Businessnews 27.03.2012
Soziale Anerkennung am Arbeitsplatz reduziert Burnoutrisiko
Wenn Arbeitnehmer sich leistungsgerecht belohnt fühlen, ist das Risiko einer arbeitsbedingten Erschöpfung deutlich geringer. „Das bedeutet allerdings mehr als nur angemessene Bezahlung, wichtig ist vor allem die soziale Anerkennung, die Menschen für ihren Arbeitseinsatz erhalten“, konstatiert der Frankfurter Sozialpsychologe Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl. Dies ist ein wichtiges Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie, an der Wissenschaftler der Goethe-Universität, des Sigmund-Freud-Instituts und der Technischen Universität Chemnitz beteiligt waren.
Im
Rahmen der gerade abgeschlossenen Untersuchung wurden 2011 fast 900
Supervisoren der Deutschen Gesellschaft für Supervision e. V. (DGSv),
die seit Jahren überwiegend Profit- und Non-Profit-Organisationen im
sozialen Bereich wie Krankenhäuser, Schulen, Kinder- und Jugendhilfe
beraten, nach ihrer Einschätzung zur Arbeitsbelastung befragt. Diese
Expertinnen und Experten, von denen knapp die Hälfte bereits 2008 an
einer ähnlichen umfangreichen Befragung teilgenommen hatten,
bestätigten: Über alle Branchen hinweg sind die Arbeitsbedingungen so,
dass viele Beschäftigte ihre psychische Gesundheit riskieren. Von
Entwarnung kann keine Rede sein. Dazu das signifikante Zitat einer
Supervisorin aus einem von 30 Intensivinterviews: „… als ich da hinkam,
hatte die Leitungskraft 600 Überstunden. Und alles, was unter 100 war,
bedeutet irgendwie, die arbeiten nicht richtig.“
Wie lassen sich Arbeitsbedingungen so gestalten, dass das Risiko eines
Burnouts sinkt? Arbeitgeber sollten in die Organisationskultur
investieren, ist das Fazit der Studie. Dazu Haubl, der an der
Goethe-Universität lehrt und forscht und gleichzeitig auch das
Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt leitet: „Neben der
leistungsgerechten Belohnung als einflussreichster Faktor kommt es
besonders auf das Verhalten und die Einstellung der Vorgesetzten und der
Kollegen an: Chefs, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur
als Kostenfaktoren betrachten, sondern als eine Belegschaft mit
produktiven Fähigkeiten, die sie nachhaltig zu entwickeln suchen,
schützen ebenso vor überfordernden Arbeitsbedingungen, wie Kollegen, die
sich halbwegs solidarisch verhalten.“
Die Untersuchung bestätigt übrigens nicht die immer wieder geäußerte
Meinung, das Mitarbeiter mit wachsender Indifferenz gegenüber ihrer
Arbeit reagieren, wenn sie sich überfordert fühlen. Im Gegenteil: „Die
Befragten trafen in den Organisationen in der überwiegenden Mehrzahl auf
Beschäftigte, für die Arbeit – noch – eine Sinn stiftende Funktion hat
und die deshalb darunter leiden, wenn sie aufgrund eines herrschenden
ökonomischen Effizienzdrucks gezwungen sind, Qualitätsstandards zu
verletzen“, erläutert Prof. Dr. Günter G. Voss aus Chemnitz, der eine
Professur für Industrie- und Techniksoziologie an der Technischen
Universität Chemnitz innehat und gemeinsam mit Haubl das Forschungsteam
leitet. In den meisten Organisationen hat in den vergangenen Jahren die
Arbeitsintensität eindeutig zugenommen: Arbeitsprozesse werden
verdichtet und beschleunigt, Nischen beseitigt; die Zahl der prekären
und befristeten Arbeitsverhältnisse nimmt zu.
Die Supervisoren, die für diese Studie befragt wurden, sind mit den
turbulenten Veränderungen in der Arbeitswelt bestens vertraut. Ihre
Einschätzungen sind besonders aussagekräftig, weil sie einerseits als
kritische Zeitzeugen derartige Prozesse beobachten und ungeschönte
Einblicke in das Innenleben von Organisationen haben, andererseits aber
auch gemeinsam mit Einzelpersonen und Teams nach konstruktiven
Handlungsalternativen suchen. Immer häufiger, so stellen die Befragten
fest, wird Arbeitnehmern zugemutet, einander widersprechende
Anforderungen – wie die zwischen Professionalität und Kosteneinsparung –
ohne betriebliche Unterstützung auszuhalten und abzufedern. „Und das
führt entweder dazu, sehenden Auges die eigene Gesundheit zu riskieren,
um Karrierevorteile zu erlangen, oder es demoralisiert“, so Haubl.
„Sollen Arbeitsplätze keine Gesundheitsrisiken sein, wie es die
Weltgesundheitsorganisation in der Charta von Ottawa verlangt, bedarf es
eines Einstellungswandels, der heute vielerorts noch in weiter Ferne
liegt.“
Informationen: Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl, Professur für psychoanalytische
Sozialpsychologie, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Campus
Bockenheim, Tel. (069) 798 23644, haubl@soz.uni-frankfurt.de; Prof. Dr.
Günter G. Voss, Professur für Industrie- und Techniksoziologie,
Fachbereich Soziologie, Tel (0371) 531 32480,
guenter.voss@phil.tu-chemnitz.de