Businessnews 24.01.2013

Jost Fischer übergibt Sirona-Führung



Jost Fischer übergibt Sirona-Führung

Eine gesellige Abschiedsrunde in der rustikalen Zirbenstube* geben, das Büro ausräumen und sich persönlich von allen Mitarbeitern verabschieden – so wird sein letzter Arbeitstag aussehen. Ende Februar ist es so weit: Jost Fischer geht und Jeffrey Slovin tritt die Nachfolge an. Diesen bevorstehenden Führungswechsel nahm die Redaktion zum Anlass, um den Sirona Vorstandsvorsitzenden noch einmal in Salzburg zu besuchen und seine elfjährige Unternehmensleitung im Interview Revue passieren zu lassen.

Herr Fischer, im Februar 2013 steht Ihr letzter Arbeitstag bei Sirona bevor. Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag im Unternehmen erinnern?

Meinen ersten Arbeitstag bei Sirona hatte ich auf dem Chicago Midwinter Meeting im Februar 2002. Dort lernte ich die amerikanischen Vertriebsmitarbeiter und einige Führungskräfte aus Bensheim kennen. Die Dentalwelt war damals völlig neu für mich. Umso interessanter war es, auf dieser Messe einen grundlegenden ersten Eindruck vom Dentalmarkt zu erhalten. Relativ schnell habe ich dann erkannt, was mit Sirona möglich ist.

Wer Sie kennt, weiß, dass Stillstand ein Fremdwort für Sie ist. Wie geht es weiter?

Am meisten freue ich mich darauf, morgens ohne E-Mails und Telefonate aufzuwachen. Als Chef bewegt man sich zeitlich doch in einem sehr engen Korsett. Ich habe höchstens drei bis vier Wochen im Jahr, die ich persönlich disponieren kann. Darüber hinaus ist das Leben eines Vorstandsvorsitzenden eines börsennotierten Unternehmens von umfangreicher Planung geprägt. Diese vorgegebene Lebensweise habe ich in den letzten elf Jahren bei Sirona durch die Finanzmarktherausforderungen, den dreimaligen Verkauf an Finanzinvestoren, den anschließenden Börsengang und den damit verbundenen sehr intensiven Prozessen  sowie regelmäßigen Reisen zu den einzelnen Märkten sehr stark erlebt. Deshalb schmiede ich vorerst keine großen Pläne und will alles auf mich zukommen lassen. Einige Ideen habe ich natürlich – beispielsweise möchte ich als früherer Leistungssportler wieder mehr Sport treiben. Und die eine oder andere Reise wird es auch geben.

Eines der Markenzeichen von Sirona ist, fortlaufend innovative Produkte auf den Markt zu bringen und bestehende Produkte kontinuierlich zu verbessern. Wie schafft es Sirona, dieser Vorreiter-rolle gerecht zu werden?

Hinter dem Erfolg von Sirona stecken viele Faktoren. Als ich bei Sirona angefangen habe, waren wir ein deutsches Unternehmen mit kleinem Exportanteil. Heute sind wir ein globales Unternehmen mit deutschen Wurzeln. Das schaffen wir durch eine sehr intensive Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich. Deshalb haben wir uns intern dazu verpflichtet, einen jährlich steigenden Betrag für Forschung und Entwicklung auszugeben und liegen heute bei 53 Millionen Dollar, die wir im letzten Jahr in diesem Bereich investiert haben. Inzwischen sind mehr als 280 Forscher und Wissenschaftler im Unternehmen tätig, denn der Zahnarzt will nicht nur ein Produkt kaufen, sondern eine Systemlösung. Aus diesem Grund muss er zunehmend in Technologie investieren.

Ein zweiter Erfolgsfaktor ist unser Akademiekonzept. Damit wir Produkte erfolgreich auf den Markt bringen können, müssen wir für ständige Fort- und Weiterbildung unserer Vertriebsmitarbeiter, Servicetechniker, Partner und Händler sorgen. Und zwar nicht nur nach einem zentralen Konzept, sondern unter Einfügung lokaler Komponenten, denn unterschiedliche Märkte fordern auch verschiedene Herangehensweisen. Hier ist Transformationsleistung vor Ort gefragt. Technologie verkauft sich nicht von selbst – der Nutzen muss verdeutlicht sowie alle ­erforderlichen Informationen intensiv diskutiert werden.

Bei Sirona steht der Mensch im Fokus. Der Mensch in Form von Patient, Zahnarzt, Zahntechniker und Handelspartner. Bitte erklären Sie uns dieses Unternehmensziel!

Wir geben unser Bestes, vielen gerecht zu werden. Selbstverständlich gehen Technologie und Entwicklung immer auch mit Kosten einher, und diese müssen verdient werden. Wir brauchen Gewinn, um in der Lage zu sein, konstant zu investieren. Insofern muss man den Patienten und Mitarbeitern den Mehrwert nahebringen und das geht nur durch Professionalität und Motivation. Sehr hilfreich sind dafür Messen. Hier präsentiert sich Sirona dem Markt und zeigt, wo die Entwicklung in der Zahnarztpraxis hingehen wird.

Wodurch zeichnet sich ein gutes Produkt Ihrer Meinung nach aus?

Ganz klar: erstens durch Zukunftsfähigkeit. Es ist wichtig, ein Produkt zu haben, das über  viele Jahre hinweg einsetzbar ist. Darüber hinaus ist zweitens die Integration entscheidend. Für den Anwender ist es wichtig, dass sich ein neues Produkt unkompliziert in die Praxisabläufe integrieren lässt und eine Kompatibilität zu bestehenden Geräten besitzt. Für unsere Kunden soll kein einmaliger Kauf im Vordergrund stehen, sondern die systematische Weiterentwicklung der Praxis-Ausstattung. Das wird in vielen Fällen über Software-Upgrades und die Möglichkeiten der Integration mit anderen Sirona-Geräten realisiert. Drittens kommt es auf einen guten Service an. Die Produkte müssen haltbar sein, aber sie müssen auch regelmäßig gewartet werden. Und das tun wir. Schließlich geht es doch darum, dass der Zahnarzt sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren kann – die fortschrittliche zahnärztliche Behandlung.

Vor knapp zwei Jahren wurde am Standort Bensheim ein neuer Gebäudekomplex mit dem Ziel erbaut, alle Forschungsabteilungen unter einem Dach zu vereinen. Wie hat sich der Bereich Forschung und Entwicklung in den letzten Jahren entwickelt?

Das Vorhaben ist sehr gut geglückt, die Büros sind bereits voll besetzt, obwohl wir es eigentlich mit etwas Wachstumsreserve gebaut haben. Das hat unseren Entwicklungsabteilungen einen weiteren Schub gegeben, nicht nur der Motivation, sondern auch der Leistung. So werden wir eine Rekordanzahl an Innovationen auf der IDS präsentieren können. Eine davon haben wir mit der Omnicam bereits vorgestellt, diese ist als erstes größeres Produkt in unserem Innovationszentrum entstanden. Auf diesen Meilenstein bin ich stolz. Auch der Standort Salzburg hat sich positiv entwickelt. Als wir hier vor fünf Jahren begonnen haben, waren es 29 Mitarbeiter. Heute sind es über 120. Das spiegelt die Entwicklung im Vertriebs- und Servicebereich bei Sirona global wider. Effizienz in der Produktion, im Service und im Bereich Forschung und Entwicklung ist einer der wesentlichen Treiber des Erfolgs für Sirona.

Wie sieht es mit sozialem Engagement aus – gibt Sirona auch ein Stück dieses Erfolges zurück?

Sirona ist sich seiner sozialen Verantwortung bewusst und wird dieser umfassend gerecht. Wir leben natürlich in einer Welt der Ungleichheit und das wird sich auch nicht ändern. Ein aktuelles, größeres Projekt ist die Unterstützung eines Kinderhospitals in Angkor, Kambodscha, wo wir kostenlos die Klinik mit unseren Produkten ausstatten. Dies wird im Moment realisiert und wir freuen uns, dadurch Zahngesundheit für Kinder in unterentwickelten Märkten fördern zu können. In der Vergangenheit haben wir das schon in Russland, Tansania und Peru getan und wollen soziale Projekte dieser Art auch zukünftig fortsetzen. Unsere traditionelle Weihnachtsspende kam bereits zum zweiten Mal einem russischen Waisenhaus zugute.

Sirona ist der Innovationsführer in der Dentalbranche. Was sind aus Ihrer Sicht die Meilensteile während Ihrer Unternehmenszugehörigkeit?

Drei Produkte waren für mich am Anfang sehr wichtig. Zum einen die Einführung unseres C8+ Stuhls – inzwischen der meistverkaufte Stuhl der Welt – und zum anderen die CEREC-Software in 3-D. Diese wurde auf der ersten IDS, an der ich teilgenommen habe, vorgestellt. 2004 kam die ORTHOPHOS XG-Generation auf den Markt, heute die meistverkaufte Großröntgenplattform der Welt. Damit haben wir die digitale Radiografie und danach das dreidimensionale Röntgen als neues Geschäftsfeld für Sirona etabliert. Ergänzt wurden diese Highlights durch Weiterentwicklungen in den letzten Jahren: von CEREC Redcam zur Bluecam und Omnicam. Eine systematische Verbesserung und Erleichterung für den Zahnarzt. Auch die Erneuerung unserer Stuhlgeneration wurde sehr erfolgreich durch TENEO und SINIUS gestaltet.

Mit welchen Ambitionen und Intensionen haben Sie damals bei Sirona angefangen und wie viel davon konnten Sie zurückblickend verwirklichen?

Meine Devise war klar „Ran an den Kunden“. Infrastrukturell haben wir dies gelöst, indem wir mehr als 1.500 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt haben, die sich genau damit befassen, in den jeweiligen Märkten die Kunden zu bedienen. Denn japanische Zahnärzte haben andere Bedürfnisse und Ansprüche an einen Service als ein deutscher oder amerikanischer Kunde. An diese unterschiedlichen Anforderungen mussten wir die Ansprüche angleichen und das funktioniert nur dann gut, wenn wir wirklich vor Ort vertreten sind. Aus diesem Grund haben wir viel investiert. Wir haben eine Vielfalt an Kulturen bei Sirona mit unterschiedlichen Mentalitäten. Überall ist es uns gelungen, sehr gute Organisationen unter guter Führung aufzubauen und so die Sirona-Produkte sowie das Marken-Image zu transportieren und auch lokal an die Spitze zu bringen. Wir sind auf diesem Weg ein riesiges Stück vorangekommen. Die täglichen Herausforderungen gab und gibt es natürlich immer, aber eines ist sicher: Sirona-Mitarbeiter sind höchst motiviert!

Ende Februar 2013 werden Sie den Stab an Jeffrey Slovin überreichen. Werden sich die Geschäftsleitung und Sirona durch diesen Wechsel neu organisieren?

Ich kenne Jeffrey seit zehn Jahren. Bei Sirona ist er seit über sieben Jahren beschäftigt und hat das Unternehmen in wesentlichen Entwicklungen mitgestaltet. Wenn er an die Spitze kommt, dann ist das kein Bruch, sondern die logische Weiterentwicklung des Unternehmens und so wird sich das auch gestalten. Der neue Vorstandsvorsitzende wird natürlich dann auch eigene Akzente setzen. Darüber hinaus haben wir als weitere Vorstandsmitglieder Simone Blank als Finanzchefin, Walter Petersohn als weltweiten Vertriebschef sowie Rainer Berthan als Chef in Bensheim, die ihn – wie vorher mich – tatkräftig unterstützen werden.

Die IDS steht vor der Tür. Worauf dürfen sich Kunden schon jetzt freuen?

Die IDS ist eine Leitmesse für die ganze Dentalwelt. Sirona hat in den vergangenen Jahren Highlights gesetzt und das werden wir auch in diesem Jahr wieder versuchen. Deshalb stellen wir eine Menge an Neuheiten vor, die für die Weiterentwicklung der Technologie in der Dentalwelt eine große Rolle spielen werden. Eine der wichtigsten Entwicklungen  ist das puderfreie Abformen mit der neuen Omnicam. Diese wird den Markt in den nächsten Jahren sicher prägen. Mit dieser Neuheit sind wir aber längst nicht am Ende angekommen – die Entwicklung geht weiter.

Sie sind wie kein anderer mit der Dentalbranche verwoben. Was würden Sie den Zahnärzten weltweit mit auf die Reise geben?

Erstens, Technologie wird die Zahnarztpraxis in der Zukunft viel stärker prägen und dominieren als dies in der Vergangenheit der Fall war ist. Der Dentalmarkt entwickelt sich von einem rein „handwerklichen“ Tätigkeitsfeld mit recht wenig elektronischer Unterstützung, in ein Berufsfeld, bei dem die Technologie dem Zahnarzt viel Analysearbeit abnehmen wird und damit die Prozesse beschleunigt und verbessert. Ich gehe davon aus, dass die Durchdringung mit Technologie in den nächsten Jahren weiter deutlich gesteigert wird. Für den Zahnarzt werden insbesondere im Bereich Röntgen und CAD/CAM neue Lösungsansätze im Softwarebereich kommen, deren Integration viele neue Möglichkeiten eröffnen.

In zweiter Linie steht die intuitive Bedienung im Praxisalltag im Vordergrund. Lösungen zielen darauf ab, den Arbeitsablauf so einfach und unkompliziert wie möglich zu gestalten, Handgriffe sollen ineinander übergehen, die Technik den Zahnarzt unterstützen und ihm sowohl eine Kosten- als auch Zeitersparnis bringen. Mit unserer Technologie wird der Zahnarzt künftig noch besser und sicherer arbeiten und dadurch wesentlich bessere Behandlungsergebnisse erzielen. Zudem kann der Zahnarzt mit einer steigenden Anzahl an Patienten besser umgehen. Denn in vielen Märkten wird künftig die Anzahl der Zahnärzte nicht proportional zu den Marktnotwendigkeiten steigen. In diesem Fall wird Technologie helfen, diese Probleme besser zu lösen.

Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch!

*Anmerkung der Redaktion: Gemütlicher, uriger Raum im alpenländischen Stil bei Sirona in Salzburg, der mit Zirbelholzvertäfelungen und rustikalen Möbeln gestaltet ist (siehe Abb. 1).

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