08.08.2011
Zahnerhaltung mit Fingerspitzengefühl
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Ziel einer endodontischen Therapie ist die möglichst vollständige Keimfreiheit des gesamten Wurzelkanalsystems, um dessen bakteriendichten Verschluss zu erreichen. Das Erfolgsgeheimnis einer endodontischen Behandlung erfordert damit nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch erhebliches Fachwissen, eine langjährige Erfahrung sowie die Ausstattung mit modernsten Geräten und hochwertigen Materialien.
Nicht
selten kommt es bei den vorzunehmenden Behandlungsschritten, d.h. von der Reinigung
der Wurzelkanäle mittels spezieller Wurzelkanalinstrumente bis hin zur
punktgenauen Längenbestimmung, zu Abrechnungs- und Erstattungsproblemen durch
Versicherungen und Beihilfestellen. Die „Hauptdiskussionspunkte“ möchten
wir gerne im Folgenden näher erläutern.
GOZ 239 Trepanation
Die Trepanation nach GOZ 239 kann für die Eröffnung des Pulpenkavums bei vitalen oder devitalen Zähnen je Zahn berechnet sowie wiederholt für den erneuten Zugang einer Revisionsbehandlung liquidiert werden. In vielen Fällen der Wurzelkanalbehandlung wird ein Zahn nämlich nicht mehr temporär verschlossen, sondern mit einer definitiven, meist einflächigen Kunststofffüllung (GOZ 205) versehen. Somit ist in der darauffolgenden Sitzung die GOZ 239, entgegen der Auffassung vieler Versicherungen und Beihilfestellen, erneut abrechnungsfähig.
GOZ 241 Wurzelkanalaufbereitung
Die Aufbereitung der Wurzelkanäle ist ebenfalls einmal je Kanal berechenbar. Ist die endgültige Aufbereitung aus medizinischen Gründen jedoch nicht in einer Sitzung möglich, kann die GOZ 241 ein weiteres Mal je Kanal aufgeführt werden (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, 21.12.2000, Az. 8 U 4/99). Einige Kostenerstatter versuchen, die GOZ 241, 239 und 236 unter einer Abrechnungsziffer zu subsummieren und behaupten, die Leistungen seien bereits Bestandteil der eigentlichen Hauptleistung. Dies wurde durch ein Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen (2.2.1995 Az. 6 A 4594/94) und zahlreiche andere Gerichtsurteile abgelehnt: „Das Aufbohren eines Zahnes (GOZ 239) und die Entfernung der vitalen Pulpa (GOZ 236) sind nicht Bestandteil der Aufbereitung von Wurzelkanälen (GOZ 241) und können auch im zeitlichen Zusammenhang nebeneinander berechnet werden.“
GOZ 240 Elektrometrische Längenbestimmung
Da diese Leistung nach GOZ 240 nur einmal je Kanal und je medizinisch notwendiger Längenbestimmung berechnungsfähig ist, sollte bei erforderlichen Mehrfachtestungen in einer Sitzung der Steigerungsfaktor erhöht werden. Viele Kostenerstatter beschränken die Berechnungsfähigkeit der elektrometrischen Bestimmung auf ein einziges Mal je Behandlungsfall, unabhängig von der Anzahl der getesteten Kanäle. Dass dies nicht korrekt ist, wird durch die Stellungnahme der Bayerischen Landeszahnärztekammer (BZB Mai 2008) sowie durch den Beschluss des GOZAusschusses der LZK BW (25.11.2009) bestätigt.
GOZ
242 Zusätzliche Anwendung elektrophysikalisch-chemischer Methoden
Die zusätzliche Anwendung der elektrophysikalisch-chemischen Methoden nach GOZ 242 ist je Kanal und je Sitzung abrechnungsfähig. Auch eine Mehrfachberechnung je Kanal innerhalb einer Sitzung ist möglich, setzt allerdings die Anwendung unterschiedlicher wissenschaftlich anerkannter elektrophysikalisch-chemischer Methoden im Wechsel voraus.
Materialkosten
Bei den Leistungen nach GOZ 241 sind Verbrauchsmaterialien wie Einmalwurzelkanalinstrumente erforderlich, welche jedoch laut Kostenerstatter nicht berechnungsfähig sind. Je nach Qualität kann der Preis der Verbrauchsmaterialien einen wesentlichen Wert in Relation zum Honorar für die Wurzelkanalaufbereitung besitzen. Das heißt, eine separate Berechnung der Instrumente ist unzweifelhaft zulässig, wenn die Kosten des tatsächlichen Materialverbrauchs eindeutig mehr als drei Viertel der Gebühr zum Mittelsatz beanspruchen (bezogen auf die GOZ 241 entspricht dies 27,17 Euro). Bestätigt wird der Ansatz der Einmalwurzelkanal-instrumente analog durch das BGH-Urteil vom 27.05.2004 (Az: III ZR 264/03). Die folgenden Gerichte schließen sich dem BGH an: LG Hagen (30.10.2007 Az. 9 O 102/06), AG Hamburg-Wandsbek (30.11.2007 Az. 714 C 331/05), AG Hagen (15.02.2006 Az. 140 C 457/04), AG Bielefeld (22.06.2006 Az. 5 C 898/04).
Lupenbrille, OP- bzw. Dental-Mikroskop
Für eine Erfolg versprechende Endodontiebehandlung ist die Anwendung einer Lupenbrille oder eines OP- bzw. Dental-Mikroskops meist unverzichtbar. Hierzu finden Sie bereits Abrechnungstipps in der ZWP, Ausgabe 7+8/2010.
Fazit
Durch die moderne Endodontie können Zähne heute mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent erhalten werden, die vor noch nicht allzu langer Zeit hätten entfernt werden müssen. Endodontische Maßnahmen sind sehr aufwendig und hochkompliziert, aber lohnend, wenn hierdurch der eigene Zahn erhalten werden kann. Die Einstellung von Versicherungen und Beihilfestellen bei der Erstattung endodontischer Behandlungen, trotz bestehender Kammerkommentare und Rechtsprechung, ist nicht nachvollziehbar. Einzelne gebührenrechtliche Fragestellungen werden bedingt durch unterschiedliche Rechtsauffassungen schier endlos diskutiert, was für Patienten jedoch definitiv nicht zielführend ist. Es wird im Gegenteil in Kauf genommen, dass exorbitante Folgekosten aufgrund von Extraktionen für Implantate, Brückenkonstruktionen und prothetische Kombinationsversorgung geleistet werden müssen. Versicherungen und Beihilfestellen sollten ihr restriktives Erstattungsverhalten in Bezug auf die diesbezüglichen Therapiemaßnahmen daher grundsätzlich überdenken, da sich die modernen Therapien langfristig als deutlich kostengünstiger erweisen.