Personalmanagement 06.12.2024
Das Team muss unbedingt jung sein? Pustekuchen!
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Wie bekommt man das Praxisteam, das man/frau verdient? Fest steht: Definitiv nicht über Nacht! Und auch nicht ohne zwischenzeitliches Scheitern. Wenn man aber durchhält und dranbleibt, wird so ziemlich alles gut. Sie haben Zweifel? Dann lassen Sie sich in unseren Zahnbekenntnissen von Zahnärztin und Praxisinhaberin Dr. Petra Volz überzeugen!
„Praxisteam-Casting“ nach Stärken
Unsere erste Praxis übernahmen wir mit sieben Mitarbeitern, und ich kann voller Stolz sagen: von diesen sieben Personen sind heute noch sechs mit an Bord! Anfangs haben wir versucht, die Praxisübernahme mit dem vorhandenen Team zu wuppen, sind allerdings bald an unsere Grenzen gestoßen. Wie in vielen Praxen der Vorgängergeneration gab es keinen personellen Puffer für Krankheits- und Urlaubsfälle. Vieles, wie z. B. die Abrechnung am Empfang oder das QM, wurde parallel und nebenbei erledigt. Wir kamen mit einer neuen Energie in die Praxis und wollten das und mehr ändern. Mein Mann hat das Team und mich von Beginn an tatkräftig unterstützt, sowohl am Empfang als auch im Background. Wir haben uns die vorhandenen Mitarbeiter angeschaut und nach persönlichen Gesprächen mit ihnen zusammen entschieden, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Bei ihren Wünschen bezüglich Fort- und Weiterbildung haben wir sehr genau hingehört und diese relativ zügig ermöglicht. So haben wir mit den vorgefundenen Strukturen schon mal ein bisschen Roulette gespielt, Aufgaben und Arbeitsplätze umverteilt, Überlastungen reduziert und Aufgaben stärkenorientiert vergeben. Mit jedem Wachstumsschritt und jeder Neueinstellung haben wir darauf geachtet, die „alten Hasen“ und Wissensträger der Praxis in den weiteren strukturellen und organisatorischen Aufbau einzubinden. Dafür haben wir in der Zimmerassistenz nachbesetzt und die erfahrenen Kollegen mit komplexeren Aufgaben betraut. Hierbei zeigte sich auch, dass ein zu junges Team zwar alle Einzelaspekte des Arbeitsalltags beherrscht, aber die Gruppendynamik mit den erfahrenen Kräften in Schieflage geriet. Überhaupt war die Steuerung und Balance der Teamdynamik mit jedem Wachstumsschritt die entscheidende Herausforderung, die es immer wieder neu auszutarieren galt.
#1_Learning: Lerne deine Mitarbeitenden richtig kennen und fördere ihre Stärken. Es gibt eigentlich immer Stärken, die nur auf falschen Positionen nicht zum Tragen kommen. Deshalb sind regelmäßige Personal- und Entwicklungsgespräche unfassbar wichtig. Und zwar nicht nur ein Gespräch alle halbe Jahre, sondern ein engmaschiger Austausch, der Mitarbeitende motiviert, sich einzubringen und weiterzukommen.
Gamechanger: Alters-Mix im Team
Ganz ehrlich: Zu Beginn waren auch wir davon überzeugt, dass wir eher junge Kolleginnen einstellen sollten, weil sie spritzig, motiviert, „biegsam“, lernwilliger, nicht auf alte Strukturen eingefahren und einfach kompatibler mit dem modernen Teamspirit sind, aber: Pustekuchen! Wir hatten 2020 ein sehr, sehr junges Team (im Schnitt Anfang 20), mit nur vereinzelten Altersspitzen und haben gemerkt, WIE anstrengend es ist, ausschließlich „junge Hühner“ zu haben.
Da gab es viel emotionalen Ballast, volatile Freundschaften, ständiger Struggle in der digitalen Welt von Snapchat und TikTok. Auch das Thema Handynutzung, andere Wertegerüste und eine Arbeitsmoral, die nicht immer mit den erfahrenen Mitarbeitern vereinbar war, strapazierte die Situation. Wir haben gemerkt, dass wir Ruhe, Stabilität und andere Perspektiven im Team brauchten. Grundsolide sollte das Wertegerüst ähnlich sein, jedoch wollte ich einfach mehr Erfahrung im Team miteinbauen – klar findet man Stabilität auch unter jüngeren Kolleginnen, jedoch brauchten wir einfach ein paar Ankerpunkte und haben uns deshalb bewusst darauf konzentriert, Ü 45 zu suchen. Dabei scheiterte zwar der erste Versuch, denn da hatten wir tatsächlich eine Mitvierzigerin eingestellt, die so „versaut“ war von vorherigen Chefs, dass wir ihre Untertänigkeit, ihre Unselbstständigkeit tatsächlich nicht rausbekommen haben. Danach aber hatten wir einen Lauf. Ältere Mitarbeiter bringen eine viel gesetztere Kommunikation ins Praxisteam. Kleine Probleme werden selbstständig im Keim erstickt, weil sie Face to Face angesprochen werden. Erfahrene Mitarbeiter ruhen mehr in sich – Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel – und bringen so insgesamt mehr Besonnenheit ins Gefüge. Gleichzeitig ist die Arbeitsethik und auch der Umgang mit Fehlstunden/Krankheitstagen wesentlich pflichtbewusster. Alles in allem funktioniert der Alters-Mix hervorragend, auch weil wir voneinander lernen: Unsere älteren Kollegen schauen sich von den Jungen beispielsweise den Umgang mit Handy, Tablet und Co. ab. Die Jüngeren wiederum lernen Pflichtbewusstsein, Teamfähigkeit und das selbstständige Problemlösen. Es ist ein schönes Geben und Nehmen! Die einzige Herausforderung an der Sache: Man braucht eine richtig gute Führung von der Chefseite her, mit viel Kommunikation, viel Miteinander, viel Verständnis. Wenn sich aber die Praxis einmal für Werte entschieden hat, mit denen sie sich identifiziert und nach denen sie lebt, ist es menschlich wie beruflich ein Riesengewinn!
#2_Learning: Stellt man ältere Mitarbeiter ein, holt man sich nicht nur wertvolle Erfahrung an Bord. Es kommen ggf. auch die negativen Muster mit, die sich teils über viele Jahre unbewusst eingeprägt haben. Hier muss man sich entscheiden, wie viel Zeit und Kraft man investieren kann und möchte, um das zu ändern, oder ob sich die Wege doch wieder trennen müssen.
Ja, zu Quereinsteigern!
Unsere Erfahrungen mit Quereinsteigern sind durchweg positiv! So wird unser Empfang durch eine Augenoptikerin betreut und im Labor arbeitet eine ZFA, die nur noch Labor macht. Und auch mein Mann hat bewiesen, dass ein studierter Betriebswirt aus der IT sehr wohl in der Praxis funktioniert – das erste halbe Jahr nach unserer Gründung hat er wunderbar den Empfang geschmissen. Natürlich muss man mit Einarbeitungszeit rechnen, aber normalerweise haben Menschen, die arbeiten wollen, eine ganz andere Lernbereitschaft und Anpassungswillen als jene, die zwar vom Fach, aber ohne Motivation sind. Gerade „nicht assistierende“ Funktionen sind teilweise sogar perfekt von Quereinsteigern zu besetzen, weil oft charakterliche Stärken gebraucht werden, die in anderen Berufsbildern häufiger zu finden sind. Eine Rezeption ist z. B. geprägt durch Serviceorientierung und dauernd wechselnde Situationen. Die passenden Menschen dazu finden sich ganz oft im Hotelgewerbe, unter Stewardessen oder in der Gastronomie. Organisation kann auch von Bürokauffrauen, Verwaltungsassistenzen und ähnlichen Berufen ausgeführt werden. Ich bin inzwischen offen für den MENSCHEN an sich, der hinter einer Bewerbung steht, und nicht für dessen bisher erlangte Qualifikation. Natürlich brauchen wir Menschen mit geeigneter Qualifikation in Sachen Hygiene, QM, PZR und Ähnliches, aber es gibt genügend Stellen in einer Praxis, die auch fremdbesetzt werden können und wo das nötige fachliche Know-how dann ausgebildet wird.
#3_Learning: Wenn es um das Besetzen von offenen Stellen geht, sollte man das „Einzugsgebiet“ vergrößern und über den zahnmedizinischen Tellerrand schauen. Denn wir haben mehr als einmal festgestellt: Wer will, der kann!
Mehr Höhen, Tiefen und Sonstiges der Zahnmedizin zeigt Dr. Petra Volz auf Social Media: www.instagram.com/fotznspanglerei_zahnarzt
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.